Die Bürde des Genies

England, 1939: Der zweite Weltkrieg erschüttert das Königreich. Militär und Geheimdienst versuchen verzweifelt, die Funknachrichten der Nazis zu entschlüsseln, doch das Unterfangen scheint aussichtslos, denn die Deutschen benutzen eine bisher nie dagewesene Verschlüsselung: Die Enigma-Maschine, die jede Nachricht nahezu unknackbar codiert. Um den Krieg zu beenden und tausende von Leben zu retten versucht ein Team von Mathematikern, Linguisten, Logikern und Kryptographen, das unlösbare Rätsel zu lösen. In ihrer Mitte ist Alan Turing, dessen Vision eine Rechenmaschine ist, die Enigma knacken kann.

Wie der Film gleich zu Beginn klarstellt, basiert all das auf einer wahren Begebenheit. The Imitation Game erzählt die Geschichte eines Mannes, dessen Intellekt und visionäre Ideen ihn zum heimlichen Kriegshelden machten. Gedankt wurde es ihm zehn Jahre später mit Verurteilung und chemischer Kastration, denn Alan Turing war schwul.

The Imitation Game ist in drei Zeitebenen erzählt: Turings schwierige Jahre als Schüler, seine erste Liebe zu einem Mitschüler, und die späteren Ermittlungen gegen ihn wegen seiner Homosexualität rahmen die Geschichte seines größten Erfolges ein. Wir lernen einen sehr speziellen Menschen kennen, ein humorloses, arrogantes Genie mit leichtem Stottern und großen Schwierigkeiten bei der sozialen Interaktion. Wir begleiten ihn bei seinem Kampf, sich im Team zu etablieren und seine Mitarbeiter und Vorgesetzten von seiner Idee zu überzeugen. Alan Turing wird trotz seiner sozialen Defizite als hochsensibler, einsamer Mann dargestellt, was den Zuschauer sofort für ihn einnimmt.
Benedict Cumberbatch, der ja einen Hang zu hochintelligenten, aber irgendwie merkwürdigen Rollen hat, fängt diesen tiefgründigen und vielschichtigen Charakter großartig ein. Tatsächlich glänzt er in dieser Rolle so sehr, dass die anderweitig hochkarätige Besetzung mit Keira Knightley, Mark Strong und Charles Dance beinahe untergeht, so sehr überstrahlt er sie.
The Imitation Game ist eine dieser britisch-amerikanischen Produktionen, bei denen man merkt, dass sie nichts mit Hollywood zu tun haben. Die Geschichte wird nicht künstlich aufgeblasen oder dramatisiert, stattdessen wird sie schlicht, aber sehr gekonnt in Bilder gefasst. Das wahre Leben hält doch meist die ergreifendsten Geschichten bereit, auch wenn The Imitation Game, das lose auf Turings Biographie Alan Turing: The Enigma von Andrew Hodges basiert, sich einige künstlerische Freiheiten nimmt und von der Realität abweicht – aber dazu ist es ja Kino.

Traumbesetzung trifft auf sehr gutes Script und hochwertige Produktion, genau wie vor einigen Jahren schon bei The King’s Speech. Und genau wie bei The King’s Speech würde es mich doch sehr wundern, wenn nicht auch für The Imitation Game der eine oder andere Oscar drin wäre.

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The Imitation Game
Starttermin Deutschland: 22. Januar 2015

Länge: 114 Min
Regie: Morten Tyldum
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode, Mark Strong, Charles Dance
Genre: Drama, Biographie
Produktionsland: Großbritannien, USA

IMDB
Wikipedia

Trivia: 2009 entschuldigte sich der damalige Premierminister Gordon Brown offiziell für das Unrecht, das Alan Turing widerfahren ist. Weihnachten 2013 wurde er außerdem posthum von der Queen für sein „Verbrechen“ begnadigt – ob’s 60 Jahre nach seinem Suizid noch eine Rolle spielt, naja…

Wen der Film neugierig macht, dem sei die oben erwähnte Biographie Alan Turing: The Enigma von Andrew Hogdes zu empfehlen, die allerdings keine einfache Lektüre für nebenbei ist.

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