Eine Hymne auf das Leben und die ewige Mutter

The-Brides-of-the-Black-Room-coverIhr mögt Synthiepop und Depeche Mode, catchy Melodien und viel Bombast? Ihr legt großen Wert auf besondere Stimmen und eine ganz eigene Ästhetik? Dann ist diese Scheibe genau das Richtige für euch. The Brides of the Black Room ist ein schwedisches Künstler*innenkollektiv, das seit einem knappen Jahr für einigen Wirbel sorgt – erst in der schwedischen Synthpop-Szene, jetzt auch länderübergreifend. Anfänglich versteckten sich die Musiker*innen noch hinter Pseudonymen, doch nach und nach sind einige illustre Identitäten durchgesickert. Tom Åsberg aka Ginger Khan zum Beispiel war bis 2019 Sänger von Priest, Lea Azalam singt auch in der Doom-Metal-Band Besvärjelsen und war früher Live-Drummerin von REIN, Carolina Lindahl spielt bei den Operating Tracks, und Stefan Brisland-Ferner von Garmarna hat gerade erst seine Mitgliedschaft in dem Kollektiv bekanntgegeben (mein persönliches Gütesiegel für dieses Album). Geballte Qualität also, und die ersten Veröffentlichungen Anfang 2021 haben schon aufhorchen lassen. Nun ist mit Blood and fire endlich das Debütalbum der Brides of the Black Room erschienen.

Und was da erschienen ist! Die Stimmen der Sänger*innen sind so unterschiedlich wie gleichermaßen wunderschön, und alle bekommen auf dem Album gleich viel Raum. Ginger kann zum Beispiel gleich beim Opener und erstem Gänsehautohrwurm „Fire disciple“ glänzen. Wer die alten Priest-Sachen liebt, freut sich gleich noch mehr – ebenso wie beim düsteren und erhabenen „Throne“. Auch beim sehr Depeche-Mode-lastigen „Mother mother“ – die ewige Mutter, der das Kollektiv laut Interviews dient – brilliert seine gefühlvolle Stimme, zusammen mit Carolina Lindahl, der Arch Witch. Am besten passt sie meiner Meinung nach jedoch zum bombastischen „Rise up“, das definitiv alle Fans von Synthpop und gutem Pop generell ansprechen dürfte, das sich schon während des ersten Durchlaufs in die Gehörgänge schraubt und sich auch gut auf jeder Tanzfläche machen dürfte.
Leas Stimme klingt dagegen soulig-tief, mal warm, mal kühl und jagt einem schon beim zweiten Song „Blood“ diverse Schauder über den Rücken. Überhaupt, „Blood“! Ein Gesamtkunstwerk aus Song und Video, das von Per Norman stammt, der schon mit seinen Arbeiten für Henric de la Cour und Memoria auf sich aufmerksam gemacht hat. Im Interview mit dem schwedischen Zero Magazine hat das Kollektiv erzählt, „Blood“ handle davon, die Macht über sein Leben zurückzuerlangen und die eigene Kraft zu feiern, frei durch das Leben zu pulsieren – wie das Blut im Körper. So eine Hymne können sicher alle dann und wann gebrauchen. Apropos Hymne, „Sirens“ ist genau das – verführerischer Gesang, lockende Melodien, ein unwiderstehlicher Refrain. Und wie bei den Sirenen der Mythologie darf man sich auch hier nicht vom lieblichen äußeren Anschein täuschen lassen, der Text hat es in sich. „Burn it up and set it all on fire. Feel the rush, this time it’s do or die. Throwing stones, I’m gonna start a riot, setting off all the alarms and sirens.“ „Intruder“ dagegen ist ein kühler, düsterer Synthiesong mit massiven (und sogar besseren?) Depeche-Mode-Vibes, bei dem sofort der Tanzfuß zuckt, vor allem, als der Song am Ende richtig Gas gibt.
Balladen können The Brides of the Black Room aber auch, „Apple“ ist zurückgenommen und setzt ganz auf Leas Stimme sowie eine fast schon Filmmusik-reife Atmosphäre. „The unknown“ beginnt (für dieses Album) ungewohnt dissonant und wandelt sich zu purer Eleganz und Melancholie mit orchestral untermaltem Ende. Großes Leinwandpotenzial auch hier.
Der letzte Song „Watch me burn“ (mit weiblicher Stimme) nimmt noch mal das sich durch das Album ziehende Thema des Feuers auf und endet mit einem harschen, dissonanten Rauswerfer.

Blood and fire ist ein Album, das mich vom ersten bis zum letzten Ton gefesselt hat und nach mehreren Durchläufen nur noch mehr begeistert. Die Melodien gehen sofort ins Ohr – und bleiben dort -, die Stimmen jagen einem einen Schauder nach dem anderen über den Rücken. Blood and fire ist ein ungeheuer elegantes, geschmeidiges Album geworden, das trotzdem Ecken und Kanten hat und bei aller Kompatibilität mit den verschiedensten Synthpop-Vorlieben etwas ganz Eigenes ist. Dazu trägt auch die Herangehensweise des Kollektivs bei, bei der Musik, Texte, Ästhetik und Visuelles Hand in Hand gehen und das ihre Veröffentlichungen als Serie mit einzelnen Staffeln betrachtet. Die ersten Singles und EPs waren schon Bestandteil der Season One, die mit Blood and fire jetzt vollständig ist. Für die nächsten Staffeln sind neben der ewigen Mutter noch andere Personen aus der ganz eigenen Welt der Brides of the Black Room angekündigt, und auf deren Vorstellung warte ich jetzt schon so ungeduldig wie auf die nächste Staffel diverser Lieblingsserien.

Anspieltipp: Fire disciples, Blood, Rise up, Sirens … ach, alles.

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The Brides of the Black Room: Blood and fire (S1 E01-10)
Icons Creating Evil Art (Rough Trade), ET: 01.10.21,
Länge: 39 Minuten
Kaufen: € 10,00 digital oder € 14,00 CD, auf der Bandcamp-Seite der Band

Tracklist:
1. Fire disciple
2. Blood
3. Mother mother
4. Throne
5. Apple
6. Sirens
7. Rise up
8. Intruder
9. The unknown
10. Watch me burn

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