Yeah yeah yeah

Emigrate – aus dem einmaligen Projekt ist mehr als das geworden. Viel mehr. Die drei Alben Emigrate (2007), Silent so long (2014) und A million degrees (2018) beweisen, dass hinter Emigrate mit Richard Zven Kruspe ein überaus kreativer Kopf steht, der neben Rammstein die Freiheit braucht, sich musikalisch anderweitig verwirklichen zu können. Bei Emigrate gibt es keine Grenzen, keine Barrieren, keine Schranken. Alles ist möglich, Sounds sind nicht limitiert – das zeigt besonders The persistence of memory, das neue Studio-Album, das am 12. November erschienen ist.

Mein Player hat sich die Freiheit genommen, mir die neuen Songs in einer anderen Anordnung abzuspielen, da tritt als erstes „Always on my mind“ feat. Till Lindemann auf. Ich finde ja, dass es ein besserer Opener ist, weil etwas überraschend und doch so bekannt. Bei dem Titel kommen (natürlich?!) Erinnerungen auf, aber das Zusammenspiel der Herren Lindemann und Kruspe besitzt sehr viel gesangliche Intensität, die auch einem King of Rock ‘n Roll und den Songschreibern John L. Christopher Jr., Mark James und Wayne Carson gefallen hätte. Der Text bekam ein frisches, neu zugeschnittenes musikalisches Kleid mit elektronischen Sprenkeln (diese begegnen einem vermehrt auf The persistence of memory, mehr als auf den vorangegangenen zwei CDs). Und dieses „I call you“ von Till Lindemann zum Schluss hat etwas Spezielles. „Blood stained wedding“ lässt mich an Goth Rock denken, vor allem durch den eindringlichen Bass-Einsatz. Einer meiner Toptitel auf dieser Scheibe ist „Come over“, die rockige Zwiesprache mit „my shadow“ am Ende des Lebens ist sehr eindrücklich, bis zum letzten Pieps. Von „Freeze my mind“ kann sich jede*r ein eigenes Bild machen, der Titel hat mich angefixt. Das anschließende Warten auf mehr neue Musik aus dem Hause Emigrate war hart. Zu dem aggressiveren „Hypothetical“ zeigt Herr Kruspe wieder seine gesanglichen Qualitäten in voller Bandbreite, nachdem auf Silent so long der Gesangspart zum gleichen Song von Marilyn Manson übernommen wurde. Der folgende Track könnte aus einem Krimi, der in den 1930ern Jahren spielt, stammen, „Let you go“ dreht im Chorus allerdings ordentlich auf, wie es auch bei „Rage“ zu hören ist. „Yeah yeah yeah“ macht Lust auf ausgiebiges Tanzen mit Wiegen, Hüpfen und Springen. Das Video zu „You can’t run away“ sollte man sich ansehen, auch hier gewährt uns Kruspe einen kleinen Einblick in seine Gedankenwelt. Evtl. würde es sich auch als Hintergrund zu einem James-Bond-Film eignen:

Laut Pressetext vereint The persistence of memory Ideen, die Richard Kruspe in fast zwei Jahrzehnten gesammelt hat. Industrial Rock, Rock mit vielen elektronischen Elementen (hervorragend umgesetzt von Keyboarder Andrea Marino), immer melodiös und mitreißend. Es wurde neu arrangiert und getextet und den neuen Songs wurde ein zeitgemäßer Anstrich verpasst. „Freeze my mind“ ist zum Beispiel einer der ersten Emigrate-Songs überhaupt, entstanden 2001.
Ich persönlich bin jedes Mal etwas enttäuscht, dass die CD schon zu Ende ist, da kann es dann schon mal zu vielen Wiederholungen kommen. Man hört auch wieder die Lust und die Motivation, die Kruspe in seine Songs legt. Was 2007 als einziges Soloalbum von Richard Kruspe konzipiert war, hat sich Goth sei Dank verselbstständigt und bringt mir immer wieder einen großen Hörgenuss. Allem Anschein nach wird es auch eine Fortsetzung des musikalischen Schaffens von Richard Kruspe alias Emigrate geben, denn die Liebe zur elektronischen Musik scheint erneut entfacht zu sein, und der Künstler denkt schon an die Zukunft. Kruspe: „Vielleicht ist das neue Album ein Abschluss und hilft mir dabei, eine Ära beiseite zu schieben und neue Türen zu öffnen.“
Von mir aus sehr gerne! Denn The persistence of memory ist eine rundum gelungene CD, da passt einfach alles. Es gibt Überraschungen, Neuauflagen, Mitreißendes, Tiefgründiges und ganz viel Rock gepaart mit Elektronik. Eine wahre Wucht!

Anspieltipp: Freeze my mind, Come over, You can’t run away

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch: 

Emigrate: The persistence of memory
Emigrate Production/Sony Music Entertainment, VÖ: 12.11.21
16,99 € z.B. bei JPC

Tracklist:
1. Rage
2. Always on my mind feat. Till Lindemann
3. Freeze my mind
4. Yeah yeah yeah
5. Come over
6. You can’t run away
7. Hypothetical
8. Blood stained wedding
9. Let you go

(961)