Neues Futter für die Tanzfläche

welle-erdball-tanzmusik-roboterSieben lange Jahre sind seit dem letzten regulären Album Chaos Total vergangen, in denen es zwar immer wieder Lebenszeichen von Welle:Erdball gab – unter anderem wurden 20 Jahre Bandbestehen gefeiert –, doch eben kein vollwertiges Album mit neuem Material. Vergessen hat man Welle:Erdball natürlich nicht, durch exzessives Touren im In- und Ausland, in Konzerthallen und auf Festivals sind die C64-Liebhaber immer präsent gewesen. 
Im Jahr 2013 mussten sie einen Rückschlag verkraften, als die langjährige Sängerin Plastique die Band verließ. In einem großangelegten Casting, bei dem die Fans über die neue weibliche Stimme abstimmen durften, wurde zum Glück bald Ersatz gefunden. Das neue Bandmitglied, dessen Identität noch geheim gehalten wird, konnte daher auch bereits bei vier Songs von Tanzmusik für Roboter mitwirken.
Auch sonst finden sich – für mich als keinen ausgewiesenen Welle:Erdball-Spezialisten – einige neue Akzente auf dem Album, neben den gewohnt gesellschafts- und konsumkritischen Texten und der liebevoll nostalgischen Computermusik.

„Welle_Erdball“: Das Intro, das die neue Sendung des Rundfunks einläutet mit den Worten: „Hallo, hier spricht Welle:Erdball, Symphonie der Zeit, aus dem Äther schwingt und schwillt sie in die Ewigkeit.“ Ein schöner, stimmungsvoller Einstieg.

„Gib mir meine Zukunft wieder“: Nach dem Intro wird geschickt auf den ersten regulären Song übergeleitet. Hier überraschen mich eine etwas ungewöhnt noisige, brachiale Atmosphäre, ein recht hektischer Grundbeat – der hervorragend zum Text über das sich immer schneller drehende Leben passt – und der abgehackte Gesang von Honey. Richtig nett finde ich den fast schon electroclashigen Refrain, der schön aggressiv daherkommt. Abschrecken dürfte dieser Track allerdings keinen Fan, aber erfrischend ist er allemal.

„Der Flipperkönig“: Der Song könnte ein wahrer Tanzflächenhit werden. Sehr gefällige, eingängige Melodie, kann man sofort mitsingen, alles ist sehr poppig, catchy und unverkennbar Welle:Erdball. Macht Laune.

„Die Liebe der 3. Art“: Hier dominiert die (neue?) weibliche Stimme, unterlegt ist alles mit einem treibenden Beat. Für mich leider eine bisschen zu schlagerartige Melodie und Umsetzung, ich muss hier doch eher an Blutengel oder gar Andrea Berg denken. Zwischendurch fühle ich mich auch an Codos „Sauseschritt“ erinnert, was aber irgendwie charmanter war. Auf der Tanzfläche wird das Lied aber sicher hervorragend funktionieren.

„Ich mach mich schön“: Hier gibt es auch wieder leichte Electroclash-Anleihen zu hören, was vor allem durch den auch hier dominierenden weiblichen Gesang erzeugt wird – ein Song, der nicht auf den ersten Blick als Welle:Erdball zu erkennen ist, was eine interessante Abwechslung darstellt. Thematisch bleibt es gesellschaftskritisch, der wahnsinnige Körperkult mit Cremes und Lotionen, Chemie und Operationen wird hier ironisch angeprangert.

„Mimikry“: Die Melodie ist sehr simpel gehalten, extrem eingängig, mir bluten leider wieder ein wenig die Ohren. Normalerweise mag ich Vocoder-verzerrte Stimmen, doch der Refrain wird dadurch hier nahezu unverständlich – und erleichtert es mir nicht, in das Lied reinzukommen. Liebhaber des typischen Welle:Erdball-Sounds werden hier aber auf ihre Kosten kommen.

„Computersex“: Hier wird es wieder etwas energischer, mit deutlichen Achtzigeranleihen und natürlich computerstimmen-verzerrten Sounds. Ein typischer Welle:Erdball-Song der etwas schmissigeren Art, Honeys Stimme ist wie so oft leicht verhallt. Hier geht man etwas auf Nummer Sicher, aber es ist ein gelungenes Stück.

„Mensch gegen Maschine“: Eine Reise in die Neue Deutsche Welle, simpler Minimalbeat, eine charmante Mischung aus Computersounds sowie männlicher und weiblicher Gesangsstimme. Für meine Begriffe keiner der großen Hits auf dem Album, aber definitiv hörenswert. Auch hier lohnt sich mal wieder ein Blick auf den Text.

„Das Passwort“: Schön fiepsiger Computerspielgeräuscheanfang, der dann von einem schnellen, sehr tanzbaren Rhythmus abgelöst wird. Man könnte ein bisschen an „Starfighter F-104G“ denken, aber das ist ja nicht die schlechteste Reminiszenz. Definitiv ein Ohrwurm und sehr tanzbar.

„Herzschlag-Alarm“: Hier dominiert wieder der weibliche Gesang – und wieder wird’s etwas schlagerartig, trotz typischer Welle:Erdball-Rhythmen. Wahrscheinlich kann ich bei dieser Art Musik kein total objektives Urteil abgeben, mir ist das einfach zu süßlich. Insgesamt aber ein runder, gut gemachter Popsong.

„Des Wahnsinns fette Beute“: Treibend, nach vorn gehend, ungewohnt ruppiger Gesang und Beats, dazu wieder ein eingängiger – aber diesmal nicht süßlicher – weiblicher Refrain bilden eine interessante Mischung, der Song klingt für Welle:Erdball-Verhältnisse geradezu düster und aggressiv. Davon hätte ich gern mehr! „Tanz den Wahnsinn und brenn im Feuer der Fantasie. Tanze wunderbar, denn dein Gehirn ist dem Wahnsinn ja so nah“ – ein guter Rat.

„Die Gedanken sind frei“: Eine Vertonung des Liedes von Heinrich Hoffmann von Fallersleben (beziehungsweise eine textliche Weiterentwicklung? Hierzu liegen mir leider keine Informationen vor) – intoniert wird das Ganze sehr traditionell, mit zurückhaltender Sounduntermalung. Ungewöhnlich, aber hörenswert.

„Die neue Weltordnung“: Auch hier überrascht ein ungewöhnlicher Rhythmus, der eher zum Paartanz als zum wilden Herumspringen auf der Tanzfläche einlädt. Honey singt einen wieder herrlich gesellschaftskritischen Text mit täuschend sanfter Stimme. Das Lied kommt ohne das übliche C64-Fiepen aus, was eine schöne Abwechslung darstellt. Gelungener Abschluss!

Fazit: Insgesamt ein wirklich gutes Album, das die Fans von Welle:Erdball sicher überzeugen wird. Mir ganz persönlich sind einige Passagen zu süßlich, zu schlagerartig geraten, andererseits gibt es einige – für mich – überraschend aggressive, electroclashige Ansätze, die mir wirklich gut gefallen. Hinhörenswert sind natürlich wie immer auch die Texte.
Erfrischende Momente wechseln sich mit viel Nummer-Sicher-Material ab, insgesamt ist das Album aber eine runde Sache geworden. Synthie-Nostalgiker werden sowieso wieder voll auf ihre Kosten kommen. Laut Pressemitteilung entstand z.B. „Mimikry“ auf einem MB Senseo-Spiel, „Liebe der 3. Art“ mithilfe eines Nintendo DS lite oder „Herzschlag-Alarm“ auf einem Casio VL-1 Tone. Und wie immer ist natürlich der Commodore C64 dabei, eh klar (zum Beispiel in „Gib mir meine Zukunft wieder“ zu hören).

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Erhältlich ist Tanzmusik für Roboter in verschiedenen Versionen. Die normale CD-Version enthält 16 Titel (zur Rezension lagen mir die 13 beschriebenen vor). Die CD+DVD-Edition enthält 18 Tracks sowie die Videoproduktionen des Funkhaus-Studios für Welle:Erdball und befreundeten Bands sowie einer vollständigen Europa-Tournee. Diese Version gibt es auch als Deluxe-Box exklusiv bei amazon mit weiteren Sammlerstücken.
Der limitierten Picture Vinyl liegt die Mini-CD Computerklang bei.

Genaue Infos unter www.welle-erdball.info oder amazon

Erscheinungstermin für alle Versionen: 21. Februar 2014
Einfache Version: € 15,99 (amazon)
1. Welle_Erdball
2. Gib mir meine Zukunft wieder
3. Der Flipperkönig
4. Die Liebe der 3. Art
5. Mimikry
6. Ich mach mich schön
7. Die Roboter
8. Computersex
9. Herzschlag Alarm
10. Computerklang
11. Mensch gegen Maschine
12. Das Passwort
13. Des Wahnsinns fette Beute
14. Ich bin aus Plastik
15. Die Gedanken sind frei
16. Tanzmusik für Roboter
Zur Erinnerung hier auch noch mal die Tourdaten:
27.02.2014 Konzert DE München Backstage Werk
28.02.2014 Konzert AT Wien Szene
01.03.2014 Konzert DE Mannheim Alte Seilerei
07.03.2014 Konzert DE Dresden Reithalle / Strasse E
08.03.2014 Konzert DE Berlin K17
09.03.2014 Konzert DE Nürnberg Hirsch
14.03.2014 Konzert DE Hamburg Markthalle
15.03.2014 Konzert DE Herford X
21.03.2014 Konzert DE Leipzig Anker
22.03.2014 Konzert DE Magdeburg Factory
28.03.2014 Konzert DE Flensburg Roxy
29.03.2014 Konzert DE Oberhausen Kulttempel
04.04.2014 Konzert SE Malmö Inkonst
05.04.2014 Konzert SE Göteborg Brewhouse
10.04.2014 Konzert NL Eindhoven Dynamo
11.04.2014 Konzert DE Bremen Tivoli
12.04.2014 Konzert DE Braunschweig Meier Music Hall
17.04.2014 Konzert DE Rüsselsheim Das Rind
18.04.2014 Festival CH Zürich XTRa Limmathaus
19.04.2014 Konzert DE Gießen Jokus
20.04.2014 Konzert DE Erfurt Centrum
02.05.2014 Festival DE Losheim am See Strandbad @ Hexentanz 2014

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