Singen bis zur absoluten Entspannung

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„Chanten“, gemeinsam singen, ist mittlerweile weltweit ein Phänomen. Was früher weitab der emsigen, modernen Welt in Indien in sogenannten Ashrams stattfand, gibt es mittlerweile in der ganzen Welt. Die Regisseurin Georgia Wyss geht in ihrem Dokumentarfilm diesem Phänomen nach. Sie zeigt Menschen, tief in sich versunken, mit geschlossenen Augen und seligem Lächeln auf dem Gesicht. Jeder hat einen anderen Hintergrund, ein anderes Schicksal. Zu viel Arbeit, ausgebrannt, sich minderwertig fühlend, ungeliebt, den Frieden in Drogen oder Alkohol suchend. Die meisten haben rein zufällig die Chants für sich gefunden und eine Zusammenkunft namens „Kirtan“, das gemeinsame Singen.

Sie haben lange gesucht, um für sich aus dem normalen Stress wieder herauszukommen, sie haben vieles probiert und ohne danach gezielt gesucht zu haben ausgerechnet so etwas Friedliches und Freundliches wie das Chanten für sich gefunden. Musiker und Musikerinnen, die gemeinsam mit ihnen einfache Melodien und Verse wiederholen. Meditative Musik in Dauerschleife. Gemeinsames Singen integriert einen, gibt einem Halt, hat eine heilende Wirkung. Dabei wirken diese Leute recht normal, die im Film zu Wort kommen. Sie lachen sogar über manche Situationen, wie sie zum Singen kamen. Das mögen nun vielleicht manche als Esoterik abtun, aber es ist wissenschaftlich erwiesen, dass dies eine beruhigende und gesundheitsfördernde Wirkung hat. Der US-amerikanische Neurowissenschaftler Andrew Newberg erklärt im Film, dass sich ein Gehirn nach nur drei Monaten Meditation positiv verändert. Auch der Musiker Krishna Das erzählt Ähnliches und beschwört die heilende Wirkung dieser Musik. Er und Deva Premal mit ihrem Lebenspartner Miten gehören zu den Superstars in der New-Age-Szene. Es geht aber nicht immer nur ruhig zu. MC Yogi mit einer kriminellen Vergangenheit auf dem Buckel, ein New Yorker Hip Hopper, wurde durch einen Meditationskurs geläutert und rappt nun Hindu-Weisheiten. C.C. White mit dem Temperament einer Chaka Khan oder Tina Turner sorgt mit ihren Soul- und Funk-Mantras für fröhliche Ausgelassenheit. Auf jeden Fall zeigt der Film, dass ernsthafte Lebenskrisen durch die Beschäftigung mit dem gemeinsamen Singen von Mantras verbessert werden können. Etwas, das der Zuschauer sieht, als das Kamerateam Konzertausschnitte von Jai Uttal im San Quentin Prison in San Francisco zeigt. Für die meisten Häftlinge ist dies die erste Begegnung mit spiritueller Musik. Vorsichtig und zunächst zögernd bewegen sie sich zum Groove, manche beginnen zu tanzen. Am Schluss sprechen sie von der Kraft spendenden Wirkung der Mantras und von neuen Räumen, die sich für sie erschließen: „We get a lot of freedom.“ Und das im Gefängnis! Es ist nicht die einzige Szene, bei der mir Tränen über die Wangen laufen, und ich sehe auch andere an den Augenwinkeln wischen. Schöner Film!

Mantra – Sounds into Silence
Genre: Dokumentation, Musik
Regie: Georgia Wyss
Produktionsländer: Spanien, Deutschland
Start in Deutschland: 7. Juni 2018, 1 Std. 29 Minuten

 

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