Besser als Sex

King-DudeIch muss ja zugeben, dass mich King Dude bislang nicht so richtig begeistern konnte, trotz vieler positiver Reaktionen in meinem Umfeld. Seinen vom Country inspirierten Neofolk-Stil, auch gern als Dark Americana bezeichnet, fand ich zwar nicht schlecht, aber es war eben nicht meine persönliche Baustelle. Auch seinen Auftritt beim WGT 2015 empfand ich als zu Neofolk-lastig, einfach zu viel einschläfernde Lagerfeuerromantik. Doch dann wurde mir das neue Album Sex empfohlen, auf dem sich King Dude erstmalig einem externen Produzenten anvertraut und somit zwangsläufig neuen Einflüssen gegenüber geöffnet hat. Zusammen mit T. J. Cowgill sei nicht nur ein neuer Sound entstanden, auch eine Bassgitarre soll massiv in die Musik von King Dude eingeflossen sein. Dementsprechend bin ich gespannt, wie Sex nun musikalisch ausfällt. Davon kann man sich außerdem auf dem kommenden Konzert am 07.06.2017 im Backstage höchstpersönlich überzeugen.

Das düstere Bassspiel im Intro von „Holy Christos“ deutet es bereits an, irgendetwas ist anders, und als der Song richtig einsetzt, entwickelt er sich in Richtung Gothic Rock, als hätte King Dude nie etwas anderes gemacht. Düster geht es musikalisch weiter, denn bei „Who taught you how to love“ treffen Darkwave und Post-Punk gekonnt aufeinander. Lemmy und Bowie haben es vorgemacht, und so steht auch für King Dude fest: „I wanna die at 69“. Mit seinem Sprechgesang klingt der Song ganz nach Nick Cave, dem Meister der dunklen Poesie. Das treibt King Dude im folgenden mit dem noch ruhigeren „Our love will carry on“ sogar noch auf die Spitze. Lediglich der sanfte Drum-Rhythmus im Hintergrund erinnert noch latent an Neofolk. Im krassen Gegensatz dazu steht „Sex dungeon USA“, der mit Sicherheit überraschendste Song auf Sex. Es ist ein heftiger Gewaltausbruch, den man so eher von Ministry erwarten würde, bei dem ich aber vom Rhythmus her die Ramones herauszuhören meine, und so möchte ich die musikalische Ausrichtung als Industrial-Punk-Rock bezeichnen. Einfach geil.
Zu „Conflict & climax“ kann man sich vom eventuell erlittenen Schock erholen. Der Song beinhaltet zwar einzelne wohlplatzierte getragene Gitarrenklänge, aber das tolle Bassspiel ist hier das prägende Element, so dass zu dessen Gunsten sogar auf Gesang verzichtet wird, um ihm mehr Raum zu bieten. Der Bass ist hier der Gesang. Neue extreme Untiefen lotet „The leather one“ aus, denn der ruhige Grabesgesang könnte tiefer nicht sein. Textzeilen wie „I’m the leather one, I’m the Devil’s son“ und „I don’t care if I live or die“ lassen einen schaudern, wecken aber auch Erinnerungen an Johnny Cash. Auf „Swedish boys drum“ geht es wieder rockiger zu, die Gitarren treiben den Song voran, unterstützt vom Schlagzeug. Der Bass sorgt für Post-Punk-Flair, und ein Hintergrundchor ersetzt mit seinem Gesang atmosphärische Keyboard-Einsätze. „Prisoners“ dagegen wird von einem sehr stark rhythmusbetonten Sprechgesang geprägt, was ich aber noch nicht Rap oder Hip Hop nennen würde. Vielmehr wird die Sprache ähnlich wie in dem Song „Give it away now“ von den Red Hot Chili Peppers eingesetzt. Man spürt hier die Experimentierfreude von King Dude. Dazu passt auch das folgende „The girls“, das als unverfälschte Liveaufnahme mitsamt Applaus und Publikumsreaktionen seinen Weg auf Sex gefunden hat. So muss der Song noch einmal neu begonnen werden, und es ist Gelächter nach einem mutmaßlichen Verspieler zu hören. Die das Album abschließende Klavierballade „Shine your light“ ist einfach nur schön und erinnert mich von der Stimmung her irgendwie an „1959“ von The Sisters Of Mercy, aber auch das Solowerk des The Mission-Sängers Wayne Hussey kann man als Vergleich heranziehen.

Fazit: Bei „Sex“ denke ich als erstes an die gleichnamige Skandal-Boutique von Vivienne Westwood und Malcom McLaren oder an Madonnas Provokationen in den 80er Jahren, und beides ist vielleicht gar nicht so verkehrt. Schließlich zeigt das Albumcover einen kirchlichen Altarraum, und die neue musikalische Richtung provoziert sicherlich auch manchen beinharten Neofolk-Fan. Aber man muss einem Künstler eine Weiterentwicklung zugestehen, und King Dude präsentiert eine große musikalische Vielfalt, als ob er auf dem WGT jede Menge Einflüsse aufgesaugt hat. Man sollte also auf jeden Fall hier reinhören, denn was ist schon besser als Sex? King Dude gewinnt mit Sicherheit viele neue Fans hinzu. Mich auf jeden Fall.

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Anspieltips: Holy Christos, I wanna die at 69, Sex dungeon USA, Shine your light

King Dude: Sex
Ván Records, 28.10.2016
MP3 Download 10,00 $, erhältlich über kingdude.bandcamp.com/album/sex
CD 13,99 €, LP 19,99 € erhältlich über van-records.de/king-dude-sex-digipack-cd.html
Hompage: de-de.facebook.com/kingdudemusic/

Tracklist:
01 Holy Christos
02 Who taught you how to love
03 I wanna die at 69
04 Our love will carry on
05 Sex dungeon USA
06 Conflict & climax
07 The leather one
08 Swedish boys drum
09 Prisoners
10 The girls
11 Shine your light

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1 Kommentar

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  1. […] Der Tag nach der WGT-Rückreise ist ein denkbar ungünstiger Konzerttermin, denn eigentlich will man sich mal ausruhen, Wunden lecken und vielleicht noch Wäsche waschen. Andererseits kann man nun den Post-Festival-Blues abmildern und die beim WGT verpasste Gelegenheit nachholen, King Dude auf der Bühne zu erleben. Dieser spielte dort am Sonntag im NAUMANNs im Felsenkeller ein Set im Rahmen einer Neofolk-Veranstaltung. Leider sollen die Rahmenbedingungen chaotisch gewesen sein, da man auch unabhängig vom WGT dafür Tickets erwerben konnte. Die Ordner wussten wohl teils nicht Bescheid und waren überfordert, sodass das kleine NAUMANNs letzten Endes überfüllt gewesen sein muss. Auf dem WGT selbst wurde King Dude alias T.J. Cowgill überraschenderweise am Montag von der befreundeten Band Drab Majesty im Alten Landratsamt auf die Bühne geholt, um einem Song seine Stimme zu verleihen. Ein toller Moment, der vom Publikum auch gebührend honoriert wurde. Er wirkte zwar etwas zurückhaltend und schüchtern, aber es war ja eigentlich nicht seine Bühne. Das wird heute im Club sicher anders sein. Mit im Gepäck hat King Dude sein neues Album Sex, dessen Review man im Webzine nachlesen kann (Link). […]

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