Erzählungen zwischen Märchen- und
Speedmetal-Facetten

1000x1000Knapp daneben ist auch vorbei. AVANTASIA sind im Vorentscheid für den European Song Contest am Sieg vorbeigeschrammt – aber sind wir doch mal ehrlich: Braucht man das auf seiner Vita?
Ende Januar 2016 wurde endlich Ghostlights veröffentlicht, das mittlerweile sechste Studioalbum dieses Riesenprojektes um Bandpapa Tobias Sammet. Tobi, bekannt als Mastermind und Garant für gut strukturierte und arrangierte Songs, schrammt zwar immer haarscharf an der Kitschgrenze entlang, aber das macht seinen „Märchenmetal“, wie er ihn selbst gern nennt, auch aus.

Mit dem Opener „Mystery of a Blood Red Rose“ ist die Combo zum besagten ESC angetreten und hat immerhin den dritten Platz erreicht. Geschrieben als Duett mit Meat Loaf, aus dem leider nichts wurde, klingt es auch sehr danach. Die Gitarren und das dominante Schlagzeug werten die Gesamtkomposition dagegen wieder auf. Song Zwei ist stolze 12 Minuten lang, – „Let the Storm Descend Upon You“, nimmt auch jede Facette mit, die man sich im Metal vorstellen kann – dass dabei Hardcore oder Death Metal fehlen, sollte klar sein. Es wird ein riesiges Melodienfeld abgesteckt. Unterstützt wird Sänger Sammet von Ex-Masterplaner Jorn Lande, der auch später in „Lucifer“ mit Tobi zum Mikro greift. Des weiteren geben sich in diesem ewig langen Song, der sich jedoch eher kurzweilig anhört, Robert Mason (Warrant) und Ronny Atkins (Pretty Maids) die Ehre.
Genauso eingängig wie die beiden Vorgänger sind The Hunting und Seduction of Decay, besonders bei zuletzt genanntem Song kann Hauptgitarrist Sascha Paeth zeigen, was in ihm steckt.

Sehr ungewöhnlich für AVANTASIAnische Verhältnisse ist das Titelstück des Albums, „Ghostlights“ genannt. Ein bisschen Speed-Metal, was sich besonders in den treibenden Drums widerspiegelt und die Sänger, die für meinen Geschmack ihre Stimmbänder etwas zu sehr strapazieren, dafür funktioniert „Ghostlights“ recht gut und ist für die Live-Bühne wie geschaffen. „Master of Pendulum“ kann hingegen schon wieder besser eigenständig agieren. Von heavy bis megasoft – hier ist alles dabei.

Ein Duett mit der hübschen Holländerin Sharon den Adel (Within Temptation) läutet die Balladenzeit auf Ghostlights ein – allerdings ein ziemlich kurzes Intermezzo – und lässt einen zwischen den etwas härteren Songs ein wenig verschnaufen. Das Intro von „Draconian Love“ erinnert an die 90er, bietet aber eine richtig tolle Facette, die man von den vorherigen Alben noch nicht kennt. Neu in der AVANTASIA-Familie ist Herbie Langhans (SINBREED). Herbie, der normalerweise eher backing vocals singt, darf hier als Duettpartner ans vordere Mikro. Mit einem zarten Piano-Intro beginnt „Lucifer“, doch nach ca. 2 min schlagen die Gitarren wie eine Bombe ein. Treu im typischen Gewässer schippert hingegen „A Restless Heart and Obsidian Skies“ und birgt so gar keine Überraschungen – das ist schade, man hätte sich als Abschluss-Song der LP etwas mehr gewünscht.

Einen Bonus-Track gibt es auch noch auf den Digi-Books: „Wake Up To the Moon“. Der Song hat seine ganz eigene Klasse und klingt einfach nur sehr schön, wenn auch etwas kitschig.

Von einer soften Ballade bis hin zu kleinen Speed-Metal – Einlagen, AVANTASIA hat es mal wieder geschafft, so viel wie möglich auf ein Album zu packen – Respekt. Tobias Sammet, der alle Songs selbst komponiert und schreibt, hat mal wieder alles gegeben, Sascha Paeth ist nicht nur live Hauptgitarrist, er produziert seit dem The Scarecrow – Album, welches 2008 erschien, die Silberlinge immer mit. Reinhören lohnt sich definitiv.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Anspieltipps: Lucifer – Isle of Evermore – Master of Pendulum – Wake up to the Moon

Avantasia: Ghostlights
Nuclear Blast, 29.01.2016
Doppel-CD
€ 19,99
Amazon

Tracklist:
01 Mystery of a blood red Rose
02 Let the Storm descend upon you
03 The Haunting
04 Seduction of Decay
05 Ghostlights
06 Draconian Love
07 Master of the Pendulum
08 Isle of Evermore
09 Babylon Vampyres
10 Lucifer
11 Unchain the Light
12 A restless Heart and obsidian Skies
13 Wake up to the Moon
14 Spectres (live)
15 Invoke the Machine (live)
16 The Story ain’t over (live)
17 Prelude (live)
18 Reach out for the Light (live)
19 Avantasia (live)
20 What’s left of me (live)
21 Dying for an Angel (live)
22 Twisted Mind (live)
23 The Watchmakers‘ Dream (live)
24 Another Angel down (live)

(2670)