Ride the Mustang, not the lightning

page1 album cover 3000x3000Wenn eine Band sich Skull Fist nennt, ist sie entweder komplett bescheuert oder sie meint es ernst und schreckt dabei nicht vor Klischees zurück. Für die aus Toronto stammenden Kanadier gilt zum Glück letzteres. Seit 2006 haben sie sich dem klassischen Speed und Heavy Metal der achtziger Jahre verschrieben und verfolgen kontinuierlich ihren Weg. Nicht umsonst heißt ihr zweites Album von 2014 Chasing the dream. Aber dann hat sich Mastermind Zach Slaughter nicht nur das Genick gebrochen, er musste sich auch noch einer komplizierten Stimmbandoperation unterziehen. Nach dem langen Genesungsprozeß paßt der Titel des neuen Albums Way of the road bestens ins Bild. Der Ausfall sorgte zwangsweise für die lange Verzögerung, aber hat sie sich nicht nur zeitlich, sondern auch musikalisch ausgewirkt? Nicht umsonst gilt das dritte Album oft als entscheidend für die Zukunft.

Way of the road? Setzen wir uns also (leider nur) gedanklich stilecht hinter das Steuer eines alten Mustangs. Der Motor röhrt, passend dazu startet der Opener „You belong to me“ mit einer tollen Drumsequenz von Drummer JJ Tartaglia, und dann machen auch die weiteren Mitglieder zweiter Gitarrist Johnny Nesta und Bassist Casey Guest direkt weiter, wo Chasing the dream aufgehört hat. Zachs Stimme hat zum Glück wieder diese prägnante klare Stimmfarbe, mit Vollgas rocken die Gitarren den Song auf den Punkt. Das folgende „No more running“ schaltet dagegen einen Gang zurück in die eher klassische Heavy-Metal-Region, und im Mittelteil ist Platz für progressive Höhenflüge der Gitarren. Aber auf „I am a slave“ galoppieren die wilden Pferde wieder voran. Hell yeah! Alles könnte perfekt sein, aber nun wird mir die Produktion bewußt, denn die ist klinisch perfekt. Mir fehlt hier irgendwie die Staubwolke, die ein Mustang hinter sich lassen sollte, und ich vermisse das leicht Dreckige der Vorgängeralben. Dafür zeigt Zach auf „Witch hunt“, was seine Stimme mittlerweile wieder zu leisten vermag. Diese treibt er in ungeahnte Höhen, als ob er King Diamond mit seiner legendären Falsett-Stimme Konkurrenz machen möchte. Ein fettes Heavy-Metal-Riffing bildet die Basis für diesen Track. Überraschend bluesig startet der Titeltrack „Way of the road“, ebenso überraschen mich die tiefen und düsteren Passagen, die schon fast nach Post Punk à la The Exploding Boy klingen. Aber das typische SkullFist-Gespür für Melodien kommt auch hier unverkennbar zu tragen.
Auch das folgende „Heart of Rio“ wäre vielleicht ein typischer SkullFist-Song mit einem schönen Mitsing-Refrain, allerdings wird er nur halb so schnell gespielt, wie man es bislang gewohnt ist. So kommt ein deutlicher Sleaze-Einfluss zum Tragen, der mich fast schon zwangsweise an Guns ’n‘ Roses erinnert, deren Reunion hat scheinbar Spuren hinterlassen. „Better late than never“ ist ein schöner Songtitel, um doch noch einmal die Speed-Keule auszupacken. Zu einem schönen Bassspiel zeigen sich die Gitarren vor allem in der langen Instrumentalpassage in ihrer ganzen virtuosen Pracht, und JJ Tartaglia hält am Schlagzeug alles zusammen. Auch bei „Don’t cross me“ bleibt der Mustang auf Kurs und in Fahrt, also bitte schön Platz machen und nicht stören. Zum Abschluss bekommt der Hörer noch einen Rat mit auf den Weg: „Stay true“. Dabei könnte der Gesang vor allem zu Beginn ganz untrve aus einer Rockabilly-Schnulze stammen. Zum Glück kriegen Skull Fist aber knapp vorm Abgrund noch die Kurve, und so entwickelt sich der Song zu einer Rockballade mit leicht metallischem Einschlag. Bestens geeignet also, um sich bei der Zugabe in den Armen zu liegen.

Fazit: Es scheint als hätten die Schicksalsschläge Zach nachdenklicher und ruhiger gemacht. Das ist nachvollziehbar und zeigt sich im Songwriting. Das ist immer noch ausgefeilt und nun variantenreicher, aber es geht nicht mehr die ganze Zeit über voll auf die Zwölf, die bedingungslose Ungestümtheit der Jugend ist dahin. Um beim Bild des Mustangs zu bleiben, wir treten das Gaspedal nicht mehr bis zum Anschlag durch, sondern cruisen eher durch die Landschaft. Aber auch das kann schön sein.

Anspieltips: You belong to me, Way of the road, Witch hunt
:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Skull Fist: Way of the road
NoiseArt Records, VÖ: 26.10.2018
CD 16,99 €, LP 19,99 € erhältlich über EMP
Homepage: https://www.facebook.com/skullfisted
http://www.noiseart.eu/

Tracklist:
01 You belong to me
02 No more running
03 I am a slave
04 Witch hunt
05 Way of the road
06 Heart of Rio
07 Better late than never
08 Don’t cross me
09 Stay true

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