Auftrag erfüllt
Himmel, was für ein Morgen, am Abreisetag läuft alles nicht so, wie es geplant war, (verspäteter Flughafenzubringer etc.), die gelöste Urlaubsstimmung endet in Hektik und Stress. Aber dann sitz ich doch auf dem letzten Drücker im Flieger und steck mir die Ohrstöpsel rein, De/Visions neueste Release Citybeats wird mich hoffentlich entspannen.
„In the still of the night“ hilft dabei schon sehr, der ruhige Eröffnungstrack mit seinem spacigen Beginn lässt mich ruhiger werden, ich kann mich über sechs Minuten berieseln lassen. Das schöne Urlaubsfeeling kommt wieder auf mit „Joys of Paradise“, dagegen ist das düstere, getragene „Dystopia“ komplettes Gegenprogramm. Allerdings lässt es mich durch die synthetisch erzeugten Wassertropfen an die live erlebten Wasserfälle denken. Der Song drückt eine Art Ende und Neuanfang aus, sehr gekonnt erklingen dazu die Electrodrums. „They won’t silence us“ ist nach den Vorläufern der erste Song, der mich zum Tanzen animieren könnte. Die erste Singleauskopplung ist ein typischer De/Vision-Song. Die Synthesizer erklingen manches Mal wie feine, spitze, herabfallende Eiszapfen. Hier über den Wolken fühlt man sich „The brightest star“ am nächsten, es hat eine sehr schöne Melodie und klingt nicht ganz so bedrückend, wie so manch anderer Track auf der CD. Wie schnell wird unser Leben aus den Fugen gebracht, wir verstricken uns, umso mehr brauchen wir ein Zuhause, in dem wir zur Ruhe kommen können, das spiegelt „Under heavy fire“ wieder. Dann folgt eine große Überraschung: „A storm is rising“: eindringlich, aggressiv, experimentell in der Klang- und Gesangsstruktur, sehr hörenswert! „Last goodbye“ geht wieder zurück zur alten Stärke mit der gewohnten Synthesizer-Untermalung, verbunden mit einer sentimentalen Stimmung.
Ca. eine Stunde nach dem Abheben sieht meine Welt schon wieder anders aus. Steffen Keths weiche Stimme weiß Geschichten zu erzählen, egal wie düster sie auch sein mögen. Thomas Adam drückt seine pessimistische Sicht auf die Welt in einigen Texten auf Citybeats aus, er thematisiert die Angst vor dem Zusammenbruch der Zivilisation durch Kriegstreiberei, Naturzerstörung, Anbetung falscher Götter und nicht zuletzt menschliche Dummheit und machtgierige, verlogene Politiker. Selbst nach 30 Jahren funktioniert die Zusammenarbeit der zwei erfahrenen Musiker hervorragend. Der gewohnte Synthie-Pop verleiht jedem Song seinen Stempel, die Experimentierfreude bei „A storm is rising“ begrüße ich sehr. Das würde ich mir gerne live anhören, zum Beispiel am 5. Oktober in München.
Am 21. und 22. Dezember feiern De/Vision im Berliner Columbia Theater noch einmal ihr 30-jähriges Bandjubiläum, nachdem die „Generalprobe“ im April mit den Gründungsmitgliedern Stefan Blender und Markus Ganßert ein voller Erfolg war.
Anspieltipp: They won’t silence us, The brightest star, A storm is rising
De/Vision: Citybeats
Popgefahr Records/Soulfood, Vö. 22.06.2018
14,95 € z.B. bei POPoNaut
Erhältlich u.a. als Limited Edition im DigiBook, Standard Edition im DigiPack oder Download
Tracklisting:
01. In the still of the night
02. Joys of Paradise
03. Dystopia
04. They won’t silence us
05. Not in my nature
06. The brightest star
07. Under heavy fire
08. A pawn in the game
09. A storm is rising
10. Last goodbye
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