Wasser, Sand, Musik – nein, wir waren nicht auf Ibiza!



Zehn Jahre Amphi, neun Jahre Tanzbrunnen Köln – eine stolze Leistung, die die Fans wieder mit einem ausverkauften und hochgradig friedlichen und entspannten Festival würdigten. Die Veranstalter hatten zum großem Jubiläum eine Menge Stars der Szene verpflichtet – so standen zum Beispiel große Namen wie Eisbrecher, Blutengel, Lacrimosa, Front 242, Apoptygma Berzerk, Project Pitchfork, Midge Ure und die Krupps auf dem Programm. Die im letzten Jahr überaus erfolgreiche Schifffahrt auf dem Rhein mit Konzerten (diesmal sogar noch mit einer zweiten Fahrt am Sonntagabend und Akustikkonzerten von unter anderem Ronan Harris und Sven Friedrich) fand eine Fortsetzung. Da konnte doch eigentlich nichts mehr schiefgehen – oder? 

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Doch von Anfang an: Den Freitagabend verbrachte ich wie schon letztes Jahr auf der MS RheinEnergie, dem auf 1.111 Karten limitierten (und schon lange im Vorfeld restlos ausverkauften) Einstimmungsevent auf dem Rhein. Nach der krankheitsbedingten Absage von Suicide Commando hatten die Veranstalter hochkarätigen Ersatz in Form von Agonoize gefunden – und damit meinen Geschmack leider so gar nicht getroffen, weswegen es an dieser Stelle auch keinen Bericht zum Auftritt gibt. Ich verbrachte die Zeit lieber entspannt an Deck, plauderte mit Freunden und genoss die einzigartige Atmosphäre des lauen Sommerabends auf dem Rhein.

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Später ging es jedoch nach unten in den Konzertraum, Project Pitchfork hatten ein Oldschool-Set angekündigt, das auch wirklich keine Wünsche offen ließ (bzw. in mir das dringende Bedürfnis weckte, mich endlich mal eingehender mit Pitchfork zu beschäftigen), zumindest deuteten die unglaublich euphorischen Publikumsreaktionen darauf hin. Wirklich der gesamte Raum vor der Bühne war während des ganzen Auftritts in Bewegung, bis in die hintersten Reihen wurde getanzt und gejubelt, und die Band hatte sichtlich Spaß an diesem sicher nicht alltäglichen Auftritt. 
Die (hoffentlich vollständige und richtige) Setlist könnt ihr bei setlist.fm nachschauen, gespielt wurden auf jeden Fall Klassiker wie „Alpha Omega“, „Souls“, „Antidote“ oder „Entity“, die ein Großteil des Publikums fehlerfrei mitsingen konnte. Schönes Konzert, tolle Atmosphäre, die Schifffahrt hat sich wieder mal voll und ganz gelohnt. 

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amphi-5Am Samstag ging es bei mir dann erst am Nachmittag auf das Gelände, die Sonne brannte unerbittlich, es war furchtbar schwül, und die übliche Festivalstimmung wollte sich bei mir noch nicht so richtig einstellen. Glücklicherweise ging es den meisten anderen nicht so, denn als ich um kurz vor halb vier am Tanzbrunnen ankam, heizten auf der Außenbühne schon
Lord of the Lost
einer riesigen Menschentraube ordentlich ein. Da ich recht schnell zu Zeromancer ins Staatenhaus weiterwollte, blieb ich nur kurz stehen, doch der Lord und seine Mannen hatten das Publikum anscheinend gut im Griff und legten einen professionellen Auftritt hin. 



 


amphi-6Auf die Norweger Zeromancer, die ich noch aus ihren Zeiten als Seigmen kenne, hatte ich mich schon lange gefreut. Die Musik ist mittlerweile sehr viel eingängiger und massentauglicher, was aber kein Nachteil ist. Die Jungs sind unglaublich sympathisch und schienen sich sehr über den jubelnden Beifall des Publikums zu freuen, das zu Songs wie „Clone your Lover“, „Something for the Pain“, „Need you like a Drug“, „Doctor Online“ oder „Sinners International“ richtig gut abging. Ein schöner Auftritt und eine gute Einstimmung auf zwei Tage Amphi!


amphi-7Danach wurde es ein wenig elektronischer und tanzbarer, Aesthetic Perfection boten wieder mal viel Spaß und eine mitreißende Show, vor allem von dem keine Sekunde stillstehenden Daniel Graves. „Oh Gloria!“, „Antibody“, „Lights out“, „Big bad Wolf“ und viele mehr heizten die Menge an, die bereitwillig bis in die hintersten Reihen im Staatenhaus das Tanzbein schwang oder zumindest sehr energisch mitwippte. Gerne wieder und gerne mal etwas später in der Running Order!




Als Kontrast gab es dann für mich Hocico auf der Außenbühne – leider stand ich sehr weit hinten, sodass es a) keine Bilder gibt und b) ich nicht mal erzählen kann, was auf der Bühne geschah. Zu hören gab es jedenfalls als Einleitung eine Mariachi-Band, die uns einige spanische Weisen vorsang – ungewöhnlich, aber gut und eine schöne Abwechslung zu den sonstigen harten Elektro- oder Gitarrenklängen. Das Hauptset der Mexikaner war dann natürlich hellelektrisch brachial wie immer, die Show muss auch gewohnt gut gewesen sein, alles tanzte und wurde von Songs wie „Dead Trust“ „Forgotten Tears“ oder „Poltergeist“ mitgerissen. Als Ausklang gab es noch mal die Mariachi-Band mit „Tequila“, bei dem sich das Publikum langsam, aber mittanzend zerstreute. 

amphi-8Ich ging danach wieder zurück ins Staatenhaus, um The Klinik anzusehen, eines der legendären Projekte des Belgiers Dirk Ivens. Wie üblich kamen die beiden Bandmitglieder in langen schwarzen Ledermänteln und mit weißen Stoffmasken vor dem Gesicht auf die minimalistische Bühne und legten ohne Umschweife los. Natürlich fehlten die Hits wie „Moving Hands“, „Sick in your Mind“ oder „Quiet in the Room“ nicht, doch die Qualität des Auftritts war vom ersten bis zum letzten Augenblick sehr, sehr hoch. Und glücklicherweise war hier der Sound auch exzellent – für das Staatenhaus an sich ja schon bemerkenswert, doch auch auf das gesamte diesjährige Amphi bezogen ist dies eine Erwähnung wert. Aber dazu später mehr. The Klinik – irgendwann ohne schwarze Mäntel, man machte sich schon Sorgen, ob die Herren wohl bald einen Hitzschlag erleiden – spielten ein fantastisches Set, an das andere Bands erst mal herankommen müssen.

Das gleiche sollte dem Headliner der Außenbühne am Samstag, Front 242, ja eigentlich mühelos gelingen. Zweifelt daran jemand? Nein, hatte ich auch nicht. Doch es kam alles anders …


amphi-9Eine erwartungsvolle Menge hatte sich vor der Außenbühne versammelt, stand schon in Tanzpositur und wartete auf die großen Helden des EBMs. Das Konzert begann auch pünktlich, allerdings war schon nach wenigen Takten von „Happiness“ klar, dass irgendetwas nicht stimmte. Der Sound kam nur mit halber Kraft beim Publikum an, und auch auf der Bühne wirkte man irritiert und etwas gehemmt. Richtig katastrophal wurde es dann bei „Im Rhythmus bleiben“ (nomen non est omen), als die beiden Sing-/Sprechstimmen überhaupt nicht mehr miteinander harmonierten. Schließlich brach die Band den Auftritt mit den Worten „It’s impossible! We can’t do it!“ ab und verschwand von der Bühne, was leisen Unmut im Publikum hervorrief. Nicht wegen der technischen Probleme – die können vorkommen, und bei Front ja doch auch öfter mal –, sondern weil man so ohne Info oder Entschuldigung zurückgelassen wurde. Das übernahm dann ein Amphi-Sprecher, es wurde eifrig auf der Bühne gestöpselt und gebastelt, man bemühte sich nach Kräften – doch es sollte mindestens eine halbe Stunde dauern, bis der Auftritt fortgesetzt werden konnte. Danach klappte dann zumindest alles, und wir konnten noch zu Klassikern wie „Headhunter“, „Welcome to Paradise“ oder „Body to Body“ mitstampfen. 

Doch da auf der Außenbühne nicht eine Minute überzogen werden darf, war es ein eher kurzes Vergnügen. Ich selbst habe mich im Nachhinein geärgert, nicht zu Midge Ure ins Staatenhaus gegangen zu sein (was viele gemacht haben und euphorisch waren), aber ich hätte auch nicht mit einer so langen Unterbrechung gerechnet. Insgesamt haben Front 242 das Ganze noch gut über die Bühne gebracht. Der Grund für die technischen Probleme kann auf Facebook oder anderen Seiten nachgelesen werden, das muss hier nicht noch mal lang und breit aufgewärmt werden.
Ich habe den Abend dann im Beach Club ausklingen lassen – im Staatenhaus spielten noch Camouflage und Project Pitchfork, vor allem Letztere wären verlockend gewesen, aber für mich an dem Abend zu spät. 


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