Im hellblauen Lada in die Walachei

Der 14-jährige Maik ist der Außenseiter der Klasse, seine coole Mutter ist leider dauerbesoffen und sein Vater interessiert sich herzlich wenig für ihn. Kann es noch schlimmer kommen? Ja. Seine Angebetete, die Klassenschönheit Tatjana, lädt ihn nicht zu ihrer Geburtstagsparty ein. Nur der Russe Tschick – eigentlich Andrej Tschichatschow – der Neue, ist auch nicht eingeladen und auch ein Außenseiter. Als die großen Ferien beginnen und die Mutter wie jedes Jahr zur Schönheitsfarm aufbricht (Codename für Entzugsklinik), und der Vater spontan für 14 Tage auf Dienstreise geht (sich mit seiner jungen Geliebten vergnügt), soll Maik es sich alleine im Haus „gemütlich“ machen. Doch plötzlich ist Tschick da, vorgefahren mit einem geklauten alten Lada, und sie freunden sich schnell an und brechen bald zu einer gemeinsamen Reise auf. Ohne Karte, Kompass und Dosenöffner, aber mit einer romantischen Kassette von Richard Clayderman im Kassettenfach. Der Weg soll nach Süden führen, in die Walachei zum Großvater. Zwei Jungs im Alter von 14 Jahren, einer kann noch nicht Auto fahren, der andere dafür umso wagemutiger, voller Flausen im Kopf, philosophieren miteinander und aneinander vorbei, erleben die skurrilsten Situationen und begegnen interessanten Menschen, stehen sich immer bei und kommen immer wieder aufeinander zu. Und wenn die Philosophiererei wieder mal ins Unendliche abdriftet heißt es unisono „ohne Sinn“. Ob mit oder ohne Sinn rücken die Beiden dem Erwachsenwerden ein großes Stück entgegen.

Kultregisseur Fatih Akin (war eigentlich nur zweite Wahl für diesen Film) lässt sein Coming-of Age-und Roadmovie schnell rasante Fahrt aufnehmen. Er ist urkomisch und bewegend, mit einem Schuss Tragik, vielleicht am ehesten vergleichbar mit Lola rennt, der seinerzeit auch bahnbrechend war bezüglich Story, Schnitt und Geschwindigkeit. Das Drehbuch ist nach dem 2010 erschienenen Bestseller „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf, bei dem man schon 2010 einen bösartigen Gehirntumor diagnostizierte. Herrndorf hat selbst noch die Verfilmung in die Wege geleitet, bevor er sich 2013 das Leben nahm.

Die jungen männlichen Hauptdarsteller Tristan Göbel (Maik) und Anand Batbileg (Tschick) hoffe ich noch sehr viel mehr im Kino sehen zu können, junge, unverbrauchte Gesichter, denen zuzuschauen einfach Spaß macht.

Auch hier wieder wichtig: Im Kino sitzenbleiben. Im Abspann kommen noch wichtige Details zum offenen Ende des Films aus Tschicks Sicht, in einem sehr sehenswert gezeichneten Cartoon, mit coolem Soundtrack. Kein Richard Clayderman!

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Tschick
Drehbuch und Regie: Fatih Akin
Nationalität: Deutsch
Filmstart: 15.09.2016, 93 Min.
Cast: Tristan Göbel, Anand Batbileg, Mercedes Müller, Anja Schneider, Uwe Bohm, Udo Samel u.a.

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