As the story unfolds
Odion – „der ältere von Zwillingen“ – ist eine 2024 in Budapest gegründete Band, deren Mitglieder aber alles alte Hasen der ungarischen Metalszene sind. Darauf aufmerksam geworden bin ich über Thy Catafalque, die mich mit ihrem Auftritt beim letztjährigen Dark Easter Metal Meeting völlig geflasht haben. Die ganze Band ist fantastisch, besonders in Erinnerung geblieben sind mir aber Sänger Gábor Dudás und Cellistin Michaela Bos – und genau diese beiden sind nun Mitglieder von Odion. Ende Februar dieses Jahres hat die Band ihre Debüt-EP Narcissus vorgelegt, und ich war sehr gespannt darauf.
Los geht’s mit „Shift“, einem vielschichtigen Midtempo-Song, der samtigen Dark-Metal-Gesang mit tiefem Growlen („Roar!“) verbindet, sanfte Cellomelodien mit schroffen Gitarrenriffs und die hellen und dunklen Stimmungen der Lyrics perfekt transportiert. „Release“ beginnt noch etwas getragener, dafür aber auch etwas härter – bis Gábors Stimme sich in den Gehörgang schmeichelt und die melancholische Melodie das Herz schwer werden lässt. Dann überrascht der Song allerdings mit einigen prog-lastigeren Passagen und ordentlich Tempo am Ende. Muss man definitiv öfter hören, um alle Details zu erfassen. „All you were“ beginnt mit einer so einfachen, wie einprägsamen Klaviermelodie, Gábor singt sanft und zurückhaltend, während der Song immer mehr Fahrt aufnimmt und Michaelas Cello starke Akzente setzt, um in der Mitte das Klaviermotiv vom Anfang wieder aufzunehmen. Und dann – entwickelt sich der Song zum bleischweren Doom-Brecher, bevor er düster-melodisch zum Ende kommt. Ganz groß! Auch das Gitarrensolo zu Beginn von „Irae“ ist ganz groß und gräbt sich sofort ins Gehirn. Ebenso wie der ganze Song, der auf Ungarisch ist und auf einem der ältesten Zeugnisse der ungarischen Literatur basiert, dem Gedicht „Ómagyar Mária-siralom“ („Marias Wehklagen“), überliefert aus dem 13. Jahrhundert. Hier zeigt Gábor noch einmal, wie mühelos wandelbar und kraftvoll seine Stimme ist, wie viel Emotionen er bei aller doomigen Heavyness des Songs in die Worte legen kann. Gänsehaut!
Odion legen mit Narcissus eine hochgradig spannende Debüt-EP vor, die gekonnt Doom-, Dark- und Prog-Metal miteinander verbindet und so etwas ganz Eigenes schafft, das aber trotzdem ab dem ersten Hören vertraut und heimelig klingt. Die warme Produktion gepaart mit der langjährigen Erfahrung aller fünf Bandmitglieder machen Narcissus zu einem wahren Hörgenuss und sei allen Fans düsteren Metals – sei es eine eher rockigere oder eine eher doomigere Ausrichtung – wärmstens ans Herz gelegt. Bei mir jedenfalls läuft Narcissus seit Wochen rauf und runter, und ich hoffe sehr, dass Odion uns bald einen Nachfolger präsentieren.
Anspieltipp: alles
Odion: Narcissus
Eigenvertrieb, VÖ: 27.02.25
Länge: 25 Minuten
Kaufen: über die Bandcamp-Seite der Band, 1.499 HUF (etwa € 3,70)
1. Shift
2. Release
3. All you were
4. Irae
(808)
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