Geschlossene Gesellschaft:
Die Hölle, das sind die anderen (J.P. Sartre)

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Zwei Menschen lernen sich kennen, und wenn ich sage, unter Zuckerbäcker-Umständen, dann meine ich das wörtlich: Sie küssen sich das erste Mal genau vor einer Bäckerei, ein Puderzuckernebel liegt in der Luft, er wischt mit zwei Fingern den feinen Zucker von ihren Lippen, um diese auch wirklich zu spüren, und alles ist wirklich perfekt. Die zwei sind perfekt, die Zeit des Kennenlernens ist perfekt, der Heiratsantrag, die Hochzeit, der erste Hochzeitstag.

Aber es kehren Routinen ein und es gibt seltsame Rituale, und seien sie noch so lieb oder aufregend gemeint, wie Schnitzeljagden am Hochzeitstag zu bedeutenden Stätten ihres gemeinsamen – auch erotischen – Lebens, die den anderen nur nerven. Nick sitzt am frühen Abend seines fünften Hochzeitstags in der Bar „The Bar“, die ihm gehört, und unterhält sich mit seiner engsten Vertrauten, seiner Zwillingsschwester Margo, als er einen Anruf bekommt. Er muss nach Hause fahren, die Katze sitzt vor der Tür, die Tür ist offen, seine Frau ist verschwunden. Polizei kommt und ermittelt. Es bilden sich in der Kleinstadt in Missouri Gruppen, die nach ihr suchen, ihre Eltern kommen aus New York, richten eine Hotline und eine Homepage ein.

Da Nick recht cool bleibt, drängt sich dem Zuschauer anfangs schnell der Verdacht auf, dass er ihr etwas angetan haben könnte. Dazu gibt es erschwerend Sequenzen, in denen man Amy sieht, wie sie Tagebucheinträge schreibt, wie sie im Lauf der Zeit immer mehr Ängste ihre Beziehung betreffend entwickelt, Angst vor ihrem Mann hat, Angst um ihr Leben.

„Gone Girl“ wechselt mehrmals überraschend und glaubhaft die Erzählperspektive. Das macht den Film extrem spannend. Zuerst sehen wir das Paar gemeinsam, dann beobachten wir eine Zeitlang Nick, wir sehen alles aus seiner Perspektive. Es kommt einem komisch vor, dass Nick so gelassen ist, dass er nicht weiß, was seine Frau tagsüber macht, ob und mit wem sie befreundet ist. Aber dann ändert man seine Denkweise wieder, wenn man sieht, wie Margo, seine Schwester, die ihn wirklich liebt, zu ihm hält und sagt, dass Amy ein Biest ist. Andererseits hört man die Nachbarn reden, eine angeblich gute Freundin gleich in der Nachbarschaft taucht auf, was auch merkwürdig ist, denn hat sie nun Freunde oder nicht?

Die Medien spielen eine große Rolle. Wie glaubhaft man in einer Nachrichtensendung live auftritt, kann entscheiden darüber, ob man zum Tode verurteilt wird oder ein freier Mann ist. Denn in Missouri, das wissen auch die blonden Moderatorinnen im Fernsehen, wird noch die Todesstrafe praktiziert. Schauspielern und gut aussehen dabei ist ganz wichtig.

Im Nachhinein betrachtet hat ein Teil von Amys Kindheit eine große Bedeutung: Ihre Eltern haben eine sehr erfolgreiche Kinderbuchserie geschrieben, sind damit berühmt und reich geworden: „Amazing Amy“. Nick registriert beim ersten Treffen mit ihren Eltern, als er die alten Buchcover der Reihe sieht, die alle ein Abbild Amys selbst zu sein scheinen, dass sie ihre Kindheit gekapert haben. Das stimmt, doch hat Amy zu dieser Zeit wohl auch viel für ihr weiteres Leben gelernt.

Würde Hitchcock noch leben, er hätte auch diesen Film drehen können. Er liebte diese kühlen Blondinen.

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Gone Girl – Das perfekte Opfer
USA
Genre: Drama, Thriller
Regie: David Fincher (Sieben, Fight Club, Panic Room, The Social Network, Verblendung)
Romanvorlage und Drehbuch: Gillian Flynn
Nick: Ben Affleck
Amy: Rosamund Pike
Desi Collings: Neil Patrick Harris
148 Minuten
FSK: ab 16 Jahre

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