Wie heißer Sommerasphalt

CD-ClosedMouth-ConversationPieceClosed Mouth wurde 2019 von dem Musiker Yannick Rault ins Leben gerufen, nachdem er zuvor mit verschiedenen Bands wie Triple Sun, Bluebeard’s Castle, So What ?, Sander & Melody und Twenty Years aktiv gewesen war. Mit Conservation piece veröffentlicht er bereits sein drittes Album, das über Icy Cold Records erschienen ist. Dennoch sind über Rault als Person kaum Informationen im Netz zu finden, also spare ich mir weitere einleitende Worte und lasse einfach die Musik auf mich wirken.

Ein „Intro“ eröffnet Conservation piece, das leichtes Drone-Feeling vermittelt, bevor „Days go by“ die Atmosphäre ein Stück weit aufnimmt. Die Musik flirrt und flimmert wie eine Luftspiegelung über heißem Sommerasphalt und verlängert so das Intro. Für mich startet erst mit „I can see“ das eigentliche Album. Rhythmisch geht es flott vorwärts, und die flirrende Leichtigkeit wird mit düsterem Post Punk kombiniert. „Something precious“ hingegen erlaubt sich zusätzliche Ausflüge in den Wave-Bereich und vermittelt die Traurigkeit der frühen Jahre von The Cure, sodass nun ich statt dem Asphalt schmelzen könnte. „Interlude 1“ bildet im Anschluss eine gediegene Brücke zu „Never getting old“, das fast schon Prog-mäßig von einem extrovertierten Bassspiel dominiert wird. Gleichzeitig erinnert mich die Atmosphäre an „One hundred years“ von The Cure, das noch dazu mit der Zeile „It doesn’t matter if we all die“ beginnt, was irgendwie auch zum Titel passt.
„A void“ ist eine Melange aus Post Punk und Wave. Der Nachhall im Gesang klingt titelgerecht wie in einer leeren Halle aufgenommen. Eine Bassline zum Niederknien prägt „Your eternal sleep“, begleitet vom Flirren der Gitarre. Der traurige Gesang macht den Song perfekt. Mit „Interlude 2“ folgt das nächste Zwischenspiel, bevor „Two ways to choose“ zwar düster bleibt, aber gleichzeitig wieder tanzbarer wird, und auch „Your mind“ greift eine ähnliche Stimmung auf. „Words in a lost box“ ist wesentlich ruhiger und vermittelt tatsächlich anschaulich das Gefühl der Verlorenheit. Das Drone-Feeling kommt in „Worthless“ wieder auf, das Hoffnungslosigkeit verströmt. Es ist nur spärlich instrumentiert und arbeitet dafür umso mehr mit Soundeffekten, die den Sprechgesang umspielen. Zum Abschluss dominieren in „Voices“ einzelne Trommelschläge, während die musikalischen Klänge dazu reichlich psychedelisch wirken. Gewissermaßen bilden die letzten zwei Titel das Outro.

Fazit: Trotz der vorhandenen Düsternis und Traurigkeit komme ich um dieses Bild von flirrender Luft über heißem Sommerasphalt nicht herum, der aktuellen Winter-Jahreszeit zum Trotz. Irgendwie spiegelt das für mich die Musik von Closed Mouth wieder, und es ist eben dieses Flirren, was mich an Conservation piece so fasziniert. Vielleicht auch, weil es mit den wiederkehrenden Bezügen zu The Cure und deren Pornography-Ära so widersprüchlich klingt. Aber Zerfall findet eben auch im Sommer statt (wie ja auch die Veröffentlichung), der mich trotzdem frösteln lässt.
Mein Kritikpunkt, und das ist Jammern auf hohem Niveau, das Album als Ganzes kommt mir mit einer Stunde Spielzeit zu lang vor. Mit zwei Songs weniger wäre es irgendwie knackiger. Aber vielleicht ist das auch ein Argument, auch eine LP rauszubringen, um sie seitenweise auflegen zu können. Dafür gäbe es die volle Punktzahl.

Anspieltipps: Something precious, Never getting old, Your eternal sleep

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Closed Mouth: Conservation piece
Icy Cold Records, Vö. 21.06.2020
MP3 10,00 €, CD 13,00 € erhältlich über Bandcamp

Homepage: https://www.facebook.com/closedmouth19/
https://www.facebook.com/icycoldrecords/

Tracklist:
01 Intro
02 Days go by
03 I can see
04 Something precious
05 Interlude 1
06 Never getting old
07 A void
08 Your eternal sleep
09 Interlude 2
10 Two ways to choose
11 Your mind
12 Words in a lost box
13 Worthless
14 Voices

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