Alles beim Alten und doch anders

Cruxshadows-Astromythology-Cover_1000 (002)Die Crüxshadows – seit 1992 aktiv, nach vielen Besetzungswechseln jetzt seit einigen Jahren mit einer gut eingespielten Frau- und Mannschaft unterwegs, unzählige Touren und Konzerte, alle paar Jahre eine neue Platte, und alles unter der kreativen und organisatorischen Führung von Mastermind Rogue, Sprachrohr und Kopf der Truppe und dank unverwüstlicher Strubbelfrisur auch von hohem optischem Wiedererkennungswert. Der ganz große Durchbruch ist der für ihre Fannähe bekannten Band aus Florida verwehrt geblieben, doch wer sich einmal in den Sound der Crüxis verliebt hat, wird ihm treu bleiben. Nach fünf Jahren gibt es jetzt auch endlich wieder musikalischen Nachschub, das neue Album Astromythology steht nach der gelungenen Vorabsingle „Helios“ ab erstem September in den Läden bzw. auf den einschlägigen Internetplattformen.
Hat sich etwas geändert im Hause Crüxshadows? Im Großen und Ganzen nicht. Die üblichen Trademarks, für die man die Band liebt (oder auch hasst), sind auch auf Astromythology wieder vertreten: elektropoprockige Hymnen mit großem Tanzflächenpotenzial, leidenschaftlicher Gesang, lesenswerte und tiefgründige Texte, ein wie immer hart an der Grenze zum Kitsch vorbeischrammendes CD-Cover (das man aber auch irgendwie mag, weil es authentisch wirkt) und die altbekannten Geigen – immerhin leistet sich die Band mit JoHanna Moresco und David Wood gleich zwei Violinisten! Im Detail hat sich allerdings im Vergleich zum letzten – sehr guten – Album As the dark against my halo doch einiges getan.
Die wie sonst oft ein Crüxshadows-Album einleitende gesprochene Textpassage fehlt – eine Kleinigkeit, doch ich vermisse sie. Die Geigen, die sonst so prägnante und großartige Melodien spielen, die einen ganzen Song tragen, sind viel mehr in den Gesamtsound integriert, und auch die Gitarre muss sich dem Synthieteppich öfter unterordnen. Uneingeschränkt gut finde ich das leider nicht, aber natürlich finden sich auf Astromythology immer noch genug großartige Songs.

Die schon erwähnte Vorabsingle „Helios“ gehört dazu – ein hervorragender Einstiegssong mit allem, was man bei den Crüxshadows mag, dabei aber angenehm transparent und nicht überfrachtet. Die zweite Single „Singularites“ zieht das Tempo etwas an und dürfte live und auf der Tanzfläche hervorragend funktionieren. Bei „Infinity (you don’t see me)“ gibt es wenig später auch endlich ein bisschen mehr Gitarre zu hören, der melancholische Refrain und überhaupt ein gelungener Spannungsbogen machen den Song sehr interessant. „Of angels“ überrascht kurz darauf mit latenten DepecheMode-Anleihen, die aber schon nach wenigen Takten in einen sehr energischen und fast schon experimentellen Mittelteil übergehen. Bisheriger Höhepunkt der Scheibe! Auch „Jupiter“ überzeugt mit Experimentierfreude und beschwörendem Gesang von Rogue. Ein Song mit ein paar Ecken und Kanten – sehr schön.

Neben diesen Songs, die entweder sofort perfekt ins Ohr gehen oder fast schon ungewöhnlich für Crüxshadows-Verhältnisse klingen, gibt es allerdings auch einiges Material auf Astromythology, das – vielleicht nur bei mir – nicht sofort zündet und eher vorbeiplätschert. „Stay“ zum Beispiel macht eigentlich gar nichts falsch – außer dass es etwas zu nett und gefällig daherkommt. Gut zum Mitsummen, aber auch schnell wieder vergessen. „Uncertainty (in space & time)“ schlägt in dieselbe Kerbe, auch wenn hier die Gitarre etwas röhren darf. Überhaupt kein schlechter Song, aber ein bisschen zu sehr auf Nummer sicher gebürstet. Vielleicht wächst er aber auch noch nach öfterem Anhören. Dasselbe gilt für „Starfall“ – ein guter Popsong zum Mitträllern, aber eben nicht mehr. „In gardens“ erinnert wieder sehr an die Achtziger und deren Synthheroen, eine getragene Midtempo-Nummer, die mit der Zeit noch gewinnen kann. „Astronauts“ als Albumabschluss ist zwar arg poppig, man wird von der Ballade aber auch irgendwie besinnlich-romantisch aus der Platte geleitet. Passt schon.

Jetzt könnte man eigentlich aufhören – die Scheibe hätte diverse sehr gute bis auf jeden Fall gut anhörbare Songs und wäre eine runde Sache. Ein paar Ausreißer müssen aber wohl noch sein, was ich sehr schade finde. Die klavierlastige Ballade „Home“ geht in Sachen Pathos und Kitsch gerade noch so, in den Refrain kann man sich tatsächlich einhören, die sparsame Instrumentierung mit schönen Geigenakzenten tut nicht weh. Bei „Stargazer“ sieht das leider etwas anders aus – hier muss man den inneren Feuerzeugschwenker aktivieren und schon in einer besonders rührseligen Stimmung sein. „My telescope“ schrammt haarscharf an einer belanglosen Klimperfrechheit vorbei, die gut im Formatradio laufen könnte. Das ist alles Radiopop in Reinstkultur, und ich weiß noch nicht, ob ich mich mit der Zeit damit anfreunden kann.

Insgesamt ist Astromythology also ein gutes Album geworden, aber mit weniger Crüxshadows-Essenz als früher. Düster und gothic waren sie ja nie, muss auch überhaupt nicht sein, aber hier schlagen sie teilweise etwas zu poppige Wege für meinen Geschmack ein und verlieren dadurch auch ein wenig von ihrem markanten Sound. Zum Glück hat das Album noch genügend wirklich gute Kracher, in die man sich als Fan verlieben kann, und ausreichend gut anhörbare Songs, um die zu flach geratenen Tracks überbrücken zu können. Im September sind die Crüxis auch endlich wieder auf Tour, live kommt da sicher der eine oder andere Song, der auf Konserve noch nicht so zündet, besser rüber. Ich freue mich jedenfalls schon, Rogue am 29. September durch die Münchner Garage Deluxe turnen zu sehen.

Anspieltipp: Helios, Singularities, Of angels

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

The Crüxshadows – Astromythology
Timezone, 01.09.17
Länge: 63 Minuten
Kaufen: € 15,95 bei POPoNAUT 

Tracklist:
1. Helios
2. Singularities
3. Stay
4. Home
5. Infinity (you don’t see me)
6. Stargazer
7. Of angels
8. My telescope
9. Jupiter
10. Uncertainty (in space & time)
11. Starfall
12. In gardens
13. Astronauts

 

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