Never change a winning sound?

vnvWenige Wochen nach den schwedischen Futurepoppern Covenant hat nun mit VNV Nation eine weitere Speerspitze des Genres ein neues Album veröffentlicht. Transnational heißt es und steht seit dem 11.10. in den Läden – eine Woche später übrigens als ursprünglich angekündigt, weil Mastermind Ronan Harris die Vocals für einen Track noch einmal neu aufnehmen musste, und zwar auf dem Kreuzfahrtschiff während der „Gothic Cruise“, wie er im Rahmen seines Konzerts am 05.10. im Münchner Backstage erzählte.

Dies jedoch nur als Kuriosum am Rande – was aber erwartet den geneigten Hörer nun auf Transnational? Grundsätzlich nichts Neues, wie man sagen muss. VNV Nation bleiben dem in den letzten Jahren kultivierten Stil treu und präsentieren ihre bewährte Mischung aus tanzbaren Electrobeats und eingängigen Melodien, ohne dabei aber besondere Experimente zu wagen.

Wie fast alle neueren VNV Nation-Alben wird auch Transnational mit einem rein instrumentalen Intro eingeleitet: „Generator“ beginnt mit einer dunkel wabernden Soundfläche, der nach und nach weitere Stimmen und ein immer komplexer werdender Rhythmus hinzugefügt werden, bis der Track direkt in den ersten eigentlichen Song „Everything“ übergeht. Dessen Melodie geht zwar sofort ins Ohr, und das radiotaugliche Midtempo (VNV-typisch kurz von einer ruhigeren Passage unterbrochen) lässt den Fuß sogleich mitwippen, insgesamt plätschert das Stück jedoch relativ seicht vor sich hin und läuft auf diese Weise fast schon Gefahr, in Richtung harmlosen Allerweltspop abzudriften.

Ungleich dynamischer geht es bei den folgenden beiden Tracks zu. Sowohl „Primary“ als auch „Retaliate“ überzeugen durch treibende Beats und können wohl als potenzielle Tanzflächenfüller gelten. Vor allem „Primary“ hat Ohrwurmqualitäten, ist dynamisch und abwechslungsreich und mein persönliches Highlight des Albums. Beim EBM-beeinflussten „Retaliate“ hingegen geht es wesentlich geradliniger zu Werke; dessen Grundelemente werden aber ausreichend variiert, um nicht in allzu primitives, gleichförmiges Electro-Gestampfe abzugleiten. Zwei Songs, die alle Qualitäten aufweisen, die VNV Nation zu dem gemacht haben, was sie sind.

Umso stärker fällt dagegen das nächste Stück ab, denn was folgt, ist ein gut fünfminütiger Instrumentaltrack namens „Lost Horizon“, der leider klingt, als habe Jean-Michel Jarre versucht, Rummelplatz-Techno zu produzieren. Im Festzelt auf dem Jahrmarkt mag das prima funktionieren, aber was hat so etwas auf einem VNV Nation-Album verloren? War Ronan einmal zu oft auf der Wiesn?

Mit dem anschließenden „Teleconnect 1“ wird die obligatorische Ballade geboten, die zwar durchaus einschmeichelnd klingt, aber nie das Gänsehaut-Feeling von Songs wie „Nova“, „Illusion“ oder „Holding On“ erzeugt.

„If I Was“ (das übrigens nichts mit dem gleichnamigen Midge Ure-Song zu tun hat) wiederum weist die gleichen zweifelhaften Qualitäten auf wie schon „Everything“: nett und eingängig, aber eben auch ein bisschen zu gefällig und glatt geschliffen. Ohne Zweifel eine Pop-Perle, aber eine eher glanzlose.

Nochmals recht clubtauglich wird es mit „Aeroscope“, das erneut ein reines Instrumentalstück ist und in seiner Machart insgesamt aus dem Album heraussticht. Ähnlich wie bei „Lost Horizon“ kommen zwar auch hier technoide Elemente zum Einsatz, aber unterfüttert mit durchaus komplexen Soundstrukturen, die dazu einladen, sich speziell diesen Track per Kopfhörer zu Ohr und zu Gemüte zu führen.

Der nächste Song, „Off Screen“, erinnert ein wenig an das grandiose „Space & Time“ vom Automatic-Album; es kommt zwar nicht ganz an dessen Format heran, gehört aber dennoch zu den stärkeren Momenten von Transnational.

Abschließend folgt „Teleconnect 2“, das dem Hörer nicht zuletzt wegen seiner Dauer von acht Minuten ein gewisses Maß an Geduld abfordert. Wähnt man sich zunächst in einer dem Intro von „Beloved“ nicht ganz unähnlichen, wiederum nur instrumentalen Synthie-Endlosschleife gefangen und tendiert vielleicht sogar dazu, das Album für sich selbst als beendet zu erklären und die Stopptaste zu drücken, wird es nach rund vier Minuten musikalisch etwas spannender, worauf nach weiteren knapp zwei Minuten tatsächlich noch Ronan Harris‘ Stimme einsetzt und der Song sich zu einem balladesken, melancholischen und durchaus intensiven Finale entwickelt.

Mich hat Transnational etwas ratlos zurückgelassen. Wenigen Highlights stehen einige Tracks gegenüber, die ich nur als Füllmaterial oder als zu mutlos empfunden habe. Insgesamt vertrauen VNV Nation auf diesem Album etwas zu sehr bewährten Rezepten, was Transnational ein bisschen berechenbar macht – dies allerdings auf einem Niveau, das immer noch deutlich über dem liegt, was im großen Bereich des Electro mitunter zur Veröffentlichung gelangt.

Wertung: auf 4 aufgerundete 3,5 von 5 Punkten  :mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Anspieltipps: „Primary“, „Retaliate“

VNV Nation – Transnational
Published by Schubert Music
(P) + (C) Anachronsounds 2013
Distributed by Soulfood
Gesamtspielzeit: 53 Minuten

15,99 € (amazon)
VNV Nation-Homepage

Tracklist:
Generator
Everything
Primary
Retaliate
Lost horizon
Teleconnect 1
If I was
Aeroscope
Off screen
Teleconnect 2

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