Blutrote Atombomben-Spermien greifen die Erde an

IProcession_Doom_Decimationn Chile erfolgt der Einschlag, und die Atompilz-Wolke, die nach dieser „Befruchtung“ emporsteigt, gebiert ein kosmisches Ungeheuer mit einem satanischen Grinsen. Was wie der schlechte Plot eines vergessenen B-Movies klingt, ist die schlichte Beschreibung des Cover-Artworks des dritten Albums Doom Decimation der Band Procession. In aller Regel lasse ich die Cover in der Rezension für sich alleine stehen, doch dieses Mal komme ich um einen Kommentar einfach nicht umhin.
Völlig sinnentlehrt ist das Cover allerdings nicht, denn Sänger und Gitarrist Felipe Plaza weist so alle Welt deutlich darauf hin, dass er die Band 2006 in Chile gegründet hat und Procession nach wie vor als chilenische Band betrachtet, auch wenn er mittlerweile in Schweden lebt. Außerdem haben sie mit ihren ersten beiden Full-Length-Alben The cult of disease und To reap heavens apart die Epic-Doom-Metal-Welt im Sturm erobert und auch alteingesessene Bands wie Candlemass oder Solitude Aeternus blass um die Nase werden lassen. Können Procession mit dem nun dritten Album Doom Decimation endgültig den Thron erobern?

Mit „The warning“ als Intro wird das Album zunächst von nur einer Gitarre sanft eröffnet, etwa wie bei Metallicas „One“, und erst in der zweiten Hälfte rocken alle Instrumente zusammen. Nach einem abrupten Break geht es nahtlos in den zweiten Song „When doomsday has come“ über, und nun setzt auch der Gesang von Felipe Plaza ein, klar und wohlakzentuiert. Der Rhythmus schleppt sich im Midtempo dahin und bringt den Kopf zum rhythmischen Mitwippen. Mit „Lonely are the ways of stranger“ wird es langsamer, tiefer, epischer und doomiger. Der Song besticht gleichermaßen durch seine Instrumentalpassagen wie auch durch den wehklagenden Gesang. Dieser erinnert mich stellenweise an Pearl Jams Eddie Vedder bei deren Titel „Garden“ (und das ist durchaus als Kompliment gemeint, bevor hier Tomaten fliegen). „Amidst the bowels of earth“ schaltet beim Songintro noch einen Gang zurück, und der schwere Bass bringt die Boxen zum Vibrieren. Es ist fast ein bisschen schade, dass sich das nicht mehr in die Länge zieht, aber auch im Hauptteil des Songs bleibt schwerer, schleppender Doom die Hauptzutat, auch wenn es etwas weniger langsam vorangeht. Unheimlich, fast schon bedrohlich wirkt das ruhige Instrumentalintro von „Democide“ mit seiner wiederholend ansteigenden Tonfolge. Auch im weiteren Verlauf wird der repetitive Charakter beibehalten. Ebenso bleibt der Song instrumental, denn den „Gesangspart“ übernimmt dabei die Leadgitarre. Das folgende „All descending suns“ ist dank einiger eingestreuter Thrash-Metal-Passagen der härteste Song des Albums, aber bevor Puristen die Nase rümpfen: Diese sind stets zugunsten des Gesangs in den Hintergrund gemischt, sodass sie weit weniger hart wirken und der Doom-Charakter die Oberhand behält. Dies sorgt außerdem für Abwechslung, bevor es mit „As they reached the womb“ wieder gemächlicher und nicht zuletzt dank des Gesangs auch epischer wird. Aber auch hier wird man überrascht, wenn sich die längere Instrumentalpassage von düster zu fast schon beschwingt entwickelt. „One by one they died“ ist der letzte und mit fast neun Minuten zugleich auch längste Song auf Doom Decimation. Dennoch ist er keine Sekunde langweilig. Die Atmosphäre steigert sich zunächst bis zum Höhepunkt, und das letzte Drittel lässt sowohl den Song als auch das Album gefühlvoll instrumental ausklingen.

Fazit: Doom. Nicht mit musikalischen Gewaltausbrüchen und Growlgesang vermischt wie bei manch anderen neueren Bands, sondern reiner, klassischer Doom. Episch, erhaben und tiefgründig. Dennoch kopieren Procession nicht einfach Doomicus Epicus Metallicus, denn das ist Epic Doom im Jahre 2017. Da die Altmeister Candlemass oder Solitude Aeternus seit fünf bzw. sieben Jahren keine neuen Studioalben veröffentlicht haben, kommt an Procession heute kein Epic-Doom-Fan vorbei, sie sind tatsächlich ganz oben angekommen. Oder sollte ich vielleicht besser ganz unten sagen, wir reden schließlich vom Doom-Genre.

Anspieltips: Amidst the bowels of earth, One by one they died

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Procession: Doom Decimation
High Roller Records, VÖ: 27.10.2017
CD 12,99€, LP 16,99€, erhältlich über High Roller Records
Homepage: facebook.com/doomprocession
hrrecords.de

Tracklist:
01 The warning
02 When doomsday has come
03 Lonely are the ways of stranger
04 Amidst the bowels of earth
05 Democide
06 All descending suns
07 As they reached the womb
08 One by one they died

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