Feiern im Grünen

park-1Den Abschluss der Festivalsaison bildet traditionell das Nocturnal Culture Night im Kulturpark Deutzen. Zum zehnjährigen Jubiläum dieses kleinen, aber äußerst feinen Festivals bin ich Anfang September nun zum ersten Mal in den kleinen Ort südlich von Leipzig gefahren, nachdem es die letzten Jahre nie geklappt hat. Ich war schon sehr gespannt auf die Location und natürlich auf viele Bands, denn das Line-up ist jedes Jahr eine hervorragende Mischung aus bekannten und etwas abseitigeren Gruppen.

park-2Doch zuerst ein paar Worte zur Location, die wirklich außergewöhnlich ist. Das NCN findet traditionell im Kulturpark Deutzen statt, einer wunderhübschen Parkanlage mit vielen Bäumen, Skulpturen und einigen Bühnen, die sich über das ganze Gelände verteilen. Händler- und Futterbuden sowie der Campingplatz liegen komplett im Wald und laden zum Verweilen ein; die Amphibühne, ein Steinrund, fasst etwa 2.500 Leute, die Parkbühne ist etwas kleiner und steht leider etwas ungünstig, sodass es hier öfters zu Staus kam. Am besten gefällt mir die Kulturbühne, die zu beiden Seiten von Ess- und Trinkständen beziehungsweise überdachten Sitzplätzen gesäumt ist. Außerdem gibt es noch die sogenannte Weidenbogenbühne, die kleinste aller Spielstätten, auf der einige Lesungen, aber auch normales Musikprogramm stattfinden.park-4
Durch die vielen Bühnen, von denen immer zwei gleichzeitig bespielt werden, verläuft sich das Publikum angenehm, wirklich eng wird es nur ganz selten. Es herrscht eine wunderbar entspannte, sehr familiäre Atmosphäre, man kennt sich.

Ein paar Neuerungen gibt es dieses Jahr, so zum Beispiel den dritten – kostenlosen – Parkplatz, der die Parksituation im Ort etwas entspannt; außerdem gibt es, da die Toilettenbenutzung dieses Jahr 50 Cent kostet, eine sogenannte „Pullerkarte“ zum Abknipsen – zehnmal Klo zum Preis von sieben Toilettengängen. Viele kritisieren diese Lösung, da umständlich (entweder Kleingeld oder Karte aus der Tasche fummeln), ein minimal höherer Ticketpreis wäre absolut vertretbar und würde den gleichen Zweck erfüllen, teuer (wobei man sich die Karte ja zu mehreren teilen kann und so die 3,50 € sicher verpullert und nicht draufzahlt) usw. Ich persönlich kann mich damit arrangieren, gebe auch sonst viel Trinkgeld auf anderen Festivals, wenn die Örtchen sauber sind, und finde 3,50 € für ein Festival verschmerzbar.
Die Essens- und Getränkeauswahl ist ebenfalls zufriedenstellend, auch für Vegetarier und Veganer, wenn man natürlich auch keine riesigen Ansprüche stellen darf; die Preise bewegen sich auch auf festivalüblichem Niveau, sind aber nicht überteuert.

Die Rahmenbedingungen stimmen also, kommen wir zur Musik. Drei volle Tage – Freitag ab spätem Nachmittag, Samstag und Sonntag ab Vormittag – gibt es Bands und Lesungen auf den vier Bühnen um die Ohren, zusätzlich dazu am Donnerstag noch eine Warm-up-Party, die ich allerdings verpasse.
Für mich geht es am Freitag mit dem britischen Projekt Naevus los, das auf der Kulturbühne sehr ruhigen, mit Akustikgitarre untermalten Neofolk präsentiert. Mir ist das ein wenig zu ruhig, weshalb es nach einem Orientierungsgang übers Gelände (und kurz Blind Passenger auf der Parkbühne anschauen) dann rasch weiter zur Amphibühne geht, auf der um kurz vor sieben Uhr abends die Isländer Legend spielen werden – mein legend-1absolutes Highlight und einer der drei Gründe für den Festivalbesuch. Bisher hat es nie geklappt, das Trio live zu sehen, und umso größer wird die Vorfreude von Minute zu Minute. Die hohen Erwartungen werden auch voll und ganz erfüllt, Krummi wirbelt wie ein wahnsinniger Derwisch über die Bühne, Halldor bedient stoisch und mit herrlich skurrilen Gesichtsausdrücken die Synthies, und Drummer Frosti hat den Spaß seines Lebens (vor allem als er nach dem letzten Song darum bittet, ihn später auf dem Gelände anzusprechen und mit Gras zu versorgen). Alle wichtigen Lieder werden natürlich gespielt, und von Song zu Song steigert sich die Euphorie im Publikum – Legend sind hier definitiv keine Unbekannten. Vor allem die polnische Delegation neben mir flippt dermaßen aus, als gäbe es kein Morgen (und lässt es sich nicht nehmen, Krummi einen Schal in den polnischen Landesfarben um den Hals zu legen, als dieser mal zur ersten Reihe vorkommt). Das große Finale aus „Runaway Train“ und „Benjamite Bloodline“ beschließt diesen denkwürdigen Auftritt, bei dem auch zwei neue Songs präsentiert wurden, die extrem vielversprechend klangen.
deutsch-nepalDanach geht es dann gemütlich weiter zur Kulturbühne, auf der Deutsch Nepal, das Industrial-/Dark-Ambient-Projekt des Schweden Peter Andersson auf dem Plan steht. Bisher war mir Deutsch Nepal nur dem Namen nach bekannt, nach dem Auftritt bin ich schwer beeindruckt. Unglaublich, was der Mann nur mit seiner Stimme und einigen silbernen Kästchen an Atmosphäre und Intensität aufbaut. Schwere, lärmige Kost, aber definitiv lohnenswert.
Etwas leichter verdaulich wird es danach auf der Weidenbogenbühne, als Psyche sich mal wieder die Ehre geben. Die Band erfreut sich nach vielen Jahrzehnten immer noch großer Beliebtheit, und dementsprechend voll ist es vor der wirklich viel zu kleinen Bühne, die Leute stehen bis in den benachbarten Stand des Verlages Edition Roter Drache hinein. Ab der dritten Reihe sieht man gar nichts mehr – aber das ist egal. Psyche absolvieren den besten Auftritt, den ich je von ihnen sah, die Stimmung ist großartig, alles tanzt und freut sich über Klassiker wie „Unveiling the Secret“, „Sanctuary“ oder „15 Minutes“, die Songs kommen auch ein wenig energischer und druckvoller rüber als sonst – Klasse, das hat wirklich großen Spaß gemacht!
Danach lasse ich den Abend gemächlich auf dem Gelände ausklingen, Die Krupps auf der Amphibühne können mich mit ihrem Metal-Programm nicht ganz so locken, die Zuschauerränge sind aber voll und die Band auf jeden Fall ein würdiger Headliner.

weiter geht’s zu Tag 2

(1776)