Schmuddeliger, griesgrämiger Gott in Brüssel

testament

Ein Leben wie Gott in Frankreich? Das klingt weit besser, als es in Wirklichkeit um Gott bestellt ist: Gott ist ein grantiger Mann im schmuddeligen Unterhemd in einer trostlosen, dunklen Dreizimmerwohnung in Brüssel. Er tyrannisiert seine Frau, seine Tochter Éa, und er hat Jesus tyrannisiert, bis dieser sich abgeseilt hat. Er tyrannisiert auch die gesamte Menschheit: Er hat sie geschaffen, um sie zu schikanieren, mit großen und kleinen Krankheiten zu strafen oder einfach mit Unannehmlichkeiten zu quälen. In seinem Computerraum, in dem er die Karteien aller Menschen hat, überwacht und drangsaliert er diese. So ist es kein Wunder, dass sich die 10jährige Éa eines Tages an ihm rächt: Sie kommt an seinen PC ran und schickt eine SMS an alle Menschen auf der Welt: An ihre Smartphones sendet sie deren Sterbezeitpunkt.

Sie verändert damit das Leben und die Verhaltensweisen der Schäfchen Gottes. Die einen werden übermütig und machen sich einen Spaß daraus, sich ungestraft lebensgefährlichen Kapriolen auszusetzen, andere hören schlagartig zu arbeiten auf, wieder andere verändern ganz gravierend ihr Verhalten und ihr Leben. Éa weiß, dass sie es eigentlich übertrieben hat, dass sie nun gehen muss und will, und sie holt sich bei ihrem Bruder einen Rat, wie sie die ganze Menschheit und auch sich und ihre Mutter vor Gott retten kann. Das Testament muss brandneu umgeschrieben werden. Und es müssen sechs neue Apostel gefunden werden. Denn achtzehn sind weitaus besser als zwölf. 18 ist zudem die Lieblingszahl ihrer Mutter. Mit 18 Aposteln könnte es klappen, das ganze Elend umzuschreiben und zu einem guten Ende zu bringen. Und so entkommt Éa dem Tyrannen wie einst Jesus: Im Schonwaschgang durch die Waschmaschine kommt sie am anderen Ende des Tunnels in einem Waschsalon heraus. Sie findet schnell ihre sechs Apostel und ebenso den Schreiber des brandneuen Testaments, einen Penner, der als einziger im ganzen Umkreis sein Sterbedatum nicht erhalten hat, da er kein Handy hat. Gott ist natürlich hinter Éa her, aber seine Reise am Ende des Tunnels der Waschmaschine verläuft weit weniger schön als das seiner Tochter.

Was skurril beginnt, wird fast zu einem Showdown zwischen Gott und seiner Tochter, mit einem tragischen Ende vieler Menschen. Wenn da nicht die Mutter wäre, die sich alleine in der Wohnung doch noch daran erinnert, dass sie eine Göttin ist.

Dieser Film ist so skurril, so voll herrlicher verschrobener Gedanken, dass es eine wahre Freude ist.
Ja, genau, wenn ich nur noch kurz zu leben habe, warum nicht einfach meinen Traum erfüllen und mit einem Gorilla Tisch und Bett teilen? Oder die letzten Tage als todkranker Junge in Mädchenkleidern herumlaufen, wenn ich mir das doch schon so lange wünsche? Nie mehr eine gewisse Parkbank verlassen, auf der ich mich so wohlfühle?
Der Fisch, der einem der sechs neuen Apostel im Traum erscheint, und danach einfach dableibt und das Lied „La mer“ gurgelt, bis er wirklich das Meer sieht, all das sind so herrlich skurril umgesetzte Ideen. Es ist wahrlich eine „göttliche Komödie“. Das Ende macht einen nur noch glücklich.

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Das brandneue Testament
Genre: Komödie
Cast: Benoit Poelvoorde, Pili Groyne, Yolande Moreau, Catherine Deneuve
Regie: Jaco van Dormael
Produktionsland: Belgien, Frankreich, Luxemburg
1 Std. 55 Min.
Kinostart: 3. Dezember 2015

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