Konsequente Weiterentwicklung

Ich denke, zu den aus Stockholm (Schweden) stammenden Mitbegründern des Death/Doom Metals Katatonia bedarf es keiner größeren Einleitung. Während ihrer fast schon biblischen 29-jährigen Bandgeschichte haben sie insgesamt zwölf reguläre Alben veröffentlicht. Das 1993 veröffentlichte Dance of December Souls wird heute noch gern von mir gehört. Ihr anfänglich gespielter Death/Doom Metal wich im Laufe der späteren Alben einem Dark Progressive Metal, der die Hörer der Band spaltete. Die Konstante Melancholie jedoch ist geblieben, genauso wie die zwei Gründer Jonas Renkse (Drums, Vocals) und Anders Nyström (Bass, Keyboard). Nach ihrer letzten Veröffentlichung The Fall of Hearts aus dem Jahr 2016, das musikalisch wohl eines ihrer besten Werke war, folgt nun das neue Album City Burials über ihr Haus- und Hof-Label Peaceville Records. Genug der Worte, lassen wir die Musik sprechen!

Das Album beginnt zu rotieren, und noch bevor man sich versieht, nimmt einen die melancholisch hoffnungslose Stimme von Jonas gefangen. Man wartet förmlich, was einen nach der Einleitung erwartet. Katatonia durch und durch. „Heart set to divide“ ist ein dunkler Progressive-Metal-Track, wie man ihn sich wünscht, der gelegentlich durch ruhige Parts kurzzeitig unterbrochen wird. Ihr merkt, wie mich das Album nach dem ersten Stück in seinen Bann gezogen hat. Das im Vorfeld als Single veröffentlichte „Behind the Blood“ schlägt in dieselbe Kerbe. Katatonia machen es ihren Hörern nicht einfach, da die vertrackten Rhythmen nicht einfach ins Ohr gehen. Was auch noch auffällt, ist die Nähe zum Heavy Metal in diesem Song. „Lacquer“ steht sinnbildlich für den vollzogenen Wandel hin zum modernen, urbanen Sound der Neuzeit. Während des Hörens kamen mir des öfteren Massive Attack und Anathema in ihren elektronischeren, verträumten Tracks in den Sinn. So muss Melancholic Dark Pop klingen. „Rein“ hätte genauso gut auf das Album Night is the new Day gepasst. Nach den ersten Riffs habe ich an „Forsaker“ gedacht. „The Winter of our passing“, alleine schon der Titel klingt nach Trauer und Tod. Mein Herz schlägt schneller, und ich denke an ihr Debütalbum. Das wird doch wohl nicht ein zweites „Without God“ sein? Nein, aber nichtsdestotrotz haben mich Katatonia dazu genötigt, dieses Stück ganze vier Mal hintereinander anzuhören, weil es mir so gut gefallen hat. Mal ehrlich, welcher Metaller und Katatonia-Jüngling liebt nicht diese schwurbelnden, ständig einen Sog erzeugenden Gitarrenläufe? Herrlich, wie man förmlich in den Song gesaugt wird und sich beim Mitwippen ertappt. „Vanishers“ kann dann leider musikalisch nicht mit dem Rest des Albums mithalten. Mag vielleicht daran liegen, dass er mir zu sperrig ist. Ich finde nicht den richtigen Zugang. Meine absolute Empfehlung ist „City Glaciers“. Ich höre normalerweise wenig progressiven Rock/Metal, aber in diesem Track geht die Progressivität Hand in Hand mit Shoegaze und Post Rock. Lange verträumte Instumentalpassagen, die eine drückende Atmosphäre erzeugen. „Flicker“ kann ich mir sofort nach dem ersten Hören live vorstellen. Der Track hat Power, Energie und einen Wahnsinnsgroove. Ich dachte kurzzeitig an an eine Musikbezeichnung Post Apocalyptic Dark Grunge. Das ein und andere Mal sind meine Haare gen Boden gewandert! Damit der Hörer sich aber nicht in Positivität suhlt, wird mit dem dunklen „Lachesis“ wieder alles schön dunkel gefärbt. Wo kämen wir denn sonst hin, wenn es zu positiv wird? Ganz klassisch fängt Jonas seine Hörer wieder ein. Klingt ein wenig wie ein Soundtrack zu einem weiten Feld, bedeckt mit dunklen, grauen Wolken, diurch das ein Mensch läuft (so als Veranschaulichung). „Neon Epitaph“ und „Untrodden“ fügen sich nahtlos in das trist melancholisch progressive Gesamt(kunst)werk ein und runden ein Album ab, das ich so nicht unbedingt erwartet hätte.

Fazit: Eine Band, die es schafft, in 29 Jahren und mit zwölf regulären Studioalben immer noch sie selbst zu sein, und das, obwohl sich ihr Sound radikal verändert hat, hat auf jeden Fall schon einmal für diese Tatsache die volle Punktzahl verdient. Aber Veränderung ist immer positiv für eine Band. Siehe Anathema und Konsorten. Manche Ewiggestrigen hängen an den Veröffentlichungen der 90er Jahre, aber Katatonia sind auch heute noch der Inbegriff von Melancholie, nur moderner und eben open minded. Das Album ist wunderbar ausbalanciert und bietet ruhige Stücke genauso wie groovige Headbanger. Jonas Renkse könnte mit seiner Stimme sogar „Schnappi“ singen, und alle würden es mögen. Holt euch das Album!

Katatonia: City Burials
Peaceville Records, Vö. 24.04.2020
€ 14,99 z.B. bei Nuclear Blast

Tracklist
1 Heart set to divide
2 Behind the blood
3 Lacquer
4 Rein
5 The winter of our passing
6 Vanishers
7 City Glaciers
8 Flickers
9 Lachesis
10 Neon epitaph
11 Untrodden

Band: http://www.katatonia.com/
Facebook: https://www.facebook.com/katatonia

 

(2014)