Neue Deutsche Neue Deutsche Welle

Viel ist über die Band Panika nicht herauszufinden, die sich 2015 in Berlin gegründet hat. Susi und Chrissi teilen sich Bass, Gitarre, Keyboard und Gesang, Gabor spielt Gitarre und Benny Schlagzeug, soviel verrät die Facebook-Seite. Also einfach mal überraschen lassen.cover

Der Eröffnungssong „Monotonie“ empfängt den Hörer mit einem dumpfen Schlagzeug, das von einem tief brummenden Bass begleitet wird. Als auch die Gitarre und der mehrstimmige Gesang einsetzt, entwickelt sich ein treibender punkbeeinflusster Song, der mich an Warsaw erinnert, der rohen Vorgängerband der späteren Joy Division. Ob nun zufällig oder bewusst gewählt, „Ideal“ klingt einfach nach Ideal, was vor allem an der Art des Gesangs liegt. Aber auch musikalisch verschmilzt hier Punk und Wave zur Urform des späteren NDW. Die Intensitätssteigerung des Refrains „Das Wort ist eine Waffe!“ ist toll gemacht. Schräge Orgelklänge leiten „Berlin, du stinkst“ ein und begleiten den Song dann durchgehend. Der nach der frühen Nina Hagen klingende Gesang ist herrlich rotzig und passt somit perfekt zum Titel, ebenso wie die ganze punkige Umsetzung, die einen direkt nach 1980 zurückkatapultiert, ins Gründungsjahr von Ideal. Zumindest bis der Gesang einsetzt ist „Am unteren Rand ihrer Leistungen“ ein düsterer Wave-Song, doch der Gesang verleiht ihm eine andere Note, die mehr Richtung NDW geht, und die wabernde Gitarre sorgt für psychedelische Momente. Obwohl er anfangs wie halb akustisch klingt, ist „Danke für die Begegnung“ ist ein Punk-Song, bei dem die zweite Stimme den Hauptteil des Gesangs übernimmt, was für Abwechslung sorgt. Zum Kontrast wird das kurze „Wedding-Tourette“ dem Namen entsprechend herausgebrüllt und in nur 38 Sekunden runtergeschrammelt. Bevor man weiß, was da passiert, folgt auch schon das ruhige „Werwiewas“, wieder mit der zweiten Stimme am Gesang, der hier aber leicht verzerrt klingt, was dem Song zusammen mit dem vertrackten Schlagzeugspiel eine experimentelle Note gibt. „Okay“ beginnt mit einem zerbrechlichen Glockenspiel, bevor eine Anrufbeantworteransage beginnt. Der Erste Teil des Gesangs klingt dann auch tatsächlich so, als käme er vom Band. Es entwickelt sich eine schwermütige Ballade, wobei das Schlagzeug, das ich als militärisch empfinde, einen Gegenpol setzt. Mit dem Anrufbeantworter endet der Song auch wieder. Der „Bonus-Track“ am Ende ist wohl wirklich als solcher zu verstehen, denn er klingt wie ein roher Mitschnitt aus dem Proberaum, der dann elektronisch bearbeiteten Effekten ausgesetzt worden ist.

Fazit: Für einen kurzen Zeitraum in den späten 1970er bis frühen 1980er Jahren existierte eine Underground-Urform der Neuen Deutschen Welle, die sich aus der Kombination von Punk und New Wave entwickelte, bevor die NDW dann groß kommerziell ausgeschlachtet wurde (mit all ihren Höhen und abgründigen Tiefen), mit Bands wie beispielsweise Fehlfarben, Ideal und DAF. Panika besetzen dankenswerterweise genau diese Nische neu, ebenso wie FCKR aus Leipzig. Wenn man wie ich damals aufgewachsen ist, mag einem manches bekannt vorkommen, und trotzdem entdeckt man den Sound wieder neu. Mir ist klar, dass dieser Sound speziell und für manchen Hörer stellenweise gewöhnungsbedürftig ist, aber genau das macht den Reiz für mich aus. Enten Eller *, was auch immer das heißen mag, ich find’s geil!

Anspieltips: Ideal, Berlin, du stinkst

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

*(Anm. d. Red.: Enten-Eller ist der Titel des 1843 veröffentlichten Erstlingswerks des dänischen Philosophen Søren Kierkegaard. Das Werk heißt im Deutschen Entweder-Oder.)

Panika: Enten Eller
Label: self released, 26.08.2017
Für LP und CD die Band kontaktieren, MP3 Download ab 0,00 € – pay what you want – erhältlich über Bandcamp. Bitte die Band angemessen unterstützen.
Homepage: facebook.com/berlinpanika/
https://panikaberlin.bandcamp.com/

Tracklist:
01 Monotonie
02 Ideal
03 Berlin, du stinkst
04 Am unteren Rand ihrer Leistungen
05 Danke für die Begegnung
06 Wedding-Tourette
07 Werwiewas
08 Okay
09 Bonus-Track

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