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Ich hasse ein bisschen die Welt …

desolation-desoriented-artworkBereits im September erschien mit Desoriented das dritte Album der Melodic Black Metaller aus Hannover – erst jetzt finde ich die Zeit, mich so eingehend mit dem neuen Material zu befassen, wie der Silberling es verdient hat. Das Sextett besteht seit 1994 und aus René Hühnerberg (Bass), Felix Hanisch (Gitarre), Nicolas Marochow (Gitarre), Johannes Bergmann (Vocals), Sebastian Thomas (Keyboards/Vocals) und Thomas Nagel (Schlagzeug), und beinahe alles, was jemanden mit diesem Namen (oder auch der Variante mit Doppel-L) an den Drums sitzen hat, hat sich bisher als sehr gut herausgestellt (gut, von The Underground Resistance möchte ich an dieser Stelle einfach nicht sprechen. Und auch an keiner anderen Stelle!).Desoriented bildet da keine Ausnahme: Die Songs zeichnen sich durch wirklich hervorragendes Arrangement aus, sind verspielt und komplex, verlieren dabei aber auch nie das Brachiale aus den Augen. Dass die Herren immer wieder mit Dimmu Borgir verglichen werden, mag exakt daran liegen, und auch bei mir drängen sich bei Songs wie dem sehr genialen „L’Auberge d’Esolation“ unweigerlich Assoziationen zu Norwegens härtester Pop-Band auf – aber das sei hier der Vollständigkeit halber erwähnt; und, um es gleich aus dem Weg zu schaffen: Desolation klingen besser als alles, was Dimmu in den letzten Jahren so produziert hat. Zufällig wissen beide Bands eben, mit Keyboards umzugehen, was sich natürlich im Sound niederschlägt. Damit hat es sich dann auch schon wieder.Und damit sind wir auch schon mitten in der Materie: Das Keyboard ist definitiv das dominierende Instrument in den zwölf Songs, die uns Desoriented präsentiert. Gitarren halten sich zurück, unterstützen das Keyboard und den Gesang, den es hin und wieder, etwa im bereits angesprochenen „L’Auberge d’Esolation“, auch clear gibt. Aufhorchen lassen dann plötzlich die fetten Riffs, mit denen „Ave Maria“ beginnt – sehr groovige Nummer, die ich mir auch live wirklich gut vorstellen kann. Genauso saitenlastig beginnt das einzige deutschsprachige Lied „Ich hasse ein bisschen die Welt“, das mich aufgrund des sehr guten deutschen Textes begeistert. Mehr davon!

desolation_bandfotoAber auch die restlichen Lieder, die durchweg in englischer Sprache gesungen werden, haben definitiv was für sich. Man kommt leicht rein in die Stücke, die allesamt von Orientierungslosigkeit erzählen, die sich einstellt, wenn gewohnte Dinge wie Kindheit („Dorothy“), Zuhause („Home is where the Heart is“) und Religion („Ave Maria“, „Agnus Dei“) wegbrechen, von der Welt verschluckt werden. Was übrig bleibt, wenn diese Anker erst einmal gelichtet sind und man sich mitten in einer Welt befindet, die man ein bisschen hassen gelernt hat? Desorientierung und Einsamkeit. Textlich mag es so aussehen, aber Desoriented ist keineswegs ein übermäßig kaltes oder deprimierendes Album (da habe ich schon ganz andere Kaliber gehört – Stichwort Isvind). Es ist düster, melodisch und geht rein ins Ohr und die Nackenmuskulatur.

Insgesamt haben die Hannoveraner hier ein rundes Album abgeliefert, das mit Sicherheit die Fans des melodischen, keyboardlastigen Schwarzmetalls entzücken wird. Mich haben die Mannen ebenfalls abgeholt, zwischen dem ganzen Geknüppel tun Keys schon mal gut. Stellt sich nur eine Frage: Warum zum Geier habe ich eigentlich so lange gebraucht, um mir Desoriented endlich mal in Ruhe anzuhören?*

Anspieltipp: L’Auberge d’Esolation, Ave Maria und Ich hasse ein bisschen die Welt

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

DesolationDesoriented
Rebellion Records, 2013
12,00 Euro
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Laufzeit: 56 Minuten
Tracklist:
01. Home is where the Heart is
02. Dorothy
03. Desoriented
04. On Bloodshed
05. L’Auberge d’ésolation
06. The Sainthood of the Fallen
07. Ave Maria
08. Contagion
09. Agnus Dei
10. Ich hasse ein bisschen die Welt

Mehr Infos zu Desolation gibt es hier und hier.

* Ach ja, richtig: Die Arbeit!

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