„’s war doch wie ein lautes Singen / In dem Backstage heute Nacht …“*

Die einen verbinden mit dem Stichwort „Ostern“ Eiersuche und Spaziergänge, die anderen laute Musik und haarige Luft. Wer zur letzteren Fraktion gehört, findet sich am Karsamstag pünktlich um 14 Uhr im Münchner Backstage ein, um sich die siebte Ausgabe des Dark Easter Metal Meetings zu geben. Zwei Tage, drei Bühnen, 34 Bands aus aller Herren Länder und 1.400 Besucher – die Zahlen allein machen dem Wort „FEIERtag“ alle Ehre. Auch in diesem Jahr ist das einzige Festival seiner Art in München restlos ausverkauft. Wer eines der Tickets ergattern konnte, findet sich glückselig am Backstage-Einlass ein, um sich sein Bändchen abzuholen und in diesen zweitägigen Konzertmarathon zu starten.

_DSC9108Die erste Show des Tages ist für Ewigeis zugleich die letzte, denn die Schwabmünchner, die fast schon traditionell das Dark Easter Metal Meeting eröffnen, hören auf. Schade, denn das Duo aus Saat (Gitarre, Vocals) und Drummer Angsul liefert äußerst soliden, angenehmen klassischen Black Metal der mittleren Geschwindigkeit, der zum Aufwärmen der Nackenmuskulatur bestens geeignet ist (und der uns auf vier Demos, die in den neun Jahren Bandgeschichte veröffentlicht wurden, erhalten bleibt). Der Club ist brechend voll, aber dieses Jahr ist zum Glück die Galerie offen, was für etwas mehr Bewegungsspielraum vor der kleinsten der drei Bühnen sorgt. Ewigeis‘ wie immer minimalistische Bühnenshow rückt die Musik (mit deutschen Texten) komplett in den Vordergrund; das „Dankeschön“, mit dem sich Saat nach einer halben Stunde Konzert verabschiedet, ist die erste Ansage, die wir von dieser Band je gehört haben. Danke, Ewigeis, für die schönen Konzerte in den letzten Jahren!

_DSC9158Bestens in Stimmung gebracht geht es nach nebenan in die Halle, wo Unlight nach einem majestätischen Intro die Bühne betreten und selbige auch ordentlich zerlegen – klassisches Corpsepaint und beeindruckende Stachelarmbänder inklusive. Nach anfänglichen Soundproblemen – ein infernalisches Dröhnen, das alles so zum Vibrieren bringt, dass selbst Zahnfüllungen locker werden – bekommen diejenigen, die sich einen Platz in der Halle sichern konnten, schnellen, schön rasenden Black Metal made in Baden-Württemberg zu hören (auch wenn einige der Bandmitglieder aus der Schweiz kommen). Das aktuelle Album trägt den Titel Antihelion, ist 2016 erschienen und kesselt auch live ganz ordentlich im Gehörgang, was neben dem Titelsong noch die beiden Nummern „Create and annihilate“ und „First son of flame“ beweisen. Insgesamt spielen Unlight eine gute Mischung aus alten und neuen Songs (die Band kann inzwischen auf eine 21-jährige Geschichte zurückblicken), bei der auch Gassenhauer wie „Fukked by the Devil“ (Inferno, 2005) und „The katalyst of the catharsis“ (2014) nicht fehlen durften.

_DSC9231Wer bei Unlight nicht mehr reinkam oder aus Luftmangel flüchtete – ein Schicksal, das uns die nächsten zwei Tage immer wieder ereilen sollte –, hatte jedoch keine Langeweile zu befürchten, denn mit zwei Essensständen und jeder Menge Merch, den es auf dem gesamten Gelände verteilt zu kaufen gab, war auch abseits der Konzerte einiges geboten. Und wer sich in die Backstage-Werkstatt verirrte, wurde sogar mit einem besonderen Schmankerl belohnt, denn Maler (und Musiker, At the Gates und Diabolique) Kristian Wåhlin hatte sein Zuhause in den schwedischen Wäldern verlassen, um in München seine genialen Bilder auszustellen und Drucke zu verkaufen. Der Name sagt euch nichts? Die Bilder dafür umso mehr: Wåhlin ist besser unter seinem Künstlernamen Necrolord bekannt und gestaltet CD-Cover, darunter für Dissection (unter anderem zu Storm of the light’s bane), Dark Funeral (The secrets of the black arts), Hypocrisy (A taste of extreme divinity) und viele, viele mehr (eine Liste gibt es auf der Facebook-Seite des Künstlers). Wåhlin signiert seine Kunstdrucke, die es schon ab zehn Euro in wirklich guter Qualität zu erwerben gibt, auch mehr als bereitwillig und ist auch zwischendrin immer wieder zu netten Gesprächen aufgelegt, sodass wir uns immer wieder zu kurzen Atempausen in der Werkstatt einfinden, wenn das Klingeln in den Ohren zu laut wird. Vom Veranstalter erfuhren wir dann, dass Wåhlin von sich aus angefragt hatte, ob eine solche Ausstellung denn möglich sei, da sie auf dem norwegischen Inferno-Festival so gut angekommen sei. Definitiv eines der Highlights in diesem Jahr!

Während wir uns noch glückselig unsere Bilder signieren lassen, spielen sich Noctem nebenan im Werk in Rage. Die Show selbst verpassen wir, weil wir rasch unsere signierten Kunstwerke im Auto in Sicherheit bringen und schon mal die ersten – vielen – Eindrücke des noch jungen Tages sacken lassen. Was man von den Spaniern so rüberdröhnen hört, klingt auf jeden Fall ansprechend – ein schön rumpelndes Black-Death-Gemisch. Dafür geht es dann frühzeitig zu Lebenssucht in den Club und zu Eïs in die Halle, die parallel spielen.

_DSC9345Nachdem Lebenssucht letzten Sommer anlässlich ihres Auftritts auf dem Sick Midsummer schon Band der Woche bei uns waren, bin ich (torshammare) sehr gespannt auf das Konzert und die Bühnenpräsentation der Philosophie von S Caedes und ihren Männern. Die Sängerin betritt blutüberströmt, im weißen Oberteil und weißem Reifrock, die Bühne und erweckt die Songs – ohne Ansagen und Songtitel, aber da war garantiert was von der aktuellen EP Fucking my knife dabei – leidenschaftlich und intensiv zum Leben. Manchen mag die Show mit dem vielen Blut, dem beeindruckenden Messer und den großen Gesten zum Depressive Black Metal übertrieben scheinen, auf mich wirkt sie stimmig und sehr emotional und authentisch. Der Sound könnte ein wenig besser sein, trotzdem ist die Show markerschütternd, die Leistung aller Musiker hervorragend (auch wenn es einigen von ihnen an diesem Tag gar nicht gut ging, darunter auch S Caedes, wie wir später von ihr erfahren) und ein erstes ungewöhnliches Highlight des Tages. Daumen hoch!

Eïs aus NRW haben 2012 mit dem Debütalbum Wetterkreuz, einem sehr lyrischen Konzeptalbum, aufhorchen lassen; inzwischen ist neben dem Nachfolgealbum Bannstein (2015) auch eine EP mit dem Titel Stillstand und Heimkehr (2018), von dem der Titelsong gegeben wird, erschienen. Eigentlich ein Duo, bestehend aus Alboîn (Gesang, Saiten, Keyboards) und Gitarrist Abarus, holen sich Eïs für die vierzigminütige Show Unterstützung von drei Live-Musikern und liefern ein intensives, atmosphärisches Konzert, das sicherlich dem ein oder anderen ordentliche Nackenschmerzen bereitet haben dürfte. Die Musik fängt einen selbst in der bombenvollen Halle sofort ein, und wer nicht eifrig den Kopf schüttelt, lauscht gebannt den überlangen Stücken mit deutschen Texten, darunter „Über den Bannstein“ und der Gänsehaut-Garant „Mann aus Stein“.

_DSC9440Anschließend stehen Dark Fortress im Werk auf dem Programm, die sich ordentlich ins Zeug legen müssen, um ihre beiden eindringlichen Vorgänger zu toppen. Musikalisch lassen sich die drei Kandidaten nicht vergleichen, und Dark Fortress liefern auch auf gewohnt hohem Niveau. Die Landshuter um Sänger Morean (der immer noch nicht ganz an den Fürchtfaktor seines Vorgängers herankommt, aber das muss er auch gar nicht) und Gitarrist V. Santura (auch aktiv bei Triptykon und Inhaber des Woodshed-Studios), machen seit vielen Jahren die Bühnen der Black-Metal-Szene unsicher, sind in München aber tatsächlich selten vertreten, weshalb das Publikum dem Auftritt auch gespannt entgegenfiebert. Auf ein neues Album müssen wir immer noch warten, scheint es, aber durch die Neuveröffentlichung zweier alter Werke (Profane genocidal creations sowie Tales from eternal dusk) liegt der Songfokus sowieso ein wenig auf altem Material, was heute überhaupt keinen stört. Die Band schafft es wie immer, eine mächtige und alles plattwalzende Stimmung auf der Bühne zu erzeugen, die sich auf das ordentlich abgehende Publikum überträgt. Nach dem Eröffnungsrumpler „I am the jigsaw of a mad god“ vom Veneral-Dawn-Album (2014) bekommen wir unter anderem mit „Misanthropic invocation“ oder „Blood of the templars“ wunderbare Schmankerl des abgrundtief bösen, aber trotzdem irgendwie charmanten Black Metals geboten, bevor der Auftritt mit „The valley“ von Ylem schon wieder vorbei ist. Vorbei ist damit leider auch die fast achtzehnjährige Bandkarriere von Basser Draug, der die Band aus persönlichen Gründen verlässt. Danke für viele tolle Konzerte!

_DSC9505Einzig die Technik vermiest einigen das ansonsten perfekte Konzert, denn nach den ersten drei Songs fängt irgendwas an, auf einer dermaßen ätzenden Frequenz zu brummen, dass einige Besucher eiligst das Werk verlassen. Ist ja ohnehin Zeit fürs Abendessen, und dann geht es ja auch schon weiter mit Sun of the Sleepless, dem hochgelobten Projekt von Ulf Theodor Schwadorf (The Vision Bleak). Seit 1999 aktiv, mussten wir auf das erste Album warten, bis die Band volljährig war: 2017 erschien, nach diversen EPs, endlich To the elements, dessen ersten beiden Lieder „Motion“ und „The owl“ das Konzert eröffnen und dessen letzter Song „Phoenix rising“ (eine gelungene musikalische Verneigung vor J. R. R. Tolkien) es beschließt. Dazwischen geht es mit „Nebelmond“ in die Anfangszeiten der Band zurück, „Romanze zur Nacht“ von der Split-EP mit Nachtmahr und „Where in my childhood lived a witch“ sowie „In the realm of the bark“ von der Elements runden das Ganze ab. Die Stimmung in der Halle ist super; dass man sich keinen Zentimeter bewegen kann, stört niemanden – wohl aber der Soundfresser, der auch hier leider wieder zugeschlagen hat: von Schwadorfs Gesang sind anfangs nur die Lippenbewegungen zu erkennen, und auch sonst muss sich der Klang erst noch sortieren, was ein paar Lieder dauert. Doch auch so merkt man, was für hochklassiges, schroffes und spannendes Material Sun of the Sleepless hier präsentieren, was das Publikum mit fliegenden Haaren, gereckten Fäusten und viel Begeisterung honoriert. Die beiden Feuerschalen, die auf schmalen, mit Knochen geschmückten Baumstämmen gefährlich nahe am Bühnenrand und in Reichweite des Publikums aufgestellt sind, bekommen diese Begeisterung dann voll ab, denn jemand schafft es tatsächlich, eine davon umzustoßen, was nicht nur die Säule beschädigt, sondern auch den Vorhang in Mitleidenschaft zieht. Später erfahren wir, dass da wohl Absicht dahintersteckte und der- oder diejenige sogar des Geländes verwiesen werden musste – der einzige wirklich ernste Zwischenfall auf dem ansonsten friedlich-fröhlichen Festival.

Zu Commander, die parallel dazu im Club spielen, schafft es keiner von uns, zu voll die Halle, zu schwer der Weg. Wenn’s aber auch nur annähernd so ein Abriss war wie vor zwei Jahren, dann haben wir was verpasst bei den Münchner Death-Urgesteinen. Unser Pech. Beim nächsten Mal wieder!

_DSC9586Also schnell rüber ins Werk, denn hier kündigen sich große Dinge an: Bethlehem gewähren eine ihrer seltenen Bühnenaudienzen, und dann auch noch mit Onielar von Darkend Nocturn Slaughtercult am Mikro – der Auftritt ist eine Weltpremiere. Präsentiert wird natürlich das aktuelle Album Bethlehem aus dem Jahr 2016, auf dem Onielar schon zu hören ist. Vor diesem Auftritt liegt eine merkbare Spannung in der Luft, die sich bei den ersten beiden Songs vom neuen Album, „Fickselburger Panzerplauze“ und „Kalt‘ Ritt in leicht faltiger Leere“ voll entlädt. Zugegeben, keiner von uns ist ein großer Bethlehem-Fan, doch in dieser Kombination – Musik und Stimme – gefällt das Material sehr gut. Onielar zeigt sich ganz in zivil und ungeschminkt, wäre da nicht die markante Haarpracht, hätte man sie sicher nicht gleich als die diabolische Sängerin ihrer Hauptband erkannt. Sie ist dann auch eindeutiger Mittelpunkt und Blickfang auf der Bühne, präsentiert relaxed, aber deshalb nicht weniger eindringlich neue, aber auch ältere Songs wie „Aphel die schwarze Schlange“, „Gestern starb ich schon heute“ oder „Tagebuch einer Totgeburt“. Ihre wahnsinnige Performance am Mikro rundet das Gesamtkonzept der Band perfekt ab und macht sie in ihrer Intensität gleichzeitig zugänglicher, besser begreifbar. Bethlehem in dieser Form? Jederzeit wieder!

Nach einer kurzen Halbzeitpause – nebenbei zerlegen die Bayern die armen Dortmunder auf der Fußballleinwand – kommen wir ein wenig zu spät in die Halle, um uns die allseits gefeierten Ultha aus Köln anzuschauen, und bekommen dabei zu spüren, was das ganze Festival hindurch immer wieder zum Problem werden wird: Man darf nicht eine Minute zu spät kommen, sonst sind die jeweiligen Locations rettungslos überfüllt. Sorry, Ultha, ihr wart super, das haben wir schon nach ein paar Minuten gehört, und der Publikumszuspruch bestätigt diese Einschätzung, aber ohne Atemluft kein Konzert. Wir begnügen uns bis zum nächsten Auftritt in unseren Breiten mit dem sehr hörenswerten Album Converging sins (2016) und freuen uns auf ein (Wieder-)Sehen.

_DSC9675Stattdessen flüchten wir uns in den Club, in den wir tatsächlich noch reinkommen, und schauen uns die äußerst unterhaltsame 20-Jahre-Bühnenjubiläumsshow des Münchner Quintetts Pequod an, die offensichtlich vor Freunden, Familie und anderen eingefleischten Fans stattfindet. Will sagen, die Atmosphäre ist sensationell, der Death-Thrash wird gnadenlos abgefeiert, und gelacht wird dabei auch viel: „20 Jahre Bühnenjubiläum, und da hamma uns denkt, uns schenkt eh koana wos, da schenga mia eich wos!“ Hoffnungsvoller Ruf aus dem Publikum: „Freibier?“ – „Naa, koa Freibier, des is z’teia. Aber ihr kriagt’s T-Shirts, für jedes Jahr eins.“ Dann regnet es tatsächlich bedruckte Stoffstücke, sogar Größenwünsche werden erfüllt – supernette Aktion, dann geht’s weiter mit Haareschütteln und Fäusterecken zu „Forgotten“, dem Titeltrack des ersten und bisher einzigen Albums. Nick Kolar kommt zu „A hunter’s tale“ auf die Bühne, also kriegen wir doch noch ein bisschen Commander ab. Alles in allem liefern die Münchner eine runde Show, und bei dem groovig-thrashigen Death’n’Roll bleibt kein Kopf ungeschüttelt!

_DSC9725Dann ist es auch schon Zeit, zu Shining ins Werk zu eilen. Wie Herr Kvarforth wohl drauf ist? Die Signierstunde hat er zur großen Freude aller Anwesenden ungewohnt aufgeräumt und freundlich absolviert, das lässt doch hoffen für den Auftritt. Unter den Fotografen macht sich trotzdem leichte Unruhe breit, man weiß schließlich nie, was der unberechenbare Schwede mit diesen Menschen und ihrem Arbeitsgerät direkt vor der Bühne anstellt. Oder mit sich selbst. Doch nach dem Intro eines entzückenden schwedischen Liedes kommt die Band auf die Bühne, und Niklas Kvarforth zeigt sich entspannt, spielfreudig und überaus leutselig. Zumindest auf der rechten Grabenseite verteilt er Streicheleinheiten und Gratis-Alkohol an die Fotografen (links jagt er dafür einem Kollegen einen kleinen Schrecken ein, alles geht aber gut aus), posiert – wenn er mal eine Sekunde stillsteht – und haut uns einen depressiven Songbatzen nach dem anderen um die Ohren. Paradoxerweise mit einem entspannten Lächeln, aber bei dem Mann überrascht einen ja so schnell nichts. Material vom aktuellen Album X – Varg utan flock („Han som lurar inom“, „Jag är din fiende“) trifft auf ältere Songs („Hail darkness hail“ und „For the god below“ vom 2012er-Album Redefining darkness oder „Ohm“ von VI – Klagopsalmer, das Cover der legendären norwegischen Band Seigmen, die übrigens wieder aktiv sind und zum Beispiel im Mai auf dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig spielen!); rasende Brutalität trifft auf leisere Töne – funktioniert, das Publikum hängt ihm an den Lippen und feiert die Band gnadenlos ab. Manche warten dabei vergeblich auf mehr Wahnsinn, mehr Depressivität, mehr Selbstverletzung, aber es schadet auch nichts, wenn die Musik im Mittelpunkt steht. Sicher nicht für alle ein adäquater Ersatz für Taake, wenn man sich mal die Masse der diesbezüglichen T-Shirts und Patches im Publikum ansieht, aber ein gelungener (und unblutiger) Auftritt. Suveränt, wie der Schwede sagt!

_DSC9780Deswegen sind wir einmal mehr zu spät dran, um noch in die Halle zu kommen – Agrypnie haben aber, wenn man den glücklichen Gesichtern hinterher glauben darf, einmal mehr ordentlich geliefert. Stattdessen also zu einer Band, die wir bisher nur durch unser Band-der-Woche-Interview und einen kurzen musikalischen Eindruck kennen und uns schließlich rundum begeistert: Enisum vom Fuße der Alpen im Nordwesten Italiens. Das Mikro ist versteckt in einem toten Baum, der mehr wie ein Kunstwerk denn wie etwas natürlich Gewachsenes aussieht, auf und zwischen den Monitorboxen flackern Kerzen, die Nebelmaschine ist im Dauereinsatz – es verspricht, eine so mystische wie eindringliche Show zu werden, was uns ein von einem früheren Auftritt der Band immer noch restlos begeisterter Fan gerne bestätigt. Dann legen Enisum mit „Balance of insanity“ vom aktuellen Album Seasons of desolation los: rasender und gleichzeitig verträumter Black Metal der atmosphärischen Art, bei dem man die Augen schließen und sich davontragen lassen kann. Übergangslos geht es weiter mit „Snowstorm“ vom selben Album, ehe es mit „Still life“ zurück ins Jahr 2014 und dem Album Samoth nara geht. Die letzten drei Lieder, „Alpine peaks“, „The place where you died“ und „Desperate souls“ stammen vom genialen letzten Album Arpitanian lands, das in keiner Atmospheric-Black-Metal-Sammlung fehlen darf. Nach vierzig Minuten ist der Auftritt viel zu schnell wieder vorbei, und man bedauert fast die Agrypnie-Fans, die diese einmalige Band verpasst haben. Enisum konnten selbst nach den vielen, vielen Eindrücken dieses Tages noch mal begeistern – fast bis zur Selbstverstümmelung, denn der enthusiastische Fan ganz vorne an der Bühne schüttelte die Haare gefährlich nahe am Kerzenleuchter …

_DSC9873Traumwandlerisch schweben wir zurück ins Werk zum vorletzten Konzert für diesen Tag, das das Enisum-Kontrastprogramm schlechthin bietet: Bloodbath geben sich die Ehre! Die Schweden, die sich live immer schon sehr rar gemacht haben, wurden schon den ganzen Tag mit Spannung und großer Vorfreude erwartet, das Werk ist proppenvoll, und als Nick Holmes im langen, engen Kaftan und mit kunstblutverschmiertem Gesicht die Band mit „We’re Bloodbath from Sweden!“ vorstellt und sofort losröhrt, gibt es kein Halten mehr – weder in der ersten noch in der letzten Reihe. Spätestens beim zweiten Stück nach dem Opener „Let the stillborn come to me“ vom aktuellen, wenn auch schon älteren Album Grand morbid funeral, dem zehn Jahre alten „Iesous“ von der Fathomless mastery, ist die Luft so haarig wie im Friseursalon. Mit sichtlichem Vergnügen kreischt, grunzt und growlt Nick sich durch die Discografie; von der ersten EP Breeding death aus dem Jahr 2000 („Breeding death“) über das Debütalbum Resurrection through carnage („So you die“, „Like fire“ und „Bathe in blood“), Nightmares made flesh („Cancer of the Soul“ und das letzte Stück des Abends, „Eaten“), der EP Unblessing the purity („Weak aside“) bis hin zum aktuellen Album, von dem außerdem noch „Anne“, „Church of vastitas“ und „Beyond cremation“ gegeben werden, ist tatsächlich von jeder Veröffentlichung ein Stück dabei. Sogar das Cancer-Cover „Blood bath“ von der Split-CD mit Autopsy (2017) wird gegeben – so sieht wohl schwedische Gründlichkeit aus. Und die macht allenthalben glücklich, nicht nur im Publikum, sondern auch auf der Bühne: Nick hat sichtlich Vergnügen am räudigen Sound und gibt stimmlich alles. Nach anderthalb Stunden Death Metal voll auf die Zwölf tragen uns nur noch die Endorphine zum letzten Konzert des Abends, obwohl Körper und Geist eigentlich schon „Tilt“ melden.

_DSC9921Doch Aura Noir, die – nach eigener Aussage – „hässlichste Band der Welt“, die zusammen mit Shining ins Billing gerutscht sind, nachdem Helheim und Taake absagen mussten, wollen wir uns auf keinen Fall entgehen lassen, also schleppen wir unsere Kadaver in die Halle. Doch die Müdigkeit ist schnell verflogen, als Blasphemer, Aggressor und Apollyon um kurz nach Mitternacht auf die Bühne kommen und uns ihren ordentlich angepunkten Thrash Metal um die Ohren hauen, der prompt einen amtlichen Moshpit auslöst. Woher die Leute diese Energie nehmen, ist uns ein Rätsel – zumal die energiereichsten unter ihnen von der Security entfernt werden müssen. Insgesamt verläuft dieser letzte Ausbruch aber friedlich, sodass alle, bis zur letzten Reihe, noch einmal ordentlich Spaß haben. Im Gepäck haben die Norweger ein brandneues Album, Aura noire, aber auch die Klassiker von der Black thrash attack (1996) und Deep tracts of hell (1998) dürfen natürlich nicht fehlen. Um ein Uhr stolpern wir tot, aber glücklich zum Auto (Just Before Dawn müssen leider ausfallen – Sorry!), um uns anschließend mit der Schranke ein letztes Gefecht zu liefern – so viele Seiten kann ein Parkschein gar nicht haben! Bei der Heimfahrt steht hauptsächlich eine Frage im Raum: Wie um alles in der Welt soll dieser Festivaltag getoppt werden?

————————————————–
*frei nach Joseph von Eichendorff (1788-1857)

Text: torshammare und Nekrist
Bilder: torshammare
Dark Easter Metal Meeting 2018, Teil 2

(16332)

1 Kommentar

Trackbacks & Pingbacks

Kommentare sind deaktiviert.