Dampframme vom Feinsten

Benediction-ScripturesBenediction – Oldschool-Deather bekommen bei diesem Namen erhöhten Blutdruck, und die Nackenmuskeln zucken unkontrolliert. In den Neunzigern haben die Briten ein phänomenales Todesblei-Album nach dem anderen rausgehauen, wir erinnern uns an Großtaten wie The grand leveller oder Grind bastard. In den Zweitausenderjahren wurde es dann ruhiger, Ur-Sänger Dave Ingram wurde von Dave Hunt abgelöst, das Leben hat sich auch eingemischt, sodass nur noch alle paar Jahre ein neues musikalisches Lebenszeichen auf den Markt kam – das letzte, die Scheibe Killing time, 2008! Es wird also wirklich Zeit für eine ordentliche Portion tiefergelegten Groove – eines der Trademarks von Benediction. Hat sich was verändert?

Fast nichts, außer dass Dave Ingram wieder am Mikro steht, und das begrüße ich persönlich sehr. Seine Stimme hat mir unter allen versierten Grunzgurglern der Szene immer mit am besten gefallen (und man versteht, was er singt), weshalb die letzten Benediction-Alben zwar natürlich sehr gute Death-Metal-Outputs waren, aber für mich nicht mit dem Gefühl bei den alten Songs verbunden. Andere sehen das sicher anders, ich sitze jedenfalls selig grinsend hier und wische mit den Haaren über die Tastatur, während der erste Track „Iterations of I“ aus den Lautsprechern rumpelt und ich mich mindestens zwanzig Jahre jünger fühle. Mit Vollgas geht es weiter, genau wie es sein soll – auf Scriptures rücken Benediction wieder mehr den klassischen Death Metal ins Zentrum, was zu Dave Ingrams Stimme auch besser passt. Die leicht rotzige, angepunkte Attitüde der letzten Alben findet man hier kaum noch. Wie heißt die leicht abgenudelte, aber manchmal einfach treffende Floskel? „Hier werden keine Gefangenen gemacht.“ Auch „Scriptures in scarlet“ walzt sich gnadenlos durch die Gehörgänge, und mein Fuß wippt unter der Tischplatte zum Doublebass mit (er versucht es zumindest). Groove gibt’s ordentlich bei „The crooked man“, Growls aus der Gruft inklusive. Die „Stormcrow“ breitet mächtig ihre Flügel aus und gibt noch mal mehr Gas als bisher.
Und so geht es Schlag auf Schlag weiter. Bei „Rabid carnality“ gibt es das erste kleinere Gitarrensolo zu hören, bei „In our hands, the scars“ brilliert die Rhythmussektion aus Drums und Bass, ebenso wie beim Lavabrecher „Tear off these wings“. „Embrace the kill“ bildet fast einen kleinen Ausreißer auf dem Album – nur fast, keine Sorge -, mit ansatzweise verspielten Gitarrensprengseln, doch Härte und Geschwindigkeit kommen natürlich nicht zu kurz. „Neverwhen“ integriert dann sogar leicht orientalisch anmutende Harmonien, doch wer jetzt gleich an Nile denkt – nein, so weit geht’s nicht. „The blight at the end“ und „We are legion“ runden die Scheibe hervorragend ab, und erst danach kann man wieder Luft holen.

Benediction ist mit Scriptures ein hochklassiges Death-Metal-Album gelungen, das wirklich von Anfang bis Ende durchkesselt und nicht eine Sekunde langweilig wird. Die Produktion ist vom Feinsten und dringt fett und warm aus den Lautsprechern. Für mich ein Gefühl wie nach Hause kommen, und wer extremen Metal liebt, der weiß, wie kathartisch und entspannend solche Musik sein kann. Wer dieses Gefühl gerade dringend braucht, dem sei unbedingt Scriptures empfohlen. Wer einfach nur mangels Konzerten im Wohnzimmer die Rübe schütteln will, dem sei Scriptures auch empfohlen. Und allen anderen auch, die mit zeitlosem Extremmetal etwas anfangen können. Hoffentlich dauert es bis zum nächsten zukünftigen Klassiker nicht wieder zwölf Jahre!

Anspieltipp: Scriptures in scarlet – In our hands, the scars – Neverwhen

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Benediction: Scriptures
Nuclear Blast, ET: 16.10.20
Länge: 44:50 Minuten
Kaufen: € 15,99 bei Nuclear Blast 

Tracklist:
1. Iterations of I
2. Scriptures in scarlet
3. The crooked man
4. Stormcrow
5. Progenitors of a new paradigm
6. Rabid carnality
7. In our hands, the scars
8. Tear off these wins
9. Embrace the kill
10. Neverwhen
11. The blight at the end
12. We are legion

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