You win. We care!

Solar Fake you win who caresSolar Fake – das sind Sven Friedrich und André Feller (neuerdings verstärkt durch Drummer Jeans, wie man auf dem Amphi schon eindrucksvoll miterleben konnte), das sind fiese Ohrwurmmelodien, tanzbarste Synthiesounds, Glücksgefühle, abschalten vom Alltag und unvergessliche Konzerte. Drei Jahre sind mittlerweile seit dem letzten regulären Album Another Manic Episode vergangen, dazwischen hat man 2017 noch das Live-Album Sedated – Live & Acoustic veröffentlicht, das einen Querschnitt durch die wirklich wunderschöne Live-Akustik-Tour des Frühjahrs 2017 bietet (wir waren natürlich dabei). Und jetzt gibt es wieder reguläres Futter für die süchtigen Solar-Fake-Fans: Seit Ende August steht You win. Who cares? in den Regalen/Online-Shops/Streamingplattformen. Die erste Single „Sick of you“ ließ vermuten, dass Solar Fake ein wenig zu den raueren Wurzeln des ersten Albums von 2008 zurückgehen (Broken grid), was mir persönlich sehr gut gefallen würde. So gut Solar Fake mit catchy Melodien, viel Tanzbarkeit und natürlich Svens Stimme heutzutage funktionieren, so gern hätte ich manchmal die relative Schroffheit des Anfangs zurück. Aber das ist Nörgeln auf hohem Niveau – das Gesamtpaket stimmt, und ich bin sehr gespannt, was You win. Who cares? (großartiger Titel übrigens) zu bieten hat.

„Sick of you“ ist der perfekte Opener, dynamisch, mitreißend, mit einprägsamer und dominanter Klaviermelodie – und herrlich verzerrtem, aggressivem Gesang im Refrain. Instant-Ohrwurm für mich und tatsächlich bisschen back to the roots. Eine ähnliche Mischung aus catchy Melodie und härterem Refrain bietet auch „Wrong direction“, mit ebenso bitterbösem Text wie der erste Song. Überhaupt: die Texte. Schon bei Lied Zwei habe ich den Eindruck, dass die sowieso schon immer düsteren und oft harten Texte dieses Mal noch unverblümter sind, was mich bei all den wunderbaren Melodien manchmal ganz schön schlucken lässt. „A bullet left for you“ bildet da keine Ausnahme, das extrem typisch für Solar Fake beginnt, auch Melodien und Rhythmen sind aus dem Solar-Fake-Lehrbuch, der Tanzfuß zuckt schon … und dann hört man mal genauer hin.
Ein wenig zurückgenommener beginnt „Invisible“, ein getragener Midtempo-Song, der seine ganze Stärke dann im Refrain zeigt. Insgesamt geht mir der Song aber ein bisschen zu sehr auf Nummer Sicher. Anders dagegen bei „Anything you want“, der sich bei mir vom ersten Ton an in den Gehörgang frisst – dynamischer Anfang, trotzdem etwas düster-melancholische Grundstimmung, irgendwie 80ies-artige Melodieschlenker … und am Ende dann eine volle Aggressionsbreitseite. Das ist spannend und unerwartet und trotzdem 100 % Solar Fake. Großer Anspieltipp!
Viel ruhiger und sanfter ist „The pain that kills you too“, ein typischer Midtempo-Song von Solar Fake mit Killerrefrain und diesen traurig-schönen Klavierakzenten, die die Band so gut kann. Damit die Tanzbarkeit der Platte nicht zu kurz kommt, setzt „Just like this“ wieder voll auf die Clubs, wieder ein Track wie aus dem Solar-Fake-Lehrbuch – und schön aggressivem Refrain mit verzerrten Vocals, die ordentlich Dynamik in den Song bringen. In die gleiche Kerbe, wenn auch ein klein wenig beliebiger, schlägt „It’s too late“ – gefällig und tanzbar, grundsätzlich stimmt alles, man geht hier aber auch ein wenig zu sehr auf Nummer Sicher. „If this is hope“ stellt eine der zwei Balladen des Albums, die bei mir bisher auch nach diversen Durchläufen noch nicht ganz zündet, doch der Refrain reißt hier viel raus.
„I don’t fight back“ beginnt ungewöhnlich ruppig, die Vocals sind harsch, auch der Refrain – wenn auch natürlich eingängig – behält eine gewisse Härte bei, die dem Solar-Fake-Sound sehr gut tut. „What if there’s nothing“ bildet den Abschluss des regulären Albums – die zweite Ballade, jedoch etwas spannender und vielschichtiger aufgebaut als „If this is hope“ und ein Song, auf den man sich ein wenig einlassen muss. Es lohnt sich aber.

Die Deluxe-Edition bietet auf der zweiten CD noch neun weitere Tracks, darunter zwei Cover, denn die dürfen natürlich nicht fehlen. Mit dem Editors-Tanzflächenheuler „Papillon“ hat man sich hier an einen überaus bekannten und beliebten Titel herangewagt und ihm die ganz eigene Solar-Fake-Note verpasst, sich aber trotzdem recht nah am Original gehalten. Manche werden meckern, dass das Cover zu wenig innovativ ist, ich finde es gelungen. Archives „Fuck U“ kenne ich im Original zu wenig, hier haben Solar Fake aber definitiv etwas Eigenes daraus gemacht, ohne krachende Gitarren, sondern mit eher sanften Synthies. Ein bisschen geht die Eindringlichkeit des Originals verloren, aber es bleibt ein guter Song.
Des Weiteren gibt es noch sieben Remixe – „The pain that kills you too“ ist gleich zweimal vertreten (einmal von Mr. Kitty – sehr poppig und tanzbar; einmal von Adam is a Girl – zurückgenommene Elektropopatmosphäre, ein bisschen im Stil von Northern Lite). Bei „Just like this“ zeigt die Patenbrigade: Wolff, was man aus dem Song noch rausholen kann – sehr gelungen, aus „A bullet left for you“ haben Ost+Front einen sehr reduzierten, getragenen Song gemacht, In Strict Confidence unterlegen „Too late“ mit einigen Elektrospielereien und etwas mehr Rhythmus. „Wrong direction“ wird in der Version von Random Starlight zur großen Synthie-Hymne, wohingegen der abschließende Remix von „If this is hope“ von Era Nocturna & Heavenly Voices keine besonderen Akzente setzt.

Wer sich für die Limited Fanbox mit drei CDs und diversen Goodies entscheidet, bekommt noch Akustikversionen von „Just like this“, „Too late“, „Invisible“, „The pain that kills you too“, „Wrong direction“, „What if there’s nothing“ und „If this is hope“ geboten. Dass Solar Fake auch eine tolle Akustikshow auf die Beine stellen können, haben sie mit der Sedated-Tour bewiesen, auf Konserve sind die Akustiktracks zwar sehr schön, aber das gewisse Etwas an Atmosphäre fehlt mir. Vielleicht brauche ich da das Gesamterlebnis aus sympathischen und tollen Musikern, ergreifenden Songs und Bühne und Publikum.

You win. Who cares? ist insgesamt ein typisches Solar-Fake-Album geworden. Die Band hat ihren Sound gefunden und weiß haargenau, was funktioniert – für sie selbst und für das Publikum. Das Synthie-Rad wird definitiv nicht neu erfunden mit diesem Album, aber es beinhaltet genügend hervorragende Tracks, um Fan-Herzen höher schlagen zu lassen und live ganz sicher das Instantglück zu verbreiten, für das Solar Fake von ihren Fans geliebt werden. Ein paar Tracks sind mir persönlich ein wenig zu vorhersehbar, aber letztendlich reißen Svens Melodiegespür, seine großartige Stimme und einfach das Gesamtpaket es doch wieder heraus. Die härteren Einflüsse, die hier und da aufblitzen, tun dem Sound gut, vielleicht gibt es davon in Zukunft ja wieder mehr.

Anspieltipps: Anything you want, Sick of you

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Solar Fake: You win. Who cares?
Out of Line, 31.08.18
Länge: 51 Minuten
Kaufen: € 16,95 (einfache CD bei POPoNAUT, Doppel-CD € 19,95, Fan-Box € 39,95) – etwas billiger noch im Out-of-Line-Shop

Tracklist:
1. Sick of you
2. Wrong direction
3. A bullet left for you
4. Invisible
5. Anything you want
6. The pain that kills you too
7. Just like this
8. Too late
9. If this is hope
10. I don’t fight back
11. What if there’s nothing

1. Papillon (Editors-Cover)
2. Fuck U (Archive-Cover)
3. The pain that kills you too (Mr. Kitty Remix)
4. Just like this (Patenbrigade: Wolff-Remix)
5. A bullet left for you (Ost+Front-Remix)
6. Too late (In-Strict-Confidence-Remix)
7. The pain that kills you too (Adam-is-a-Girl-Remix)
8. Wrong direction (Random-Starlight-Remix)
9. If this is hope (Era-Nocturna- & Heavenly-Creatures-Remix)

1. Just like this (acoustic)
2. Too late (acoustic)
3. Invisible (acoustic)
4. The pain that kills you too (acoustic)
5. Wrong direction (acoustic)
6. What if there’s nothing (acoustic)
7. If this is hope (acoustic)

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