Lieder vom Märchenonkel

Unheilig

Unheilig, die Band um den mysteriösen Sänger, genannt Der Graf, der mit schwarzem Nagellack und weißen Vampirkontaktlinsen begann, und der es geschafft hat, sein Privatleben zu hüten: Diese Band hat mehrmals schon einen Rücktritt angekündigt, ein letztes Album, ein allerletztes Konzert. Nun gaben sie ein Konzert in Hamburg, das unter dem Motto „MTV Unplugged“ aufgenommen wurde. Wer nun an einen Grafen auf einem Barhocker und drei ihn begleitende Klampfen denkt, der irrt. Es ist nämlich dennoch ein großes Orchester und großes Kino.

„Unter deiner Flagge“ beginnt zwar unplugged aber vom ersten Moment an mit Orchester und lieblichen Blasinstrumenten. Die leicht erzählerisch klingende Stimme des Grafen, die pompös instrumentiert oft übertrieben schwülstig daherkommt, passt hier gut, wie auch Flöten und Oboen sehr gut zum Lied passen. Auch„Freiheit“ wird getragen von seiner dunklen Stimme mit dem großartigen Timbre, im Hintergrund woohoot eine Frauenstimme, es klingt fast wie ein Vorspann für einen Horrorfilm-Klassiker. Das ist hier als Kompliment gedacht! Dazwischen wie in allen Konzerten seine minimalistischen Ansagen: „Hallo Hamburg! –Dankeschön!“ Vieles auf diesem Doppelalbum klingt wie Filmmusik, aber klingt schon auch sehr nach Schlager. Es ist eine etwas schwülstige Instrumentierung mit pathetischer Stimme. Andere Lieder sind dann aber wieder ganz klein, der Graf muss die Musik nicht übertönen, das passt sehr schön und ist stimmig. Zu „Eisenmann“ werden unter großem Applaus Thomas Lindner von Schandmaul und Alea von Saltatio Mortis angekündigt. Das Lied passt „unplugged“ wirklich gut zu den Gaststimmen. „Mein Stern“, mein Lieblingslied von Unheilig, beginnt ganz klein mit Blockflöte, das Klavier spielt ein Intro wie zu Kate Bushs „Wuthering Heights“, dann setzt des Grafen Stimme ein. „Ist dein Herz doch noch so klein … mein Stern …“: herzergreifend, ohne pathetisch zu sein. Bei “Zeitreise“ und „So wie du warst“ wird er doch tatsächlich von Helene Fischer unterstützt. Die beiden klingen wie ein Musical-Duo, aus Die Schöne und das Biest vielleicht? Für das Lied „Goldene Zeiten“ holt sich der Graf Cassandra Steen auf die Bühne, die durch Xavier Naidoo einem breiteren Publikum bekannt wurde und ein paar schöne Soloalben machte. Ihre samtene Stimme passt gut zu dem Duett. Auch „Geboren um zu leben“ begleitet sie, es klingt nahezu rockig gegen Ende. Man kann sich hier vorstellen, in einer Diskothek glücklich in einem Kreis von Mädels die Arme auszubreiten und sie zum Lied schwingen zu lassen. „Zeit zu gehen“ ist der allerletzte Song, doch mein persönlicher Abschluss der Doppel-CD ist „Für mich soll’s rote Rosen regnen“, der Hildegard-Knef-Klassiker: Man möchte fast in einem großen Saal einen langsamen Walzer tanzen und noch an einem letzten Glas Champagner nippen, bevor man nach Hause geht.

Es geht mir bei dieser CD ganz einfach so: Songs, die ich schon immer mochte, mag ich auch „unplugged“. Songs, die mir nicht gefallen, werden weggeklickt, das ist doch ganz einfach. Man kann sagen, was man will: Der Graf hat nach wie vor Charisma und vor allen Dingen eine wundervolle honorige, knorrige Märchenonkelstimme. Von dieser Stimme bin ich nach wie vor ein Fan.

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Unheilig: MTV Unplugged „Unter Dampf – Ohne Strom“
Vertigo Berlin (Universal Music), 11. Dezember 2015
€ 17,90 CD, Vinyl 21,99, MP3 10,89
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Trackliste:
CD1
Unter deiner Flagge
Mein Berg
Freiheit
Sage ja
Astronaut
Einer von Millionen
Herz aus Eis
An deiner Seite
Eisenmann
Glück auf das Leben
Mein Stern

CD 2
Zeitreise
So wie du warst
Lichter der Stadt
Die Weisheiten des Lebens
Wie in guten alten Zeiten
Goldene Zeiten
Geboren um zu leben
Große Freiheit
Der Vorhang fällt
Für mich soll’s rote Rosen regnen
Zeit zu gehen

unheilig.com/mtvunplugged/

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