La Grande Dame und der Streetart Künstler

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Der mittlerweile 35-jährige Streetart Künstler und Fotograf JR und die 90jährige Regisseurin Agnès Varda wurden irgendwann aufeinander aufmerksam. JR kannte Agnès Vardas Werk, und diese wurde wegen seiner geklebten überdimensionalen Gesichter und Augen auf ihn aufmerksam.Die Filmemacherin sprach ihn an, und nach einem Kennenlernen machten sie sich auf einen gemeinsamen Weg. Sie fuhren mit einem „Fotomobil“ (ein Transporter, der zum mobilen Fotolabor umgebaut wurde) in ganz Frankreich herum. Die beiden suchten nach großen Gebäuden, Wänden, Häusern, auf die man riesige, im Fotomobil fotografierte und danach ausgedruckte Bilder aufkleben konnte.

Von einem Dorf zum nächsten fahrend suchten sie interessante Menschen und Geschichten. Sie kamen von einer alten Frau, die ihr Haus nicht verlassen will, zu einem Bauern, der ganz alleine hunderte von Hektar Land bewirtschaftet, zu Ziegenbauern, die ihren Ziegen die Hörner abbrennen, und nebenan zu Bauern, die dies genau nicht tun. Ein Briefträger hatte eine Geschichte, ein verlassenes Dorf wurde zu einem Happening wiederbelebt, eine Bedienung in einem Café kam im Großformat an der Wand zu großem, eigentlich nicht gewolltem Ruhm, und woanders zeigten Frauen überlebensgroß an Containern Solidarität mit ihren Männern, die am Hafen arbeiten und für bessere Bedingungen kämpfen. Solidarität und Menschlichkeit – zu Mensch und Tier – ist das verbindende Element.
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„Indem wir die Porträts vergrößern, machen wir kleine Momente groß, und zwar im Leben von Leuten, die nicht im Scheinwerferlicht stehen.“, sagt JR. Er wie auch Agnès Varda teilen beide die Leidenschaft für die Fotografie und für besondere Orte. Diese Orte wie auch Menschen fanden sie, und deren überlebensgroße Porträts kamen an Scheunen, Mauern, Fassaden, Züge und Container.
Doch nicht zuletzt ist der Film auch die Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft, die während der Dreharbeiten entstand. Beide gehen entspannt, empathisch und liebevoll miteinander um, kümmern sich, necken sich. Es ist keine Oma-Enkel-Geschichte, es ist ein respektvoller Umgang miteinander. Durch ihren großen Erfahrungsschatz weiß eine Agnès Varda, dass man auch in jungen Jahren schon Großes schaffen kann (es kommen immer mal wieder ihre eigenen Filme zur Sprache, sie hatte auch schon früh Erfolg), und JR scheint die Dame zu schätzen und auch ein bisschen zu verehren, auch wenn er sie zwischendurch liebevoll neckt und auch ihr Alter nicht auf lächerliche Art und Weise herunterspielt. Sie ist nun mal fast 90, sie hat Schmerzen beim Gehen, sie sieht nicht mehr so gut. Trotzdem sieht sie, dass er einfach immer einen Hut aufhat und seine Sonnenbrille nicht abnimmt, egal ob die Sonne scheint oder nicht – wie der junge Jean-Luc Godard damals. Fotos von ihm spielen im Lauf des Films immer wieder eine Rolle, und gegen Ende des Films gibt es noch eine kleine, seltsame, rührende Story.

Hervorzuheben sind in diesem respektvollen Film auch die liebevoll gezeichneten Hauptfiguren in Vorspann und Abspann sowie die Musik von Matthieu Chedid, einem französischen Rocksänger und Gitarristen, auch bekannt unter seinem Pseudonym -M- (und Agnès Vardas Sohn). Ich musste sofort meine Nouvelle Vague CDs hervorkramen, ZAZ hören und -M- auf Spotify suchen.

Der Film ist eine Inspiration für Cineasten, für Streetart Fans und für Menschen mit Freude an außergewöhnlichen Freundschaften und Begebenheiten.

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Augenblicke: Gesichter einer Reise
Drehbuch und Regie: JR, Agnès Varda
Musik: Matthieu Chedid
Produktionsland: Frankreich
Erscheinungsjahr 2017
Start in Deutschland: 31.5.2018, 94 Minuten

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