Hail to the Tsar

cover_1502888843921935Vor zwei Jahren beim Free and Easy Festival 2015 im Backstage habe ich die Russen Siberian Meat Grinder zum ersten und leider bisher einzigen Mal gesehen. Es war nicht viel los, weil sie den Abend eröffneten, und obwohl ich die Band überhaupt nicht kannte, haben sie mich direkt umgehauen. Ihre wilde Crossover-Mischung aus Thrash Metal, Hardcore und Hip Hop fegte wie eine Naturgewalt über die Anwesenden hinweg. Klar, dass das erste selbstbenannte Album, das sich aus den bereits vorher veröffentlichten EPs Hail To The Tsar und Vs The World zusammensetzt, bei mir in der Folge rauf und runter lief. Umso mehr freue ich mich nun auf das neue Album Metal Bear Stomp, auf dessen Cover es gleich ein Wiedersehen mit dem Bandmaskottchen Tsar gibt, einem russischen Bären und Herrscher der sibirischen Hölle.

Das titelgebende „Metal Bear Stomp“ zeigt dann auch gleich, wo es musikalisch langgeht, und startet direkt mit dem catchy Refrain, der sich von New York Hardcore Marke Agnostic Front beeinflusst zeigt, danach legen die Thrash-Metal-Gitarren los, angefeuert vom Schlagzeug. Die Strophen werden im Hip-Hop-lastigen Sprechgesang vorgetragen, und immer wieder bringen wuchtige Riffs die Nackenmuskeln schon einmal in Schwung. „Hunt the steel“ schlägt in die gleiche Kerbe, bis es in der Mitte des Songs plötzlich einen ruhigen instrumentalen Break gibt, bevor nach einer weiteren Strophe ein klassisches Gitarrensolo einsetzt. Der Song endet schließlich, wie er begonnen hat, und leitet damit „Ruder than you“ ein, das in Sachen Tempo zunächst noch eine Schippe drauflegt. Im Mittelteil des Songs wird zugunsten des Sprechgesangs ein Gang zurückgeschaltet, bevor am Ende noch einmal kurz losgeknüppelt wird. Im Kontrast dazu steht „Can’t stop won’t stop“, das mit leichten Doom-Elementen eröffnet wird und so für Abwechslung sorgt. Aber natürlich bekommt man auch hier noch die volle Breitseite, vertracktes Drumming, fette Riffs und im Chor gebrüllte Akzente. Gitarrengewitter dominiert „Style“ quasi den ganzen Song lang, und der wie Maschinengewehrsalven vorgetragene Sprechgesang passt hervorragend dazu, besonders bei den im Chor gebrüllten Passagen. Im Ausgleich dazu kommt „Enter Bearface“ im Verhältnis ungewöhnlich ruhig daher, aber ausgeruht wird nicht, schließlich heißt es jetzt „No sleep til hell“. Und das empfängt einen direkt mit knüppelnden Drums und Horrorpunk-„Ohoho“-Gesängen à la Misfits, die sich mit den Thrash-Metal-Passagen abwechseln. Lediglich im Mittelteil gibt es einen ruhigeren Part, bei dem der Gesang mehr Richtung Hip Hop tendiert.
Dafür ist „No way back“ zu Beginn und Ende des Songs gesanglich wieder am New York Hardcore orientiert, im Mittelteil wird wieder ein gnadenloses Tempo vorgelegt. Die Textzeile „Check it out now“ im Song „Get busy“ ist eine kleine und humorige Hommage an „Funk Soul Brother“ von Fatboy Slim, aber sonst gibt es hier nicht viele Gemeinsamkeiten, denn auch hier ändert sich der vorherrschende brachiale Sound nicht. Zumindest in den gesanglosen Passagen ist „Face the clan“ Thrash Metal pur und lässt die Haare fliegen, auch Solopassagen dürfen hier nicht fehlen. Lediglich in der zweiten Hälfte bietet eine etwas getragenere Passage eine geringfügige Erholungspause. Die gibt es beim folgenden „Eternal crusade“ auch nur beim Refrain. Besonders hervorzuheben ist hier das schöne Gitarrenspiel, das aus dem Thrash-Thema ausbricht und sich etwas ausufernd einen Ausflug in klassische Heavy Metal Gefilde erlaubt. Ähnlich beginnt zum Abschluss das Albums auch „Walking tall“, bevor es wieder in die Vollen steigt, es gibt aber immer wieder kleine klassische Einspieler. Ansonsten gibt es auch hier den typischen rhythmischen Sprechgesang, unterstützt durch den Akzente setzenden Chor.

Fazit: An einem beschissenen Tag, an dem der Frust tief sitzt, sind Siberian Meat Grinder das ideale Mittel, eben diesen im wahrsten Sinne des Wortes wegzublasen. Nur den Abwasch sollte man zu Metal Bear Stomp besser nicht erledigen, denn der durch das Höllentempo ausgelöste extreme Energieausstoß führt unweigerlich zu kaputtem Geschirr. Siberian Meat Grinder sprechen vermutlich vor allem Hardcore-Fans an, aber wer mit Rap-Metal-Crossover der Neunziger oder den Beastie Boys etwas anfangen konnte (auch wenn die wesentlich harmloser klangen), sollte hier unbedingt einmal reinhören, ebenso der geneigte Metalfan, der bereit ist, etwas über die Killernietenspitze hinaus zu schauen. Wem Siberian Meat Grinder gefällt, könnte es auch mal mit den befreundeten ebenfalls russischen Bands What We Feel und Moscow Death Brigade versuchen.
Man sollte sich übrigens nicht über die Maske wundern, denn die ist zum einen eine Hommage an die maskierten Superhelden der Kindheit, zum anderen hat sie einen rein praktischen Zweck: Anonymität und somit Schutz vor russischen Neonazis, von denen die Band immer wieder bedroht wird.

Anspieltips: wahlfrei, denn jeder Track ist ein Knaller, besonders aber „No way back“

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Siberian Meat Grinder: Metal Bear Stomp
Destiny Records (Broken Silence), VÖ: 13.10.2017
CD 12,99€, LP 17,99€, erhältlich über originalproduct.de
Homepage: facebook.com/SIBERIANMEATGRINDER/
brokensilence.de/labels/label/?label=destiny-records&l=121

Tracklist:
01 Metal bear stomp
02 Hunt the steel
03 Ruder than you
04 Can’t stop won’t stop
05 Style
06 Enter Bearface
07 No sleep til hell
08 No way back
09 Get busy
10 Face the clan
11 Eternal crusade
12 Walking tall

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