Sphärische Melodien und heavenly Voices

the eden house

The Eden House gibt es seit 2009, sie bestehen im Kern aus dem Gitarristen Stephen Carey (This Burning Effigy), dem Bassisten Tony Pettitt (Fields of the Nephilim) und dem Drummer Simon Rippin (Nefilim). The Eden House arbeiteten bislang bei jeder Veröffentlichung mit Gastmusikern zusammen, große und auch alte Namen wie Musiker und Soundtüftler für Pink Floyd, Roxy Music, The Mission muss man hier nennen. Die Band, habe ich einmal gelesen, sieht sich wie ein Hotel für gute Musiker. Einige checken kurzzeitig ein, wirken für einen Titel mit, andere bleiben länger. So ist es auch mit den Gastsängerinnen, die für jedes Album eingeladen sind. Stimmlich brillante Damen wie Julianne Regan, Amandine Ferrari und Evi Vine waren schon dabei, und immer wieder Monica Richards (Faith and the Muse).

Auch beim neuen Album ist sie mit dabei, außer bei Track 3 (Louise Crane), 5 (Meg Pettitt), 7 (Lee Douglas), 10 (Kelli Ali) und 12 (Lousie Crane & Meg Pettitt). „Heavenly Voices“ hat man in den 90er Jahren zu Stimmen wie diesen gesagt, und dieser etwas pathetisch klingende Ausdruck passt hier. Die Lieder werden von den Stimmen getragen, Monica Richards singt großartig wie immer.

Der erste Song beginnt wie ein Sternenthriller, ferne Galaxien, man hört fremde Geräusche aus den Bordcomputern. I have chosen you! Hat sich jemand einer anderen Art jemand anderes ausgesucht? Der Rhythmus ist ungewohnt lebendig, aber Monica Richards erkennt man gleich: mehrstimmig im Refrain. Auch das zweite Stück beginnt gleich mit dieser Stimme, die gezupfte Gitarre und ihre Stimme, hallend, aus dem Off, schneller werdend nach ein paar Sekunden, tragische Ooooohs und Aaaaaahs zwischendrin, typische Gitarrenriffs, Synthesizer, Schlagzeug, früher sagte man psychedelic Sound (mit viel Hall), jetzt könnte man es Cold Wave zuordnen, Hante arbeiten manchmal auch mit diesen Stilmitteln, immer schön die Stimmen im Hintergrund, gefällige, galoppierende aber dennoch einlullende Instrumentierung. „Misery“ beginnt wie die alten Titel von Pink Floyd, Supertramp, Alan Parsons Project, Gypsy Sound irgendwie, ambient eben. Die himmlischen Damenstimmen aus dem Off, die Instrumente schwurbeln sich Sekunde für Sekunde wie auf einem marokkanischen Basar auf einen Höhepunkt hin, romantische, tragische Geige zwischendurch. Das kann nach mehrmaligem Hören eingängig werden. Auch beim nächsten Song cold-wavige Instrumentierung, gehauchte Frauenstimmen. Das kann man nicht mehr Singen nennen, das ist hauchen, beschwören, betören. „The ghost of you“ hebt sich etwas ab. Hier sind vorerst die Instrumente im Vordergrund, könnten fast von den jungen The Cure stammen. Auch hier ist wieder die Frauenstimme dann letztendlich am Wichtigsten, und ganz ehrlich, ich kann keinen Unterschied ausmachen, ob Monica Richards oder Meg Pettitt singt und haucht. Bei der Art von psychedelisch angehauchter Musik hätte man letztendlich auch Stevie Nicks von Fleetwood Mac um eine Teilnahme fragen können. Dann wieder ein Stück mit Monica Richards und Gypsy-Gitarren, das ich mir auch gut mit Elena Fossi von Kirlian Camera vorstellen könnte, zwischendrin ein bisschen Sprechgesang: „This is not our world … this is a new age“. Ja, so vom Stil her klingt das auch ganz danach. Ohh, „It’s just a death“ hätte fast ein Stück von Siouxsie and the Banshees werden können, mit der Art wie es beginnt, gepaart mit einer großen Portion vom ersten Album von Portishead, eindringlich zwischendrin wie Velvet Undergrounds „Venus in furs“. „Words and deeds“: transzendentale, rhythmische Musik mit den typischen Frauenstimmen, das sich immer fordernder werdend nach oben treibt, ganz, ganz vorsichtig. Tja, und bei „Let me in“ sind sie da, die frühen The Cure. Sparsam an der Klampfe, dann der Synthesizer-Hall im Hintergrund, bis eben wieder und wieder die himmlischen Stimmen einsetzen. Der Anfang von „Kiss kiss bang bang“ sowie dem letzten Track, „The ardent tide“, könnten die Anfangsmusiken von schrägen Fernsehserien sein, aber unverkennbar nach ein paar wenigen Sekunden der dann doch typische Sound von The Eden House: gnadenvoll tolle Stimmen, die dann eingebunden in The Eden House Musik dann eben The Eden House ausmachen, egal, wer gerade singt, ob sie Monica, Louise, Meg, Lee oder Kelli heißen. Die letzten beiden Titel weichen hier nicht von der Regel ab. Einmal The Eden House, immer The Eden House. Coldwavige, sphärische Goth-Pop-Stücke, die von tragischen Gitarren und Wahnsinnsstimmen – ob gehaucht oder gesungen – getragen werden. Sie versprühen den Charme der frühen 80er Jahre und klingen doch modern.
Man muss sie mögen, sonst mag man sie nicht.
ICH mag sie.

Meine Hörempfehlung: „Second skin“, das für mich hypnotischste Stück. Ein typischer Abschluss für ein Konzert. Wenn man vorher fand, dass alles doch irgendwie gleich klang, dass die anderen Alben doch irgendwie besser waren, bringt einen dieser Song dazu, sich am Merchandise-Stand ein T-Shirt und einen Stoffbeutel zu kaufen. Den Aufkleber nimmt man auch noch mit und natürlich auch die neue CD. Und wenn dann Louise, Meg, Lee, Kelli oder gar Monica diese signieren, scheint wieder die Sonne über die „Broken ones“.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

The Eden House: Songs for the broken ones
Jungle Records (Rough Trade), Vö. 16.06.2017
Spielzeit: 68 Min.
13,99 € CD, 15,49 € Vinyl, 8,99 € MP3

Band:www.theedenhouse.com

Tracklist:
1. Verdades
2. One heart
3. Misery
4. 12th night
5. The ghost of you
6. Ours again
7. It’s just a death
8. Words and deeds
9. Let me in
10. Kiss kiss bang bang
11. Second skin
12. The ardent tide

 

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