Das heilige Feuer

Bereits 2005 wurde Mosaic von dem Multinstrumentalisten und Sänger Martin van Valkenstijn gegründet, um seine musikalischen Visionen zum Ausdruck zu bringen. Von Beginn an ließ er sich dabei, von einem Black-Metal-Background ausgehend, von alten Traditionen, Mythen und Legenden seiner Heimat Thüringen inspirieren. Nach diversen Eigenveröffentlichungen ist jedoch erst jetzt das offizielle Debütalbum Secret ambrosian fire erschienen. Unterstützung erhält er dabei von E. H. an Drums und Percussion, Sulphur an der Gitarre und Iskaremus am Bass. Im Pressetext wird zudem der Einfluss von großen deutschen Lyrikern wie Paul Celan, Else Lasker-Schüler und Georg Trakl erwähnt, was meine Neugier im Besonderen geweckt hat.

Gleich zu Beginn tritt Georg Trakl in „Am Teufelsacker“ deutlich zum Vorschein, wenn es etwa heißt: „Lichterloh die Felder schwingen, in der Höh‘ die Geister singen.“ Dies ist eine Referenz auf dessen Gedicht „In einem verlassenen Zimmer„, in dem „Lichterloh die Büsche wehen, und ein Schwarm von Mücken schwingt.“ Grundgerüst des Songs ist eine melancholische Melodiefolge, die mich an Sopor Aeternus erinnert und die von einem einfachen Trommelrhythmus begleitet wird. Der Gesang von van Valkenstijn ist zunächst flüsternd und steigert sich im Verlauf immer mehr ins Dramatische, was durch den Einsatz der Synthesizer noch verstärkt wird. „Brimstone blossoms“ im Anschluss ist ein sehr atmosphärischer Track, bei dem man schon sehr genau hinhören muss, um die Wurzeln im Black Metal ausmachen zu können. Der Gesang ordnet sich im Gesamtsound unter, eine intensive Kakophonie. Das folgende „Cloven fires“ liefert da schon eine deutlichere Raserei aller Instrumente, teilweise auch mit genretypischen Double-Bass-Drums. Trotzdem ist der Mix etwas zurückhaltend und nicht kompromisslos „in your face“, um den Gesamteindruck des Albums nicht zu sprengen. In „She-Water“ verarbeiten Mosaic nach einer ersten englischsprachigen Hälfte, die der frühzeitlichen Göttin Hulda gewidmet ist, im zweiten Teil des ruhigen und atmosphärischen Stücks das Gedicht „Verweile nicht“ von der jüdischen Dichterin Rose Ausländer. Dabei verschmilzt die rezitierende Stimme mit der Musik zu einer Einheit, und bisweilen wirkt es wie eine archaische Beschwörung.
Etwas klarer ist sie in „Ambrosia XIX“ zu verstehen, in dem Percussions und leise Marschtrommeln für Neofolk-Feeling sorgen, auch wenn der in Richtung Ambient neigende Synthie-Teppich dem gleichzeitig entgegenwirkt. „Wetterdistel“ ist im ersten Teil ein Gedicht von Hanns Cibulka, der vor allem im thüringischen Raum bekannt ist. Das Stück ist sehr dunkel angelegt, ein Horn erklingt zu Beginn, begleitet von Kehlkopfgesang und möglicherweise sogar einem Didgeridoo. Der weiterführende Text im zweiten Teil schließt sich nahtlos an. Im Anschluss folgt mein eindeutiger Favorit „Coal black salt“. In der ersten Sekunde habe ich fast die Akustikgitarre am Beginn von „Losing my religion“ von R.E.M. im Ohr, aber Mosaic entwickeln ihren ganz eigenen düsteren Neofolk-Song, in dem das repetitive „Coal black salt“ eine hypnotische Wirkung additiv zur Gitarre entwickelt. Von Paul Celan wird auszugsweise aus seinem Gedicht „Todesfuge“ rezitiert, wobei es gelingt, gerade auf die berühmte und plakative Textzeile „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ zu verzichten und dennoch eine Atmosphäre zu erzeugen, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen. Während man eben noch fast erstarrt ist, kann man die Starre bei „The Devil’s place“ wieder lösen, dem konstanten Schlagzeug-Blast sei Dank. Atmosphärisch dichter Post Black Metal wird hier auf über zehn Minuten Länge geboten, bei dem englischer Gesang mit deutschsprachiger expressionistischer Gedichtrezitation wechselt. Schwermütig klingt Secret ambrosian fire mit „Im Kohlensud“ aus. Eine traurige Synthiemelodie, die ähnlich wie eine Trompete klingt und das Thema aus dem ersten Song wieder aufgreift, bildet das Grundgerüst. Percussion und Drone-ähnliche Sounds begleiten die ruhige Stimme, „das heilige Feuer“ brennt, und so schließt sich der Kreis.

Fazit: Thüringens Folklore, Mythen und Sagen, Neofolk und Black Metal, all das verweben Mosaic auf ihre ureigene Art miteinander und erschaffen so ein faszinierendes Debütalbum. Post Neofolk Black Metal würde ich als Etikett für Secret ambrosian fire vergeben. Dass diese Kombination so gut funktioniert, wundert mich selbst, da ich weder im Neofolk noch im Black Metal musikalisch zuhause bin. Aber man spürt instinktiv, wie durchdacht die Musik insgesamt ist, gerade auch im Zusammenspiel mit den zum Teil sehr expressionistisch geprägten Lyrics, die in ihrer Art durchaus an die jüdische Dichterin Else Lasker-Schüler erinnern. Mosaic haben keine Angst vor den großen Namen der deutschen Gedichtkunst und lassen diese gekonnt in ihr Werk einfließen, und diese Momente empfinde ich insgesamt auch am stärksten, wenn die Lyrics klar verständlich hervortreten.

Anspieltipps: Am Teufelsacker, Coal black salt
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Mosaic: Secret ambrosian fire
Eisenwald, Vö. 13.12.2019
MP3 Download ab 7,00 € erhältlich über Bandcamp
MC 7,90 €, CD 14,90 €, LP 17,90 € erhältlich über Eisenwald

Homepage: https://www.facebook.com/mosaicofthefallenone/
https://mosaicofthefallenone.bandcamp.com/
https://www.eisenton.de/label/
https://www.facebook.com/Eisenwaldofficial/

Tracklist:
01 Am Teufelsacker
02 Brimstone blossoms
03 Cloven fires
04 She-water
05 Ambrosia XIX
06 Wetterdistel
07 Coal black salt
08 The Devil’s place
09 Im Kohlensud

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