Betörender Wahnsinn

eskapi-coverKennt ihr das? Man hört von einer Band, die einen bestimmten Musikstil spielen soll, der einem grundsätzlich gefällt, man denkt sich, „ach, reinhören schadet ja nie“, startet den ersten Song … und zieht erst mal die Augenbrauen hoch. Nein, was da aus den Boxen schallt, ist nicht das erwartete Genre, ist überhaupt nicht das, auf das man sich auch nur ansatzweise eingestellt hatte.
Da man aber a) immer noch Interesse an der Band hat und b) ja auch eine Rezension darüber schreiben möchte, hört man weiter. Und weiter. Und weiter. Lässt sich darauf ein. Hört alles noch einmal. Und merkt, dass man Eskapis Debüt-EP Välkommen till (o)verkligheten doch irgendwie verflixt gut findet.

Wer aber sind Eskapi eigentlich? Zwei Schweden (genauer aus der südlichsten Region Skåne), die sich hinter den Kürzeln C.L. (Musik) und J.G. (Gesang, Texte) verstecken. Johan „J.G.“ Gabrielson war früher bei den nicht nur in Schweden bekannten Lifelover (die entgegen ihres Namens Meister der Depressivität waren) und bringt damit die besten Voraussetzungen für experimentelle, schwermütige Musik mit. Laut Presseinformationen befanden sich beide Musiker 2013 in tiefen persönlichen Krisen, denen sie mithilfe der Musik entfliehen wollten. Musik als Eskapismus – Eskapi waren geboren, etwas nie Dagewesenes sollte kreiert werden.

Was spielen Eskapi denn nun? Man könnte es Rap nennen – das verschreckt aber eher potenzielle Hörer, als dass es Klarheit schafft. Sagen wir „Sprechgesang“ über minimalistischen Arrangements, die mal gitarren- („Invant vansinne“, „Vargar & får“), mal klavierlastiger („Skillnader“, „Hejdå“) angelegt sind. Experimentell wird es mit „Region Skåne“, das im regionalen Dialekt vorgetragen, nein, geklagt wird.
Lärmiger und intensiver wird es bei „Vargar & får“ sowie dem abschließenden Track „Hejdå“, insgesamt ist die Platte aber sehr ruhig und eindringlich gehalten und übt eine geradezu hypnotische Wirkung auf den Hörer aus.
„Narkotiska känslor“ und „Skillnader“ lassen am ehesten an moderne schwedische Hip-Hop-Tracks denken (Fans von Silvana Imam könnten hier zum Beispiel mal reinhören).

Die Texte sind trotz Sprechgesang nicht immer gut verständlich, doch eine gewisse negative Grundeinstellung durchzieht die ganze EP. „Invant vansinne“ – „Wahnsinn aus Gewohnheit“, „Vargar & får“ – „Wölfe und Schafe“, „Narkotiska känslor“ – „Suchterregende Gefühle“, „Till dig (när jag försvinner)“ – „Für dich (wenn ich verschwinde)“ sprechen eine deutliche Sprache.

Eskapi machen, entgegen der Ankündigung, weder Depressive Rock noch Black Metal, sondern eher Kunst mit einer unverkennbar düsteren, bedrückenden Note. Für Liebhaber der schwedischen Sprache und der extrem kreativen Musikszene in Schweden wirklich lohnenswert, für reine Black-Metal-Hörer mit äußerster Vorsicht zu genießen. Alle anderen potenziellen Hörer sollten zumindest eine Toleranz für Sprechgesang und Interesse an experimenteller Musik mitbringen.

Anspieltipp: Narkotiska känslor, Hejdå

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Eskapi – Välkommen till (o)verkligheiten
Art of Propaganda, ET 22.12.2014
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Tracklist
1. Invant vansinne
2. Vargar & får
3. Narkotiska känslor
4. Region Skåne
5. Till dig (när jag försvinner)
6. Skillnader
7. Hejdå

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