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We take but one step back into the shadows

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Ein Titel wie ein Barockgedicht, ein Cover, das beinahe emblematisch den Titel illustriert – beim Anblick des neusten Netherbird-Albums The Ferocious Tides of Fate greifen bei mir sofort literaturwissenschaftliche Reflexe. Entsprechend dekadent geht es auch los: „Elegance and Sin“, der Opener, macht allerdings nur inhaltlich im Barock weiter, musikalisch bekommt man sehr modernen Black Metal geliefert, der nicht zu melodisch ausfällt und dem man eine gewisse Verwandtschaft zu melodischem Death Metal auch nicht absprechen kann.

Ganz weg vom Barock geht es dann flott: „Så Talte Ygg“, nicht mal anderthalb Minuten lang, zitiert die Lieder-Edda, genauer: die Hávamál, genauer: Die Szene, in der Odin berichtet, wie er neun Tage lang, von einem Speer verwundet, am Weltenbaum Yggdrasil hing. Um die Esche, Fraxinas Excelsior, geht es dann auch im übergangslos angeschlossenen Song „Ashen Roots“, die Bezüge zur nordischen Mythologie sind unübersehbar in den Lyrics. Das nun folgende „Shadow Walkers“ war es letztendlich, das mich aufhorchen ließ, denn bis hierhin klangen Netherbird recht gewöhnlich. „Shadow Walkers“ wird getragen von den sehr melodiösen Gitarren, hier stimmt für meine Ohren alles, Aufbau, Geschwindigkeit, Gesang; hier hat man ein sehr griffiges, depressives Stück, das auch textlich wirklich ausgewogen und irgendwie rund ist. Ähnlich geht es dann weiter mit dem extrem epischen „Along the Collonades“, mit über elf Minuten das mit Abstand längste Stück der Platte. Getragenes Tempo, melodischer Black’n’Death Metal, der das Rad nicht neu erfindet, aber durchaus Spaß beim Zuhören macht, wenn das Stück auch irgendwie knapp am Ziel vorbeischrammt. Nach dieser düsteren Ode und insgesamt einer guten halben Stunde Laufzeit nähert man sich mit „Of the setting Sun“ dem Ende der Ferocious Tides of Fate, und ich weiß nicht so genau, ob mich das nun glücklich oder traurig stimmen soll.

Insgesamt liefern die Schweden ihr drittes Full-Length-Album recht solide ab, einzig bei den Drums, die auf diesem Album noch von Fjellström (Dark Funeral) eingeknüppelt werden, hätte ich mir mehr Druck gewünscht. Obwohl alles soweit passt, will sich Euphorie nicht richtig einstellen: Irgendwas fehlt den Schweden. Mehr episch-symphonische Parts? Hatte man bei den letzten Alben und klangen zu sehr nach Cradle of Filth. Mehr Geknüppel? Weniger Althergebrachtes in den Lyrics? Weniger Death Metal? Mehr Death Metal? Ich kann den Finger auf das legen, was diesem Album fehlt. Die Herren um Sänger Nephente verstehen ihr Handwerk jedenfalls, und man hat durchaus den ein oder anderen guten Gedanken in die Kompositionen gesteckt und wenig dem Zufall überlassen. Alles in allem hauen mich Netherbird aber diesmal nicht vom Hocker. Vielleicht bei Album Nummer vier? In meinem Player jedenfalls treten Netherbird wieder den Rückzug in die Schatten an, nur „Shadow Walkers“ bleibt noch eine Weile in der Playlist als Highlight eines ansonsten eher durchschnittlichen Albums.

:mosch: :mosch: :mosch2: :mosch2: :mosch2:

Anspieltipp: „Shadow Walkers“

Netherbird: The Ferocious Tides of Fate (VÖ: 29.11.2013)
Gratis-Download auf der Netherbird-Homepage
Scarecrow Music Group

Tracklist:
1. Elegance and Sin
2. Så Talte Ygg
3. Ashen Roots
4. Shadow Walkers
5. Along the Collonades
6. Of the setting Sun

Laufzeit: 37 Minuten

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