Sünde, Sühne, Satan

Attic-SanctimoniousWas „The King“ Elvis unlängst sogar posthum geschafft hat, die Veröffentlichung eines neuen Songs (für Interessierte: Link), darauf warten die Fans von King Diamond seit der Veröffentlichung von Evil 2009 seiner legendären Band Mercyful Fate (Link), wenn man vom Gastbeitrag auf „Room 24“ von Volbeats Outlaw Gentleman & shady Ladies 2013 einmal absieht (Link).
Die gute Nachricht vorweg: Die entstandene Lücke ist endlich wieder besetzt worden. Die schlechte Nachricht: Es ist nicht King Diamond, der wieder von sich hören lässt, sondern die junge deutsche Band Attic. Aber ist das überhaupt eine schlechte Nachricht? Lassen wir uns erst einmal von ihrem zweiten Album Sanctimonious überraschen, bevor wir vorschnell urteilen.

Dieses startet mit dem instrumentalen „Iudicium Dei“ als Intro, bevor mit „Sanctimonious“ der Titeltrack die eigentliche Geschichte eröffnet, denn es handelt sich hier um ein Konzeptalbum um die Geschehnisse in einem Nonnenkonvent. Schwungvoll geht es los mit Bass, Gitarren und einem treibenden Schlagzeug, und es geht noch schneller, als plötzlich Double Bass Drums einsetzen, was eine besondere Dramatik erzeugt. Beim Gesang zeigt Meister Cagliostro direkt, wer sein Vorbild ist: King Diamond. Extrem hohes Falsett ist prägend für das ganze Album, immer im Wechsel zur normalen Gesangsstimme, die auch mal tief runtergeht. Von klassischem Heavy Metal à la Judas Priest zeigt sich das folgende „A serpent in the pulpit“ inspiriert. Das rhythmusbetonte Riffing bringt die Nackenmuskeln in Wallung. Auch das obligatorische Solo darf nicht fehlen. Doch dann überrascht eine ruhige Zwischenpassage mit sanft gezupftem Gitarrenspiel. Dafür macht „Penalized“ keine Gefangenen, erbarmungslos preschen die Instrumente den Song voran, während die Stimme über allem schwebt. „Scrupulosity“ ist ein kurzes Stück, in dem Cagliostro die Funktion eines Erzählers einnimmt, dabei ist es musikalisch von Orgelklängen ummalt. „Sinless“ knüpft dafür wieder an das Tempo von „Penalized“ an, und Vergleiche zum Speed Metal drängen sich auf, aber Attic agieren insgesamt komplexer. Das wird auch beim nächsten Stück „Die Engelmacherin“ deutlich, das den einzigen deutschsprachigen Titel trägt und gleich mehrere Tempowechsel beherbergt.
„A quest for blood“ ist wieder ein kurzes orgelbasiertes Stück, das eine Überleitung zum zentralen Stück auf Sanctimonious schafft. Beim nun folgenden „The hound of heaven“ habe ich ein bisschen „Thunderstruck“ von AC/DC im Ohr, allerdings nur beim Intro. Im Vergleich zu den übrigen Songs wird hier das Tempo etwas zurückgefahren, was den Song aber nur eindringlicher wirken lässt. Ist das Spiel der Instrumente auf „On choir stalls“ schon Power Metal, oder geht das noch als Heavy Metal durch? Die Genregrenzen sind fließend, das ist eben Attic Metal. Im Kontext des gesamten Albums ist „Dark hosanna“ das überraschendste Stück, da es ruhig gespielt wird, und so sowohl die Komposition als auch die Tragik der Lyrics hier besser zur Geltung kommt. Das macht es gleichzeitig zu einem der stärksten Momente des Albums. Im direkten Kontrast dazu wird bei „Born from sin“ wieder erst mal losgeknüppelt, bis der Gesang einsetzt, und ein halber Gang zurückgeschaltet wird. Eine längere instrumentale Zwischenpassage rundet den Song ab. Mit schwerem, schleppenden Rhythmus schimmert Pentagram etwas durch, und es dämmert die Erkenntnis „There is no God“, doch dann gewinnt der Song an Fahrt, und die Band zeigt noch einmal, was in ihr steckt, und auch die Double Bass Drum schlägt noch einmal zu.

Fazit: Das große Vorbild King Diamond bzw. Mercyful Fate schwebt über allem, das versuchen Attic auch gar nicht erst zu verleugnen. Da kann man jetzt geteilter Meinung sein, ob man das legendäre Original bevorzugt, oder ob man sich darüber freut, wenn eine junge Band den Stil weiterleben lässt. Ich bin mir aber sicher, dass die Hörer beim dritten Album mehr Eigenständigkeit erwarten wird. Auch beim Falsett-Gesang werden sich wie immer die Geister scheiden, ich persönlich finde ihn über die Dauer eines Albums hinweg etwas anstrengend. Gut, dass die Lyrics mitgeliefert worden sind, denn das hat mir sehr geholfen einen Einstieg in Sanctimonious zu finden.
:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:
Anspieltips: The hound of heaven, Dark hosanna

Attic – Sanctimonious
Ván Records, VÖ: 18.08.2017
CD 13,99 €, 2LP 21,99 €, erhältlich über Ván Records
Homepage: facebook.com/atticfuneral
van-records.de

Tracklist:
01 Iudicium Dei
02 Sanctimonious
03 A serpent in the pulpit
04 Penalized
05 Scrupulosity
06 Sinless
07 Die Engelmacherin
08 A quest for blood
09 The hound of heaven
10 On choir stalls
11 Dark hosanna
12 Born from sin
13 There is no God

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