Verrocktes Mittelalter

 

Die 1995 in Berlin gegründete Mittelalter-Rockband In Extremo zählt heute längst zu den Vorreitern ihres Genres und wurde zu einer der erfolgreichsten Bands Deutschlands. Seit dem ersten Studioalbum In Extremo, das 1996 erschien, veröffentlichten sie inzischen bereits zehn weitere Studioalben, mehrere Live-CDs sowie das Best of Album Kein Blick zurück. Es ist auffällig, dass der Stil In Extremos dabei immer rockiger wurde, waren die ersten Alben noch rein akustisch, wurden immer mehr Rockelemente hinzugefügt, bis diese schließlich dominat wurden. Allerdings vergessen In Extremo dabei niemals ihre Wurzeln und legen weiterhin viel Wert auf mittelalterliche Instrumente in ihrer Musik. Mit dem 1999 erschienenen Album Verehrt und Angespien erreichten sie erstmals eine Chartplatzierung auf Platz elf in Deutschland. Jedes darauf folgende Album war unter den Top 10 zu finden, mit den Alben Sterneneinsen und Sängerkrieg hielten sie insgesamt 45 Wochen Platz eins. Nun wollen es die Jungs um Sänger Micha wieder wissen, ihr am 27.09.13 erschienenes Album Kunstraub werde ich euch nun vorstellen.

Das gesamte Album stellt eine Hommage an den Kunstraub von Rotterdam dar, bei dem sieben Gemälde gestohlen wurden, was In Extremo auf die 7 Bandmitglieder bezieht.
Der erste Titel des Albums „Der die Sonne schlafen schickt“ ist gleich ein fetziges Werk, das während der Strophe von einer Harfe und während des Refrains von E-Gitarren dominiert wird. Nach jedem Refrain folgt ein Zwischenspiel eines Dudelsacks. Im Text wird eine durchzechte Nacht sowie der Morgen danach abgehandelt.
Deutlich persönlicher wirds im zweiten Song „Wege ohne Namen“, in dem In Extremo ihren eigenen Werdegang wiedergeben. Der Song beginnt eher ruhig, doch beim Refrain wird er deutlich fetziger, gegen Ende wird der Refrain wiederholt, beim ersten mal sehr ruhig, wodurch der zweite noch einmal wilder klingt.
„Lebemann“ beginnt mit einem wiederholten Rufen Michas, worauf ein schnelles, gitarrenlastiges Spottlied über den gleichnnamigen Menschenschlag folgt, das sofort ins Ohr geht.
Eine Schelle leitet dann „Himmel und Hölle“ ein. Die Schelle zieht sich von einer Gitarre unterstützt durch das ganze Lied, in welchem der Spaß im Leben besungen wird. Das ganze Stück ist im Mid-Tempo gehalten und wird durch einen sehr eingängigen Refrain abgerundet, bevor es genauso endet wie es begonnen hat.
Der sehr melancholische und ruhige Song „Gaukler“ beginnt mit einer gesummten Melodie, die dann von Harfe und Gitarre abgelöst wird. Im traurigen Text geht es um die Schattenseiten des Spielmanndaseins. Im Refrain klingt der Gesang wie ein Klagerufen! Die Flöte, die den gesamten Song unterlegt ist, bekommt im Mittelteil ein schrilles Solo, und für echtes Gänsehautfeeling sorgt eine kurze, gut platzierte Pause vor dem letzten Refrain. Sehr ergreifend!
Deutlich rockiger gehts dann weiter mit „Kunstraub“, der Song, der dem Album seinen Namen gibt und den Kunstraub von Rotterdam thematisiert. Mit diesem Werk liefert In Extremo einen saftigen Hard Rock-Kracher ab, der mit eingängigem Text zum Mitsingen animiert. Auch hier bekommt der Dudelsack wieder ein fetziges Zwischenspiel.
„Feuertaufe“ war die erste Single-Auskopplung des Albums. Der Song wird von einem weichen Bass getragen und ist auf einer Dudelsackmelodie aufgebaut. Michas Gesang ist in der Strophe eher ruhig, wächst aber im Refrain imposant an. Der Text handelt von Freundschaft und Liebe.
Darauf folgt mit „Du und Ich“ wieder ein mit Dudelsack hinterlegtes Mid-Tempo Stück, das ein nettes Zwischenspiel von Tröten hat, die sich gegen Ende mit dem Dudelsack vereinigen und zu einer schnellen Melodie aufschwingen.
Darauf folgt wieder ein basslastiges Stück. Bei „Doof“ sagt bereits der Titel, worum es geht. Abgesehen vom Bass wird das Lied von harten Gitarrenriffs durchzogen, der Gesang ist etwas aggresiver als es für In Extremo üblich ist, der Refrain ist sogar fast geschrien! Gegen Ende kommt eine ruhige, gesungene Bridge, die das Werk etwas melodischer wirken lässt.
„Alles schon gesehen“ beginnt mit einer Klaviermelodie und wird zur eingängigen Rockballade. Auch dieses Lied ist sehr melancholisch und emotional, es behandelt die Nachwirkungen eines exzessiven Lebensstils in jungen Jahren.
Nun folgen zwei Lieder, in denen es um Das Liebesspiel geht. Zunächst „Belladonna“, das mit einem Trommel- und Trötenintro eingeleitet wird. In der Strophe wird die E-Gitarre wieder sehr dominant, und der Refrain geht sofort ins Ohr, hier besteht Ohrwurmgefahr. Der zweite Song ist „Die Beute“, in dem es um eine nicht erwiederte Liebe geht, die mit Gewalt genommen wird. Dieser Song ist eher ruhiger und die Gitarren treten erstmals in den Hintergrund. Nach jedem Refrain bohrt sich eine epische Melodie direkt ins Ohr.
Hier endet das reguläre Album, doch die Limited Edition enthält noch zwei weitere Songs.
Der Song mit der Pechzahl ist „Bunter Vogel“, der ebenfalls mit einem Klavierspiel beginnt. Hier werden allerdings akustische Gitarren verwendet. Allgemein werden in diesem Song sehr viele Instrumente verwendet, die ich nicht alle am Klang erkennen kann.
Der Text des letzten Songs „Meie Din“ ist von Neidhard von Reuental in Altdeutsch geschrieben und wird von Micha sehr melodisch gesungen. Der Song ist fast akustisch, nur an wenigen Stellen wird die E-Gitarre zur Betonung verwendet. Ansonsten ist eine Tröte das dominante Instrument in diesem Stück.
Zusätzlich liegt der Limited Edition noch eine DVD mit einem Making-Of zu Kunstraub bei.

Kunstraub ist eine wirklich gelungene Mittelalter-Rock/Metal Scheibe, die den Hörer schon mit den ersten Klängen in ihren Bann zieht und vor dem Ende nicht wieder los lässt. Mit den Songs wird eine sehr gute und dichte Stimmung erzeugt, die dem Hörer an mehreren Stellen eine Gänsehaut abringt und ist daher nicht nur für eingefleischte In Extremo-Fans ein echter Ohrenschmaus. Eher sogar im Gegenteil! So weit hätte dieses Album die Bestwertung verdient, allerdings gibt es doch noch einige Wermutströpfchen, die gerade den eingefleischten In Extremo-Fans wie mir ein wenig Kummer bereiten könnten. Die Scheibe ist komplett in Deutsch gehalten, was dem einen oder anderen möglicherweise gefällt, doch ich fand, dass gerade die vielen verschiedenen Sprachen, in denen gesungen wurde, In Extremo einen eigenen Charme verliehen haben. Außerdem würde ich mir wünschen, dass gerade die mittelalterlichen Elemente wieder etwas mehr hervorgehoben werden. Nichtsdestotrotz ist es ein Meisterwerk der Musik, und ich gebe allein aus dem Grund nicht die Bestwertung, da meine Maßstäbe bei Bands wie In Extremo höher gesetzt sind als bei anderen.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

In Extremo – Kunstraub
Universal Musik Group, Sept. 2013
13,98 € bei Amazon (18,99 € für Limited Edition)

Tracklist
1. Der die Sonne schlafen schickt
2. Wege ohne Namen
3. Lebemann
4. Himmel und Hölle
5. Gaukler
6. Kunstraub
7. Feuertaufe
8. Du und Ich
9. Doof
10. Alles schon gesehen
11. Belladonna
12. Die Beute
Bonustracks:
13. Bunter Vogel
14. Meie Din

(4554)