Verschmelzung von Musik und Kunst

Nun, da die Jahreszeit naht, die mir persönlich am wenigsten behagt, und die Temperaturen schon gegen ‚angeröstet‘ und ‚gut durch‘ steigen, möchte ich euch in dieser Review das neue Album der aus Neapel stammenden Corde Oblique vorstellen. Kopf und Founder von Corde Oblique, Riccardo Prencipe (Songwriter und Kunsthistoriker), umgarnt meine Ohren bereits seit ihrer Gründung im Jahre 2005. Gespannt also, wie sich die Band entwickelt hat und vor allem, welche neuen Einflüsse sie mit in ihre Musik und in ihre ganz besondere Art, Kunstnoten zu erschaffen, einfließen haben lassen, habe ich meine Eindrücke für euch zusammengefasst!

Zuallererst fällt das Coverartwork auf, das modern, avantgardistisch und zugleich zutiefst melancholisch eine Art der Postapokalypse darstellt. Ein Cover, das mich zum Kauf verleiten würde, selbst wenn mir die Band unbekannt wäre. Zur Musik also, und die hat es in sich. Das Fazit kommt leider erst am Ende, aber ihr merkt, ich liebe dieses Album über alles! Der eröffnende Track „Almost blue“ beginnt mit einer Gitarre, die mich förmlich sanft bittet, Platz zu nehmen und dieses Album zu genießen. Feinster Post Rock mit einer tieftraurigen Violine, die klingt, als wolle sie ihr Leid klagen. Episch wäre alleine für das Intro „Almost blue“ untertrieben. Mein persönlicher Favorit folgt sogleich in Form von „La strada“. Ein Song, der mich beim Hören melancholisch stimmt und in eine andere Welt versetzt. Zusammen mit Andrea Chimenti (ein wahrer Meister und Sänger und bekannt durch viele verschiedene Kollaborationen) erschafft man eben mal eine absolut perfekte Symbiose aus Pop und Folk. Die emotionale Tiefe, die in die letzten Ecken der Seele kriecht, ist beeindruckend und lässt den Hörer nicht mehr los. „The Moon is a dry bone“ beweist mehr als alle noch folgenden Stücke, dass Corde Oblique auch durchaus anders können. Futuristisch technoide (damit meine ich nicht die Musikrichtung, sondern schon die Technik) Sounds, verbunden mit progressivem, leicht dissonanten und doch hervorragend aufeinander abgestimmten kalten, gefühllosen, weiblichen Gesang. Fast schon Angst Pop! Mit „Le grandi anime“ kehren Corde Oblique zu dem zurück, was ich an ihnen schätze. Lupenreiner Mediterranean Folk, wie ihn nur Formationen aus Neapel hinbekommen. Man denke nur an Argine oder Ashram! Lasst euch auf eine kleine Reise über und durch Neapel führen. Bilder von alten Ruinen entstehen, in denen Menschen gen Sonnenuntergang tanzen. Eine ganz tiefe Verwurzelung in ihrer Herkunft ist förmlich spürbar. Der über alles betörende Frauengesang tut sein übriges. „Le torri di Maddaloni“ und „La casa del ponte“ erinnern beim ersten Hören bereits an World Music. Die Vielfalt ist sehr groß, und immer wieder entdeckt man richtige Perlen. Auf wunderbare Weise wird die alte neapolitanische Kultur in die Neuzeit getragen bzw. gehievt. Man würde heutzutage scherzhaft sagen, es wäre wohl Ritual Folk! „La casa del ponte“ entwickelt sich gegen Ende zu einem absoluten Dark-Disco-Klassiker. Ein Knaller jagt den nächsten! „Il figlio dei vergini“ erinnert mich sogleich an „Le piccole cose“, einen Song von Corde Oblique, den ich gerne auf meiner Beerdigung laufen lassen möchte. Eine wundervolle Kollaboration mit einer anderen wundervollen Band aus Neapel, nämlich Ashram. Gänsehauterzeugende musikalische Folk-Perfektion! Eine schöne Sache, die sich durch die Veröffentlichungen der napolitaner zieht, sind die Hommagen an Anathema (übrigens eine andere von mir sehr geschätze Band). Dieses Mal wurde „Temporary peace“ neu interpretiert. Das Original ist nahezu perfekt, aber was Corde Oblique daraus gemacht haben, ist meisterlich. Angereichert durch ihren typisch eigenen Sound haben sie den Song zu ihrem gemacht. Fantastisch! „Il terzo suono“ beginnt zutiefst melancholisch und introvertiert, bevor es gegen Mitte der 02:14 Minuten auf einmal fast schon postpunkig wird. Es ist der Wahnsinn, aber der Song nimmt absolut mit. Wie oben bereits erwähnt, ist Riccardo Prencipe Kunsthistoriker, und was liegt näher, als mit „Herculaneum“, einer der bedeutendsten, faszinierendsten und mächtigsten Ausgrabungsstätten in Neapel, Tribut zu zollen? Was mit „Almost blue“ begonnen hat, endet mit „Almost blue II”. Wie ein shoegaziger Sonnenuntergang klingt das Stück und geleitet zurück in die Realität.

Fazit: Ich liebe diese Band nicht nur, weil ich selbst aus Neapel komme, sondern weil sie es versteht, aus Empfindungen heraus Musik zu machen, die man wiederum, wenn man sie hört, nachempfinden kann, fast so als würde man seelisch verreisen, und für eine gewisse Zeit wäre der Geist frei. Die all dem zugrunde liegende melancholische Note, die diese Art von Musik magisch macht, nimmt einen gefangen. Ein Album, das man durchaus bei Lagerfeuer hören kann, mit Freunden, oder vor einem schönen Kamin. Viel perfekter geht es nicht mehr! Kompliment an Riccardo Prencipe und alle anderen aus der Band.

Anspieltipp: La strada, Il figlio dei vergini

CD: Corde Oblique: The moon is a dry bone
Dark Vinyl Records, 03.04.2020
10 € (Album: https://cordeoblique.bandcamp.com/album/the-moon-is-a-dry-bone-digipack-edition  )

Facebook: https://www.facebook.com/cordeoblique/
Band: https://www.cordeoblique.com/

Tracklist:
1 Almost blue
2 La strada (feat. Andrea Chimenti)
3 The moon is a dry bone
4 Le grandi anime
5 Le torri di Maddaloni
6 Il figlio dei vergini
7 La casa del ponte
8 Temporary peace (Anathema-Cover)
9 Il terzo suono
10 Herculaneum
11 Almost blue II

 

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