Wie ein Löwe

Lion

Guddu muss seiner alleinerziehenden Mutter helfen, über die Runden zu kommen. Diese schleppt den ganzen Tag Steine. Ihr halbwüchsiger Sohn unterstützt sie, bringt ab und an ganz besondere Leckerbissen mit nach Hause, in die Slums einer indischen Kleinstadt, wie eine Mango oder ein paar Schlucke Milch. Der kleine Junge Saroo will seinem großen Bruder unbedingt helfen und begleitet ihn dann auch einmal nachts. Aber er wird müde, und Guddu zieht alleine los. Das Kind setzt sich auf einem Bahnsteig in einen Zug, schläft ein und fährt zwei Tage lang über tausend Kilometer durchs ganze Land, Endstation Kalkutta. Der Bahnhof ist ein Schock für ihn. Man versteht ihn dort auch nicht, denn er spricht Hindi, nicht Bengali. Auf die Frage, wie seine Mutter heißt, antwortet er „Mama“. Den Ort, aus dem er kommt, kennt keiner. So stromert er monatelang den Abfall durchwühlend durch die Gegend, übernachtet auf einem Stück Pappe im Dreck, bis er irgendwann zusammen mit ein paar anderen verwahrlosten Kindern von der Polizei eingesammelt und ins Waisenhaus gebracht wird.

Wer denkt, dort wäre es besser, der irrt: Es gibt zwar Essen und Wasser, alles in allem ist es aber eher ein Gefängnis als eine Heimat. Aber das Waisenhaus ist bestrebt, zumindest die noch ganz Kleinen an Adoptiveltern zu vermitteln, und so kommt es, dass Saroo von einem interessierten australischen Ehepaar zu sich genommen wird (Nicole Kidman und David Wenham). Diese sind liebevolle Eltern, und der Junge lebt sich schnell in dem neuen Land ein. Ein Jahr später kommt noch ein indisches Kind dazu, und die Familie ist komplett. Obwohl der „neue Bruder“ in Australien sehr kompliziert ist und viel Aufmerksamkeit der Eltern benötigt, hat Saroo eine schöne Kindheit, er wird geliebt und gefördert, und er wächst zu einem klugen, sensiblen jungen Mann heran. Eines Tages zieht er des Studiums wegen aus, lernt neue Freunde kennen und findet eine Liebe, die hübsche, sensible Lucy (Rooney Mara). Eines aber vergisst er nie: seine Heimat in Indien, seine Mutter und Geschwister, allen voran seinen geliebten großen Bruder Guddu. Er träumt davon, wie er durch die Slums streift, wie er durch die Felder und Schmetterlingen hinterherläuft, und immer wieder von seinem bitterarmen, aber liebevollen Heim. Er ist besessen davon, das alles eines Tages wiederzusehen. Seine Freunde ermuntern ihn dabei. Schließlich gibt es jetzt doch diese superfantastische Erfindung, dieses Google Earth, womit man virtuell alles absuchen kann! Er könnte doch eine Berechnung anstellen: Wie lange war er im Zug unterwegs, wie schnell fuhren vor 20 Jahren Züge, wie weit kann demnach Kalkutta von seinem Zuhause weg sein?
Saroo begibt sich virtuell auf die Suche. Er MUSS sein altes Zuhause finden, er wird sonst wahnsinnig. Es wird ein jahrelanges Unterfangen, aber er kämpft wie ein Löwe.

Am Ende des Films kommt heraus, dass Saroo die ganze Zeit seinen Namen falsch ausgesprochen hat. Er heißt in Wirklichkeit nicht Saroo, sondern Sheru. Sheru heißt Löwe.

Der Film basiert auf dem Roman A long way home von Saroo Brierley von 2014. Sie ist seine eigene Lebensgeschichte. Für die Oscars 2017 erhielt Lion sechst Nominierungen, u. a. als Bester Film. Der kleine Saroo (Sunny Pawar) rührt einen zu Tränen, und der große Saroo wird wundervoll gespielt von Dev Patel (Slumdog Millionär, 2008). Nicole Kidman ist so uneitel und authentisch in der Rolle wie schon sehr lange nicht mehr. Der Film ist berührend, spannend, absolut sehenswert.

Lion – Der lange Weg nach Hause
Genre: Drama
Regie: Garth Davies
Nationalität: USA, Australien, Großbritannien
Start in Deutschland: 23. Februar 2017, 119 Minuten
Cast: Dev Patel, Nicole Kidman, Rooney Mara, David Wenham, Priyanka Bose

 

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