Energieschub für schlechte Tage

Hatebreed_WOTFS_500x500Corona und die Begleitumstände zerren ja allen an den Nerven, da kommt ein neues Hatebreed-Album gerade recht, um mal ein wenig Dampf abzulassen. Weight of the false self heißt das nunmehr achte Werk aus der Bridgeporter Hardcore-Schmiede in Connecticut. Schmiede ist in dem Fall ein fast schon bildlicher Vergleich, denn der Metal-Anteil ist naturgemäß hoch. Schließlich sind sie auch regelmäßig auf den großen Metalfestivals gebucht und haben auch dort eine stabile Fanbase. Zu Sänger Jamey Jasta gesellen sich die Gitarristen Wayne Lozinak und Frank Novinec, Bassist Chris Beattie und Matt Byrne an den Drums. Dann legen wir das gute Stück mal auf.

Direkt und unvermittelt brüllt Jasta seine Botschaft auf „Instinctive (Slaughterlust)“ direkt in die Fresse, und gleich im Anschluss föhnen die Riffattacken die Haare nach hinten oder das Basecap vom Schädel. Der rhythmische Sprechgesang wird auf „Let them all rot“ noch akzentuierter, ebenso das Schlagzeug. Zum Glück werden Breaks und eine ruhigere Passage eingebaut, sodass mein Kopf nicht ununterbrochen unkontrolliert zuckt. Mit „Set it right (Start with yourself)“ ist das aber auch schon egal. Jetzt hilft nur noch Holzhacken oder sich dem brachialen Sound hinzugeben. Das A-Capella-Intro von „Weight of the false self“ lässt schon erahnen, was für ein Brett da jetzt kommt, und dann explodiert der Song. Die Punchline sitzt, die Group-Shouts auch, das ist Hardcore. Der Mittelteil nimmt sich etwas zurück und bekommt musikalisch fast Doom-Charakter, wenn man von der Stimme absieht. In „Cling to life“ fällt mir die fast schon fröhliche Hintergrundmelodie auf, und dann überrascht die Gitarre mit einem Rocksolo-Höhenflug, bevor wieder ein Riff das nächste jagt. Auch in „A stroke of red“ leistet sich die Gitarre kleine, aber kürzere Ausflüge, bevor schließlich die Thrash-Keule ausgepackt wird.
Das Drumming in „Dig your life out“ ist extra tight, aber auch den Bass muss ich hier einmal lobend hervorheben, wie er den Druck im Rhythmus umsetzt. Mit fetten metallischen Riffs startet „This I earned“. Diese unterstreichen den aggressiven und angepissten Gesang, ebenso wie die Group-Shouts. Das Ende verläuft rein instrumental, und wirkt wie etwas schneller gespielter Doom. Im Vergleich zum Rest wirkt „Wings of the vulture“ etwas weniger brutal dank des etwas ruhigeren Gesangs, obwohl die Saiteninstrumente natürlich immer noch mächtig Strom verbraten. Das Drumming in „The herd will scatter“ ist wieder einmal komplex, überhaupt der ganze Druck, den Hatebreed mit ihrem Sound aufbauen. Ein cooles kleines Basssolo eröffnet „From gold to gray“, und weiter geht der wilde Ritt. Die Lead-Gitarre leistet sich zwischendurch kleine Ausflüge, die den Sound bereichern. Im letzten Song „Invoking dominance“ überrascht das Intro, in dem die Gitarre den Sound einer Orgel imitiert, sodass ich mich unwillkürlich an Ghost erinnert fühle. Doch dann wird natürlich noch einmal aus allen Rohren gefeuert.

Fazit: Hatebreed sind nicht ohne Grund Hatebreed. Man weiß, was man bekommt, da sie ihren Weg konsequent beschreiten. Und wenn man das liebt, liegt man hier goldrichtig. Wie immer durchpflügen sie die Grenzregion zwischen Hardcore und Metal und reißen alle Zäune nieder. Immer wieder blitzen Facetten auf von Agnostic Front, frühen Metallica oder Sepultura zu Chaos A.D. Zeiten, aber mit den Breaks auch von zeitgemäßem Metalcore. So variieren sie ihren Sound und wagen immer wieder kleine Experimente. Nach einem schlechten Tag fegt der extreme Energieschub von Weight of the false self jeglichen Stress beiseite, und schlechte Tage gibt es ja momentan leider nicht wenige.
Natürlich kann man Aussagen wie „If you want to change the world you have to start with yourself.“ ein wenig pathetisch finden, aber letztlich trifft es den Kern der Sache. Und Dinge anzuprangern und Leute zu motivieren, den Arsch hochzukriegen, gehörte schon immer im Hardcore dazu.

Anspieltipps: Weight of the false self

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Hatebreed: Weight of the false self
Nuclear Blast, Vö. 27.11.2020
CVD 15,99 €, LP 17,99 € erhältlich über Nuclear Blast

Homepage: https://de-de.facebook.com/hatebreed/
https://www.hatebreed.com/
https://www.nuclearblast.de/

Tracklist:
01 Instinctive (Slaughterlust)
02 Let them all rot
03 Set it right (Start with yourself)
04 Weight of the false self
05 Cling to life
06 A stroke of red
07 Dig your life out
08 This I earned
09 Wings of the vulture
10 The herd will scatter
11 From gold to gray
12 Invoking dominance

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