Kirche, Friedhof, Grab

Die 31-jährige schwedische Sängerin, Pianistin, Organistin und Liedermacherin Anna (Michaela Ebba Electra) von Hausswolff hat ein phänomenales viertes Album herausgebracht.

anna von hausswolff

Es beginnt düster, wie auf dem Weg nach Twin Peaks. Aber dann setzt die Orgel ein, Annas sanfte aber doch starke Stimme kommt hinzu. Es hat etwas von Kate Bush, wie sie mit der Stimme spielt und kiekst, die Instrumentierung erinnert an Björk. Agnes Obel kommt einem in den Kopf, Lykke Li, die modernen jungen Frauen aus dem Norden, die man mittlerweile immer mehr hört. Doch dann schräge Musikinstrumente, ein Harmonium hier und da, und ich muss an die Grandes Dames denken wie Lisa Gerrard, aber auch Meredith Monk und Lene Lovich, und wie diese mit den Stimmen gespielt haben – wie auch hier. Ganz sukzessive treibt „The truth, the glow, the fall“ in Richtung Kirche, Friedhof, Grab. Was ganz sanft begann, schwillt zu einer Kakophonie an, wie ich es bislang nur einmal live von Rosa Crux gesehen und gehört habe. „The mysterious vanishing of Electra“, ein vertontes Gedicht des schwedischen Poeten Walter Ljungquis, ist eine Inszenierung fast wie in einem Italo-Western. Ein verlorener Gitarrenriff, ich sehe Staubwolken aufsteigen, entwurzelte Dornenbüsche durch die Wüste treiben, jemand sucht vielleicht die auf mysteriöse Art und Weise verschwundene Electra, schaurig-schön hier das Spiel mit Annas Stimme. Harmonie ist anders – Verzweiflung ist das! Beim nächsten Stück dominiert eine kräftige Orgel. Das 17-minütige „Ugly and vengeful“ ist ein Klagelied mit seinen hallenden Gesängen. Auch „The marble eye“ beginnt mit der Orgel. Es ist ein etwas leichteres, fast fröhlicheres Stück, ganz ohne Gesang. Und ehe man sich versieht, ist es doch wieder ein Begräbnislied geworden. Der letzte Track ist dann irgendwie lieblich und wirklich ein wenig wie Kate Bush (Anna hört den Vergleich aber nicht gern), und obwohl die schwere Orgel wieder zum Einsatz kommt, entlässt er einen ruhig und nicht aufgewühlt.

Was war das, was ich hier gehört habe? Funeral Pop, so nennt Anna selbst ihre Art von Musik. Dafür nimmt sie in der Kopenhagener Marmorkirken an der dortigen Orgel auf. Hiermit zelebriert sie ihre ganz eigene schaurige Messe. Es ist sakral, ätherisch, meditativ. Es ist noisig, popig, folkig. Dark Ambient, Post Gothic und Drone, Klassik, Avantgarde und auch stellenweise ganz einfach nordischer Pop kommen mit rein. Es sind fünf Stücke aufgeteilt auf 47 Minuten, von denen sich jede lohnt. Magisch!

Mein Anspieltipp: The mysterious vanishing of Electra

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Anna von Hausswolff: Dead Magic
City Slang (Universal Music), 02.03.2018
CD 15,49, MP3 11,99 €

Tracklist:
1. The Truth, the glow, the fall
2. The mysterious vanishing of Electra
3. Ugly and vengeful
4. The marble eye
5. Källans återuppståndelse

 

 

 

 

 

(2004)