Verführerische Stimme in der Dunkelheit

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Für diejenigen, die des Englischen nicht mächtig sind, ist der Name der Band, Saints of Ruin, auf dem Cover in Latein hinzugefügt (Santorum Ruinae). Mit dem Titel des Albums, Elevatis Velum, verhält es sich umgekehrt (Lifting of the Veil).
Die Mitglieder der Band wurden, für Heilige passend, auf einem Chagall-Fenster verewigt. Dabei stellen sie die vier apokalyptischen Reiter dar.
In weißem Kleid statt auf weißem Pferd steht Sängerin Ruby Ruin an erster Stelle, mit Krone und erhobenem Bogen. Leicht nach vorne gebeugt wird sie wahrscheinlich gleich den Befehl zum Angriff geben. Wer nun verwundert ist, dem sollte gesagt sein, dass erst nach Luther, inspiriert durch Dürers Holzschnitt, alle vier Reiter negativ gedeutet wurden; der erste würde früher oft mit Jesus Christus gleichgesetzt.

Der zweite Reiter hält in diesem Fall ein modernes Schwert, ein Sturmgewehr. Falls das nicht reicht trägt Gitarrist Tommy Dark noch eine Pistole an der Hüfte. Der leicht verwirrte oder irritierte Gesichtsausdruck passt nicht ganz so gut wie die Springerstiefel.
Schlagzeuger Michael Broadus, mit schwarzer Hose statt eines Rappens, blickt den Betrachter mit gesenktem Kopf an, wirkt fragend bis bedrohlich. Die Geste mit der freien linken Hand unterstützt den Eindruck, auch wenn er vielleicht lediglich gerade den Weinpokal fallen gelassen hat, der nun neben ihm liegt. In der Rechten hält er eine Waage, die hier nicht als Symbol für Gerechtigkeit zu verstehen ist, sondern für steigende Preise und damit eine drohende Hungersnot steht.
Die zartgrüne Kat Downs tritt, statt auf einem blassen Pferd zu sitzen, auf einen Totenschädel und nicht ans Keyboard. Sie hält locker eine Sense in der Linken. Der neutrale Blick gleitet in die Ferne.

Im Zusammenhang mit Saints of Ruin hört man immer wieder den Begriff „Batcave“, und es stimmt, punkige und fröhlichere Parts finden sich auch auf dieser CD. Für viele gehören sie deshalb zu den direkteren Erben des Gothic-Rock, der sich bekanntlich aus dem Punk entwickelte, wobei der nach Batmans Höhle benannte Londoner Klub in den achtziger Jahren eine bedeutende Rolle gespielt hatte.
Des Weiteren ist diese Gothic-Rock- und Black-Pop-Gruppe für ihre ausdrucksstarke Sängerin und die zum Denken anregenden Texte bekannt. Elektronische und Metal-Elemente ergänzen hier und da.

Der Durst nacheinander. Sehnsuchtsvoll, fast gequält singt Ruby Ruin in „The Thirst“ von der begehrten Liebe der anderen Person und es lässt sich heraushören, dass es nicht unbedingt gut ausgeht. Eine interessante Wahl für den Auftakt dieses Albums. Glockenschläge und wenige andere elektronische Klänge runden ab, was die Gitarre nicht für sich vereinnahmt. Ein moderates Tempo erlaubt es dem Song angenehm leicht in das Bewusstsein des Hörers zu sickern.
Verzerrtere Töne und ein eingängiger Rhythmus begleiten in „Blood Moon“ den Ruf der Nacht nach dem Jäger. Die angesprochene Person bekommt die Gabe des Mondes. Wer will kann auch etwas für jeden heraus hören, das eigene Schicksal annehmen, der Natur näher sein, Technik zurückweisen, um sich selbst zu finden. Die Musik läuft mit dem Text und es fällt schwer, sich dem zu entziehen.
Knistern wie bei einer Schallplatte, klare Töne, die an eine Spieldose erinnern begleiten den nächsten, langsamen Song. Ein Herz wird in einer „Tin Box“ im Keller vergraben und im Laufe der Jahre geht die Erinnerung an den genauen Ort verloren. Als es gebraucht wird lässt es sich nicht finden. Ein gutes Beispiel für die Kategorisierung als Black Pop.
Ein sich wiederholendes, hartes Gitarrenriff, das Schlagzeug spielt mit, helle Keyboardtöne ersetzen die Riffs, der Song wird ruhiger. Die fast durchgehend präsente Gitarre bleibt im Hintergrund, gibt aber eine harte, vorwärtstreibende Note. „Stand Alone“ beschäftigt sich damit, das wir am Ende immer alleine sind, alles zurückgelassen haben und es darum so wichtig ist dann nicht zu fallen.
Das Zirpen einer Grille, ein Akkord und eine, leider zu deutliche, beständige Note aus dem Keyboard dominieren ein weiteres, ruhiges Stück. Nur selten wird es lauter, wenn Ruby Ruin erzählt, wie sich zwei Wesen aneinander binden und dadurch ungebunden der restlichen Welt gegenüber stehen. Leider hält dieses Band nur ein Jahr und einen Tag.
Rockiger wird es bei „Don’t Love Me“. Unruhige elektronische Töne passen wunderbar zu dem Hinweis, der gleichzeitig Drohung und Versprechen zu sein scheint. Körper und Seele sind offenbar in Gefahr. Ruby Ruin lässt bei diesem Titel ihre Stimme mehr Raum ohne dabei zu übertreiben.
„Never“, schneller und punkig, könnte eine Fortführung des letzten Stücks sein. Es wird angeboten, dafür zu sorgen, dass für den Angesprochenen die Zeit stoppt. Nachteile werden keine erwähnt.
Kraftvoll aber bedächtig ist der erste Teil von „Riding On The Sun“. Tickende Uhren geben schon einen kleinen Hinweis darauf, dass der Weg in den Wahnsinn beschritten wird. Spätestens wenn Ruby Ruins irres Lachen ertönt gibt es kein Zurück mehr. Der Verfall der geistigen Gesundheit wird musikalisch begleitet, wobei es vielleicht noch ein bisschen zu melodiös bleibt.
„Your Ruin“ rockt. Ansonsten würde es sich auch nicht lohnen. Jemand hat sich auf die falsche Person eingelassen, diese verlassen und nun schwört sie Rache. Verletzte Gefühle werden beschrieben. Was folgt wird in diesem rasanten Song nicht beschrieben.
Nach einem Atomschlag gilt wohl: „Every Day is like Sunday“. Eine Ballade, die einen Eindruck vermittelt, den keiner erleben möchte. Musikalisch gelungen, denn gedrückte Stimmung ist möglich, endet das Lied mit der Einspielung einiger Sätze über die Natur des Menschen.

Das Album wartet mit der von den Saints of Ruin bekannten Mischung aus hart und weniger hart in musikalischer und textlicher Hinsicht auf. Sängerin Ruby Ruin hat sich wieder einen Sonderapplaus verdient. Etwas weniger verspielt, sowohl, was die Musik als auch die kleinen Extras angeht, kann positiv festgehalten werden, sie haben ihren Stil gefestigt. Anders gesehen scheint weniger überraschendes Eingang gefunden zu haben. Wem Elevatis Velum gefallen hat, der sollte sich unbedingt überlegen, die Vorgänger CDs Nightmare und Glampyre an sein Ohr zu lassen.

Anspieltipp: Blood Moon


Saints of the Ruin – Elevatis Velum
Echozone, 2013
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Tracklist:
01. The Thirst (In Siti)
02. Blood Moon (Sanguinem Luna)
03. Tin Box (Stagnum Buxum)
04. Stand Alone (Stare Solus)
05. Boundless (Imnesa)
06. Don’t Love Me (Non Amare Me)
07. Never (Numquam)
08. Riding On The Sun (Ascendens In Sol)
09. Your Ruin (Tua Ruina)
10. Every Day Is Like Sunday (Quotidiana Est Sicut Dominica)

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