On a Road to nowhere

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Hannes (Florian David Fitz) und seine Frau Kiki (Julia Koschitz) machen wie jedes Jahr gemeinsam mit ihren Freunden eine Radtour. Dieses Jahr sind sie dran mit dem Auswählen des Ziels. Dass es heuer also ausgerechnet nach Belgien geht, wo es doch nichts gibt außer Pralinen, Schaumwaffeln und Jean-Claude Van Damme, versteht keiner. Die Freunde witzeln noch drüber und albern herum. Bei einem Zwischenstopp, bei dem sie Hannes Mutter (Hannelore Elsner) treffen, bricht diese während des anfänglich lustigen Abendessens in Tränen aus. Nun kommt heraus: Hannes will nach Belgien, weil dort Sterbehilfe geleistet wird. Er hat ALS – seit der Ice Bucket Challenge in aller Munde – und sein Zustand verschlechtert sich rapide. Am nächsten Tag soll es weiter Richtung Ostende gehen, dem Ziel seiner Reise. Am Morgen des Aufbruchs steht anfänglich keiner der Freunde mit dem Rad bereit, und die Stimmung ist gedrückt. Als dann aber alle in Radbekleidung und vollkommen munter (freilich nur gespielt) hinter dem Haus hervorkommen, geht die Sonne auf in Hannes Gesicht. Sie fahren gemeinsam weiter.


Diese Reise birgt viele witzige aber auch rührende Momente: die Challenges, die sie sich gegenseitig auf Bierdeckel schreiben und die sie während der Reise erfüllen müssen; der Abend in der Diskothek, an dem der göttliche Jürgen Vogel in Frauenklamotten und Perücke auftritt (seine Challenge: sich einmal wie eine Frau fühlen) und er selbst als schlecht geschminkte Tunte noch Männlein wie Weiblein abschleppen könnte. Aber es gibt auch kleine Gesten, die zu Herzen gehen, zum Beispiel als alle – durchgehend sportive Radler – fast in Zeitlupe ein kleines Sträßchen entlang radeln und so tun, als könnten sie auch nicht mehr, weil Hannes einfach absolut mit seinen Kräften am Ende ist; oder sein jüngerer Bruder Finn, der zu Hannes geht und ihm heulend gesteht: „Ich hab mich testen lassen, ich hab es nicht, es tut mir so leid!“ Da bekommt man noch beim daran Denken feuchte Augen.
Sie verbringen intensive Tage und Nächte miteinander, und sie feiern, als gäbe es kein Morgen mehr. Doch auch Konflikte werden ausgetragen, und die Situation und Hannes Ziel werden immer wieder diskutiert. Kiki, die sich bis zur Aufopferung um ihn kümmern möchte, versteht Hannes Beschluss nicht, sie möchte, dass er „bleibt“ und sie nicht zurücklässt.
Aber irgendwann kommt doch der Tag in Belgien mit dem Termin beim Arzt.

Die Schauspieler sind absolut erlesen ausgewählt: Florian David Fitz, den man eigentlich vorrangig aus Komödien kennt, mit einem hübschen, ernsthaften Gesicht, das glaubhaft Gefühle wiederspiegelt; Julia Koschitz, die so ehrlich liebt, trauert und weint; Hannelore Elsner, eine großartige Schauspielerin, die selbst aus ein paar wenigen Sätzen eine große Rolle macht; Jürgen Vogel, der so prachtvoll protzt und balzt, aber auch lustig und im nächsten Moment traurig sein kann; Volker Bruch, der Hannes kleinen Bruder gibt; Miriam Stein, die vermeintlich oberflächliche Sabine, die Jürgen Vogel in der Bar aufreißt und einfach auf die Radtour mitnimmt; der Typ aus der Bar, dem Jürgen Vogel selbst in Frauenkleidung gefallen hätte. Es gibt keinen schlechten Schauspieler, ach was, nicht einmal einen mittelmäßigen.

Nach dem Abspann mit der dazu passenden Musik von Ryan Keen Skin & Bones geht das Licht an, und viele Zuschauer, wie meine Freundin und ich, diskutieren beim Rausgehen noch und fragen sich: „Wie würdest du reagieren, wenn du die Diagnose erfahren würdest?“ – „Ich glaub, ich könnte das nicht.“ – „Möchtest du da jemanden dabei haben?“
Dies sind Fragen, die jeder für sich selbst beantworten muss, nach diesem schönen Film über Liebe, Freundschaft und wichtige Entscheidungen.

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Hin und weg
Regie: Christian Zübert („Dreiviertelmond“, „Lammbock“)
Produktion: Benjamin Herrmann und Florian Gallenberger
Im Kino seit: 23. Oktober 2014
95 Minuten

Besetzung:
Florian David Fitz: Hannes
Julia Koschitz: Kiki
Jürgen Vogel: Michael
Miriam Stein: Sabine
Victoria Mayer: Mareike
Johannes Allmayer: Dominik
Volker Bruch: Finn
Hannelore Elsner: Hannes Mutter

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