pferddesgaertners-pokingdeadthings_cover

here be dragons!

pferddesgaertners-pokingdeadthings_coverWenn eine Band ein Album aufnimmt, dann natürlich weil ihr die Musik wichtig ist. Der Abwasch lässt sich zwar auch mit poking dead things erledigen, aber es wäre schade, pferd des gaertners auf die Musik zu reduzieren, legen sie doch Wert auf das komplette künstlerische Paket. Das spürt man sofort, wenn man die in Eigenregie produzierte CD in der Hand hält. Ein hochwertiges Digipack zum aufklappen offenbart ein tolles Artwork, dessen grafische Bearbeitung von Drummer Mike stammt. Die Texte werden von Bildern industriellen Zerfalls hinterlegt, die Mike ebenfalls selbst fotografiert hat. Wirklich gut gemacht.

Dasselbe gilt für die Texte. Mal in Deutsch, mal in Englisch vorgetragen, lohnt es sich auf jeden Fall, sich einmal näher mit ihnen zu befassen. Man kann sie oberflächlich betrachten, aber meist versteckt sich ein tieferer Sinn, den es zu entdecken lohnt, wenn man zwischen den Zeilen liest. Nur ein paar Beispiele:
„die wiederkehr“ könnte man einfach als Zombie-Geschichte interpretieren, aber es geht um Kritik an der Waffenindustrie, welche Bürgerkriege unterstützt, die der Bevölkerung nur Hunger und Leid zufügen. In eine ähnliche Kerbe schlägt „pandora“, das das Bild eines aus dem Krieg zurückgekehrten Soldaten nachzeichnet mit seinen Problemen, die Gräuel zu verarbeiten, die er erlebt hat. „and I will sleep here and I will die in the poppy field“ finde ich unheimlich ausdrucksstark.
„dragons“ ist keine Geschichte über Drachen, wie man vermuten könnte. Die Zeile „I will go where there be dragons“ spielt auf alte mittelalterliche Karten an, in denen unbekannte Regionen mit „here be dragons“ markiert wurden. Stillstand vermeiden, in unbekannte Regionen/Situationen vordringen und alte Probleme zurücklassen – am besten im Flug nach Neverland aus Peter Pan, ist doch „into morning to the second on the right“ die Wegbeschreibung dafür. Solche Wortspiele machen einfach Spaß. Ich könnte sogar, wenn ich mich weit aus dem Fenster lehne, das Thema Selbstmord in dem Song verarbeitet sehen.
Insgesamt sind die vorrangig eher düsteren Texte, die allesamt von Sänger Peter und Drummer Mike stammen, eine Mischung aus vermutlich persönlichen Erfahrungen und Gesellschaftskritik, die aber eben nicht plakativ mit erhobenem Finger daherkommt, sondern sich fein hinter verschiedenen Allegorien und Metaphern versteckt und entschlüsselt werden will. Die Zuhörer müssen also schon mitdenken.

[embedplusvideo height=“402″ width=“520″ editlink=“http://bit.ly/1vIssXt“ standard=“http://www.youtube.com/v/AKOPVNorLxI ?fs=1″ vars=“ytid=AKOPVNorLxI &width=520&height=402&start=&stop=&rs=w&hd=0&autoplay=0&react=1&chapters=&notes=“ id=“ep3731″ /]

Nun zur Musik: Musikalisch betrachtet fällt es mir irgendwie schwer pferd des gaertners einzuordnen oder gar mit anderen Bands zu vergleichen. Letztendlich machen sie wohl eine erweiterte Form von Post-Punk, manchmal mehr Post, manchmal mehr Punk, mit Einflüssen von Gothic Rock und Hardcore. Manche Gitarrenriffs sind schon ziemlich hart gespielt, allerdings drohen pferd des gaertners dabei nie in den Metal-Bereich oder die ausgelutschte Neue Deutsche Härte abzurutschen.
Aber ich sehe es durchaus positiv, dass sich das Pferd nicht so einfach in einer Schublade verwursten lässt, denn so hat es einen echten Wiedererkennungswert und klingt nicht austauschbar, sondern eben nach pferd des gaertners.

Ein kleiner Wermutstropfen: Natürlich ist das Geschmackssache, aber ich hätte mich irgendwie über eine Ballade gefreut

Anspieltipps: nightfall, mitteldeutsche große städte, pandora, dragons

01. poking dead things –
beginnt fast doom-ähnlich mit sich langsam dahinschleppenden Instrumenten. Dieser Grundstimmung wird im Refrain das herausgeschriene „dead things“ entgegengesetzt, welches einen guten Konterpunkt ausbildet.
02. der beißt nur –
jetzt geht es deutlich rockiger zu. Aufgelockert wird der Song zwischendurch durch Break-Elemente.
03. Nightfall –
zu dem es auch ein Youtube-Video gibt, überrascht mich immer wieder mit einem Gitarrenlauf, der so auch von New Model Army stammen könnte und gefällt mir daher ausgesprochen gut, ebenso wie die Unterbrechung der mittleren Strophe mit kurzen Stille- und Gitarrenwand-Passagen.
04. mittelgroße deutsche städte –
ist der vielleicht eingängigste Song des Albums. Das Intro steigert langsam die Erwartung, bis dann endlich der Gesang einsetzt. Der Bass ist für mich das tragende Element der Strophe, und der Refrain ist so eingängig, dass er sofort zum Mitsingen animiert.
05. Arsonist –
ist von der Rhythmusgitarre dominiert, die dem Song seine Struktur gibt. Dazu kommt besonders im Refrain eine breite Soundwand, die einer gewissen Dramatik nicht entbehrt.
06. die wiederkehr –
beginnt mit ein paar Schlagzeugtakten, zu denen erst der Bass und dann der Gesang dazu stoßen. Der ruhige Beginn weitet sich dann zu einem richtigen Rock-Song aus.
07. Pandora –
rockt gleich richtig los und leitet den härteren Teil des Albums ein. Er hat einen rastlosen und getriebenen Charakter, der sehr gut zum Text passt und dessen Wirkung daher noch steigert. Die hohe Gitarrensequenz, die zwischendrin gespielt wird, erinnert mich an Alarmsirenen, als ob der Protagonist sie immer noch in seinem Kopf hört.
08. sixty seconds –
ist eine echte Punkrock-Nummer und steigert das Tempo noch einmal im Vergleich zu „pandora“. Spätestens jetzt ist es vorbei mit dem Stillsitzen.
09. Strom –
In der Regel mag ich keine Instrumentalsongs, weil mir der Gesang einfach fehlt und ich das auf Dauer als eintönig empfinde. Aber ich muss gestehen, dass mir in diesem Fall erst beim dritten oder vierten Hören aufgefallen ist, dass der Text fehlt, weil der Song wirklich abwechslungsreich ist.
10. Gnosis –
überrascht mit einem gelungenem Intro aus Bass und Schlagzeug, die zusammen quasi ein kleines Solo spielen, danach wird der zuvor eingeschlagene rockige Weg fortgesetzt.
11. die pest –
wird nun wieder etwas ruhiger. Zu diesem Song habe ich bislang nicht so Recht Zugang gefunden, er wirkt etwas sperrig auf mich. Aber das kann natürlich noch kommen.
12. Dragons –
beginnt zunächst mit einem längeren und Dank der Gitarren irgendwie dissonant klingenden Intro, bevor mit der Strophe der Gesang einsetzt. Der Refrain ist eingängig und die anschließende Bridge weist für mich Einflüsse aus dem Gothic Rock aus und verbreitet eine Stimmung, die gut zum düsteren Text passt.

Da das Album auf 243 Stück limitiert ist, sollte man sich beeilen, wenn man noch ein Exemplar ergattern möchte. Doch wer zu spät kommt, dem bleibt die Download-Möglichkeit auf bandcamp.

Wer die Band nun auch endlich mal (wieder) live sehen möchte, hat dazu am Donnerstag, 06.11.2014 im Feierwerk (Sunny Red) die Möglichkeit. Dann spielen pferd des gaertners zusammen mit Grub, Peter Coretto und The Crowds quasi ein kleines Festival. Und der Eintritt ist frei, lediglich um eine Spende wird gebeten für das AIDA-Archiv.

Auf der pferd-des-gaertners-Homepage könnt ihr poking dead things direkt bestellen: http://www.pferddesgaertners.de/
Wer’s lieber digital mag, darf gern bei Bandamp zuschlagen: http://pferddesgaertners.bandcamp.com/releases
Und auf Facebook sind sie auch: https://www.facebook.com/pages/Pferd-des…146110788750308

pferd des gaertnerspoking dead things
01. poking dead things
02. der beisst nur
03. nightfall
04. mittelgroße deutsche städte
05. arsonist
06. die wiederkehr
07. pandora
08. sixty seconds
09. strom
10. gnosis
11. die pest
12. dragons

Mrs. Hyde

(2272)