Offenen Auges nichts sehen

mein blind date mit dem leben

Es beginnt mit einem blinden Fleck im Sehfeld, der sich rasend schnell ausbreitet, dann folgt eine Augen-OP, es verbleiben fünf Prozent Sehstärke. Saliya ist niedergeschmettert. Aus scheint der Traum vom Abitur und der Ausbildung im Hotel. Doch er lässt sich nicht abbringen. Seine Schwester Sheela lernt mit ihm, und er schafft das Abitur. Der nächste Schritt ist die Ausbildung. Er will nach München, ausgerechnet ins Nobelhotel Bayerischer Hof, mitten im Gewimmel der Innenstadt. Wieder ist es Sheela, die die Lage im Hotel eruiert, wieviel Schritte nach der Drehtür, wo wird der Personalleiter stehen, wie mit der Situation umgehen? Lieber als erster die Hand zum Schütteln ausstrecken, weil er sein Gegenüber ja nicht sehen kann. Und tatsächlich: Er bekommt den Ausbildungsplatz. Nun heißt es den Weg von seiner Wohnung zum Hotel zu üben. Dann ist er da, der erste Tag.

Und man bibbert, was werden da für Hindernisse kommen, wie kann er das denn schaffen, fast blind? Aber er hat einen Verbündeten, sein Ausbildungskollege Max, der ihm hilft. Saliya hat einen übermannsgroßen Willen, dies zu schaffen. Er muss einfach viel mehr üben als jeder andere, soviel, bis er die jeweiligen Handgriffe „blind beherrscht“. Doch es gibt natürlich Situationen und auch Personen, die ihn zum Straucheln bringen. Und dann lernt er auch noch Laura kennen, die blonde Frau mit dem Zopf und der angenehmen Stimme. Er bekommt sogar ein Date mit ihr. Er will ehrlich zu ihr sein und ihr das mit der Behinderung sagen – nur nicht gleich beim ersten Mal. Er verliebt sich und verbringt viel Zeit mit ihr und ihrem kleinen Sohn, er muss überdimensional viel Zeit in seine Ausbildung investieren, und noch dazu hat er ein Geldproblem. Und so kommt Saliya ins Straucheln.

Dieser Film, der als Tragikomödie vermarktet wird, ist spannend wie ein Krimi. Natürlich gibt es lustige Situationen, Momente, in denen man lachend aufatmet, oder das Zusammenspiel mit Kumpel Max, aber die Spannung überwiegt. Man kann nicht fassen, wie der junge, fast blinde Mann das alles schafft. Wie er aus manchen Situationen rauskommt, wie er Leute täuschen kann, und falls er sie nicht täuschen kann, wie er sie für sich gewinnen kann. Kostja Ullmann ist die Idealbesetzung für diese Rolle. Das Casting-Team hatte überhaupt ein Händchen mit seinen Schauspielern. Große Namen wie Held, Bittenbinder, von Bülow, Grimm, Mühe, prominent und äußerst charmant besetzt in den kleineren Rollen, und die großen Rollen toll ausgefüllt von jungen Schauspielern wie Jacob Matschenz und Nilam Farooq.

Man könnte den Film vielleicht abwinken und sagen: „Unrealistisch“. Denn manchmal gelingen Saliye Dinge, die schon an Superheldentum erinnern. Er basiert aber auf einer wahren Geschichte. Der nun 47jährige Saliya Kahawatte hat in Hamburg in einem Hotel seine Ausbildung gemacht. Er konnte jahrelang über seine Sehbehinderung hinwegtäuschen. 2009 veröffentlichte er sein Buch „Mein Blind Date mit dem Leben“. Die in Kahawattes Biographie geschilderten Selbstmordversuche und Depressionsanfälle lässt der Regisseur außen vor. Schließlich und endlich sollte es ja doch auch noch ein Feel-Good-Movie sein, und das ist gelungen.

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Mein Blind Date mit dem Leben
Regie: Marc Rothemund
Nationalität: Deutsch
Filmstart: 26. Januar 2017, 1 h 51 Min.
Cast: Kostja Ullmann, Jacob Matschenz, Anna Maria Mühe, Nilam Farooq, Johann von Bülow, Michael A. Grimm, Alexander Held, Sylvana Krappatsch, Johanna Bittenbinder und Saliya Kahawatte als er selbst

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