Keine dicke Biene

blinddelon-cd-frontBei dem Bandnamen Blind Delon muss ich als erstes direkt an die amerikanische Band Blind Melon denken, die in den Neunzigern den Hit „No rain“ hatte, in dessen Video ein als dicke Biene verkleidetes Kind die Hauptrolle innehatte. Aber ich vermute, es handelt sich wohl um ein doppeltes Wortspiel, das sich auch auf den französischen Schauspieler Alain Delon bezieht. Mathis Kolkoz hat die Band 2016 zunächst als Soloprojekt gegründet, zwei Jahre später stoßen Coco Thiburs und Théo Fantuz hinzu. Nach dem Debütalbum Discipline 2019 hat Fantuz die Band jedoch verlassen, und als Duo wird nun das neue Album Chimères bei Icy Cold Records und Manic Depression Records präsentiert.

Zu Beginn entführt der Bass bei „Elle“ in Richtung Post Punk, dann setzt der warme, dunkle Gesang von Mathis ein. Die französische Sprache harmoniert wunderbar dazu, ebenso wie die begleitenden Synthesizer-Sounds, die für eine New-Wave-Atmosphäre sorgen. Diese wird auf „Cigarette“ noch deutlich ausgebaut, und auch die Gitarre kommt mehr zum Tragen. Ich meine leichte Schwingungen von „Such a shame“ von Talk Talk wahrzunehmen und habe dennoch das Gefühl, so muss New Wave heute klingen. Das Bassspiel in „Sinistrose (feat. Cathedrale)“ fasziniert mich sofort, und auch der leicht abgehackte Gesang. Doch mehrmals wechselt die Stimmung, zwar stets tanzbar, aber mal Cold-Wave-ähnlich unterkühlt, dann fast Batcave-mäßig. Cool inszeniert. In „Tes lèvres“ liegt der Focus auf dem düsteren Sprechgesang, der vom repetitiven Zupfen am Bass getragen wird. Nur in den instrumentalen Zwischenparts kommt die ganze Band zum Einsatz.
Eine einzelne anhaltend gespielte Note weckt in „Mourir seul“ bei mir Assoziationen zum Stundenschlag einer Kirchturmuhr. Der Gesang ist hier bewusst monoton gehalten, das gibt der Musik insgesamt mehr Raum. Vor allem die Percussion muss ich hier hervorheben. Passend zum Titel liefert „Outrage“ einen pumpenden Rhythmus und einen aggressiven Gesang, der von Lärmausbrüchen begleitet wird. Das reißt mich sofort mit und lässt mich den Frust der letzten Monate vergessen. Gleichzeitig erinnert mich das Stück an die legendären Charles de Goal. Im Anschluss wird für „Noire (feat. Girl Sweat)“ das Tempo wieder herausgenommen. Das Stück plätschert für mich ohne große Highlights dahin und erinnert an einen Soundtrack, zumal der spärliche Gesang sehr untergeordnet ist. Einen ähnlich ruhigen Ausklang liefert „Tu vois le monde“, das sich erst ganz langsam aufbaut. Leise spielt der Bass, begleitet von sphärischen Synthieklängen. Hierzu kann ich mich wieder richtig fallen lassen. Die Energie nimmt stetig zu und lässt mich tanzen, bis zum unerwarteten Ende.

Fazit: Blind Delon bieten auf Chimères keine dicke Biene an, aber dafür tolle Songs, die sich in einem Spektrum zwischen Post Punk und New Wave bewegen, ohne direkt in Melancholie zu versinken. Das ist frischer und moderner Synth Wave, auch wenn die Achtziger stets spürbar sind. Der französischsprachige Gesang hebt sich wohltuend von dem meistens vorherrschenden Englisch ab.

Anspieltipps: Sinistrose (feat. Cathedrale), Outrage, Cigarette

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Blind Delon: Chimères
Manic Depression Records, Vö.11.09.2020
MP3 8,00 €, CD 13,00 €, LP 17,00 € erhältlich über Bandcamp

Homepage: https://www.facebook.com/blinddelon/
https://www.facebook.com/icycoldrecords
https://www.facebook.com/manicdepressionrecords
https://www.manicdepression.fr/en/

Tracklist:
01 Elle
02 Cigarette
03 Sinistrose (feat. Cathedrale)
04 Tes lèvres
05 Mourir seul
06 Outrage
07 Noire (feat. Girl Sweat)
08 Tu vois le monde

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