Könige der Tristesse

Seit Jahren höre und liebe ich My Dying Bride über alles. Über die Britische Doom/Death Metal Institution, die auf das stolze Gründungsjahr 1990 zurück blickt, braucht man nicht allzu viele Worte zu verlieren. Viele Bands haben sie mit ihrem Sound beeinflusst, man denke an Saturnus, Insomnium und ähnlich der Melancholic Metal Sparte zugeordnete Formationen. Der Labelwechsel von Peaceville Records zu Nuclear Blast war ein konsequenter Schritt in die richtige Richtung. Nun also ist Album Nummer 14, The Ghost of Orion, erschienen und nicht nur ich habe mich gefragt, wie denn der Sound auf dem neuen Album ist.

Aaron Stainthorpe (Vocals) schrieb dieses Album während einer schwierigen Phase seines Lebens. Seine Tochter erkrankte an Krebs, und es stand im Raum, ob My Dying Bride sich auflösen würden. Zum Glück ist alles anders gekommen. Album eingelegt, und los geht es! Die Opener sind bei den Briten immer besonders gewählt, man denke an The cry of mankind zu Beginn des Albums The angel and the dark river von 1995. The Ghost of Orion wird mit einem ähnlich epochalen Stück „Your broken shore“ eröffnet. Es bedarf ca. sechs Sekunden um zu erkennen, mit wem man es hier zu tun hat. Ein Riff, das direkt vom Nacken unter die Haut geht. Als dann noch die Violine einsetzt, fühle ich mich wie in einer anderen Sphäre, eine Sphäre bestehend aus Melancholie, Resignation und Bedrücktheit. Aarons eher traurig klingender Gesang gepaart mit tiefen herrlichen Death Metal Growls. „To outlive the gods“ geht mir leider nicht so sehr ins Ohr. Das Stück ist handwerklich über jeden Zweifel erhaben, aber mir fehlt diese Tiefe und Trauer. Das bereits vorab veröffentlichte „Tired of tears“ gefällt da schon etwas besser. Zwar nicht ganz linear, wie ich das bevorzuge, aber auch hier vollbringen es My Dying Bride, jeden Funken Hoffnung im Keim zu ersticken (musikalisch versteht sich). Besonders habe ich mich über die Kollaboration mit Lindy Fay Hella (Frontfrau der Ritual Nordic Folk Formation Wardruna) gefreut. „The Solace“ klingt ungefähr so, als hätte man Myrkur, Wardruna und Hagalaz Runedance mit einem meditativen Gitarrenriff unterlegt. Seltsam im ersten Moment, aber wenn ihr dem eine Chance gebt, wird es auch euch in Trance versetzen. Mal eben wieder in die Jetztzeit zurückkehren! „The long black land“ ist das mit Abstand melodischste Stück des Albums. Gemächlich, wie es sein soll, rollt das unglaublich geniale Gitarrenriff und bereitet den Hörer auf fast zehn Minuten Nackenmuskulaturmassage vor. Unglaublich intensiv und in sich sehr abwechslungreich durch den Wechsel von akustischen Teilen und walzenartigen Ausbrüchen. My Dying Bride gefallen mir besonders gut, wenn sie growlen, und das wird hier en masse zelebriert. Dieser Track alleine rechtferigt den Kauf von The Ghost of Orion! Das titelgebende „The Ghost of Orion“ verbuche ich mal als Intermezzo, da es rein instrumental gehalten ist, und ehrlich gesagt auch ein wenig belanglos. Danach folgt jedoch mit „The old earth“ eine dunkle, böse, hässliche Abrissbirne. Ein wenig bedienen sich die Briten hier im Funeral Doom. Sakral anmutende Gesangslinien werden immer wieder von tiefen Growls quasi vernichtet. Der Mittelteil klingt herrlich industriell und erinnert mich ein wenig an Samael (falls die noch jemandem etwas sagen). „Your woven shore“ geleitet uns klassisch aus einem wundervollen Allbum, das fast 60 Minuten fesselt.

Fazit: Das 14. Album von My Dying Bride könnte richtiger nicht sein. Über all die Jahre haben sie sich eine große Fanbase erspielt, und den von ihnen gespielten Sound würde ich aus 1000 Bands sofort heraushören. Eine Band, die sich treu geblieben ist und seit Jahren ein Meisterwerk nach dem anderen veröffentlicht. Das aktuelle Album stellt für mich genau das dar, was ich erwartet habe. Dieses Album möchte ich besonders denjenigen empfehlen, die auch mal auf leisere, in sich gekehrte und melancholische Musik stehen. Ein Riesenkompliment!

Anspieltipp: The long black land, The old earth

My Dying Bride: The Ghost of Orion
Nuclear Blast, Vö. 06.03.2020
15,99€

Band: http://mydyingbride.net/
Facebook: https://www.facebook.com/MyDyingBrideOfficial/

Tracklist
1 Your broken shore
2 To outlive the gods
3 Tired of tears
4 The solace
5 The long black land
6 The Ghost of Orion
7 The old earth
8 Your woven shore

(1823)