Zeitlos schön

beyond obsession Moments of truthBeyond Obsession – das sind Nils Upahl und André Wylar, die die Synthiepopszene seit ein paar Jahren gehörig aufmischen. Aktuell waren sie diesen Herbst erneut im Vorprogramm von And One unterwegs und haben da an jedem Konzertabend mächtig abgeräumt. Die beiden überaus sympathischen Musiker sind für ihre Fannähe bekannt und beliebt, doch die musikalische Substanz spielt da natürlich auch eine sehr große Rolle. Nils und André haben sich überaus eingängigem Synthiepop verschrieben, in der Tradition von Erasure, Camouflage, De/Vision und Depeche Mode. Besonders wird das Ganze durch Nils’ markante, oftmals sehr hohe Stimme, Killerohrwurmmelodien und ein tolles Gespür für das Genre. Unter Beweis gestellt haben das Beyond Obsession bereits auf zwei Alben, Listen, Learn and Speak und Pieces of Machinery, seit Ende September gibt es das dritte Werk, Moments of Truth. Als ich Beyond Obsession das letzte Mal live sah (erst in München mit Solar Fake, dann noch auf dem Amphi), haben Nils und André schon ein wenig neues Material präsentiert, das sehr, sehr vielversprechend klang. Wie sich dann wohl jetzt das ganze Album schlägt?

Mit „Louder“ legt das Duo gleich mal eine amtliche Hymne vor, die zuerst ganz harmlos und federleicht beginnt und sich dann mit jeder Strophe steigert und an Gewicht gewinnt. „I choose to be free, I choose to be me“ – genau das vermittelt der Song, Ausbrechen, Aufbruch, gewachsenes Selbstbewusstsein, gepaart mit einem Refrain, den man so schnell nicht mehr vergisst. „Weight of Words“ steht stark in der Tradition von Depeche Mode und überzeugt mit seiner beschwörenden Grundmelodie und Nils‘ kräftigem (und tieferem, was mir persönlich sehr, sehr gut gefällt) Gesang. Devotees sollten hier sehr aufmerksam lauschen, aber vor allem ist „Weight of Words“ ein abwechslungsreicher, sehr dynamischer Synthiepopsong geworden, der ab dem ersten Ton zündet. „Home“ nimmt ein wenig das Tempo heraus, plätschert aufs erste Hören ein wenig vor sich hin, doch es lohnt sich, sich näher mit dem Song zu beschäftigen. Auch er ist clever aufgebaut und vielschichtiger als zuerst gedacht.
Der darauf folgende Titeltrack des Albums ist dann mein erstes großes Highlight, eine Synthiepopperle, wie sie im Buche steht. Wieder punktet Nils hier mit etwas tieferem, sehr knackigem Gesang, der einen sofort in den Song hineinzeiht. Dieser steigert sich dann von Minute zu Minute zu einer weiteren Hymne, die geradezu nach einer großen Bühne schreit. Das schleppende „Sleep!“ dagegen zehrt etwas an meinen Nerven – aber das soll es vermutlich auch, wenn es die musikalische Umsetzung von Schlaflosigkeit darstellen soll. Das schon von den Konzerten im Sommer bekannte „Ghost Pictures“ klingt da doch gleich wohltuender – hier passt wieder alles: Ohrwurmmelodie, ein wenig mehr Tempo, feine Soundspielereien im Song. Zweites Highlight des Albums! „My Thoughts“ ist die erste richtige Ballade des Albums, sparsam instrumentiert, zurückhaltend aufgebaut, mit einer deutlichen Steigerung am Liedende. Auch dieser Track gewinnt, je öfter man ihn hört. „Lie after Lie“ ist mir dann ein wenig zu süßlich und beliebig und fällt meiner Meinung nach gegenüber den bisherigen Titeln deutlich ab. Vor allem, wenn man sich das nachfolgende „Memories fade“ anhört, bei dem Nils noch mal ganz deutlich zeigt, was er stimmlich so draufhat. Auch hier ist das Tempo zurückgenommen, doch die melancholische Melodie und die dezenten Achtziger-Synthie-Anleihen, gepaart mit einem ganz, ganz großen Refrain, machen den Song zum absoluten Synthiekiller. Fein! „Destroyer“ wartet dann noch mal mit tanzbaren Ohrwurmmelodien auf, bevor es zum Abschluss mit „Purities“ sehr ruhig und balladesk wird.

Beyond Obsession haben hier nach bereits zwei sehr starken Alben wieder richtig gutes Synthiepopfutter vorgelegt, das sich natürlich innerhalb der Genregrenzen bewegt, dies aber auf ganz eigene und wiedererkennbare Art tut. Nils singt durchgehend etwas tiefer, als ich es bisher kannte, was den Songs sehr, sehr guttut, hier entfaltet sich seine Stimme erst richtig, habe ich das Gefühl. Wirkliche Schwächen hat das Album nicht, vieles ist ja immer Geschmackssache, und insgesamt ist das eine richtig runde Sache geworden, auf die Beyond Obsession stolz sein können. Ich freue mich schon, wenn die Jungs das nächste Mal in München aufschlagen oder auf einem Festival zu sehen sind – samt der weißen Doc Martens natürlich!

Anspieltipps: Memories fade, Ghost Pictures, Moment of Truth

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Beyond Obsession: Moments of Truth
Eigenvertrieb, ET: 26.09.2016
Länge: ca. 45 Minuten
€ 15,95 (bei Poponaut)

Tracklist:
1. Louder
2. Weight of Words
3. Home
4. Moment of Truth
5. Sleep!
6. Ghost Pictures
7. My Thoughts
8. Lie after Lie
9. Memories fade
10. Destroyer
11. Purities

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