Wer mit dem Herzen hört

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Ein kleiner Bauernhof in einem Dorf in Frankreich. Mama Gigi, Papa Rodolphe und Bruder Quentin sind gehörlos, die 16-jährige Paula nicht. Wer meint, in einem Gehörlosen-Haushalt wäre alles leise, der irrt: Es wird geklappert, geklatscht, per Trampeln mit den Füßen auf sich aufmerksam gemacht. Paula ist für alle in der Familie und auch für das Dorf die Dolmetscherin, ob es beim Käseverkauf auf dem Wochenmarkt ist: „Sie lächelt (die Mama), er kassiert (der Bruder), und ich rede.“, bei Futterpreisverhandlungen oder beim Gynäkologen. Der Vater lässt sich wegen Unzufriedenheit über den gegenwärtigen Bürgermeister zur Wahl aufstellen, auch hier ist Paula das Sprachrohr. Dabei ist Paula selbst noch eine ganz liebe, unschuldige Person, die sich nur ein klitzekleines bisschen in einen Kerl aus Paris verguckt hat.

Seinetwegen geht sie in den Schulchor, wo sie zwar hoffnungslos altmodische Chansons von Michel Sardou singen muss, aber hier entdeckt der Chorleiter, dass sie außergewöhnlich talentiert ist. Nach anfänglichem Zögern und Zaudern stimmt sie zu, täglich mit ihm zu üben, für ein Vorsingen in Paris. Würde das gelingen, könnte sie in Paris studieren. Erst nach einiger Zeit erzählt sie ihren Eltern von ihrem Plan. Die können zunächst gar nichts damit anfangen, ja, sie sind sogar entsetzt, denn sie brauchen sie hier ja auf dem Hof, sie brauchen sie generell! Aber sie überlegen sich Alternativen, sie würden jemanden für den Stand am Markt engagieren, sie hätten ja auch noch Quentin, sie solle ruhig ihr Leben leben. Nun, da sie darf, will sie plötzlich nicht mehr. Aber sie nimmt dann doch teil an dieser wunderschönen Choraufführung in der Schule, die auch ihre Familie besucht. Anfänglich sind diese gänzlich unbeteiligt, sie hören ja nichts, sie nehmen nur die Leute drumherum wahr, doch dann sehen sie, wie diese mitgehen und ergriffen sind. Der Chorleiter läuft ihnen am Ende nach und gratuliert ihnen zum Talent ihrer Tochter – und merkt erst da, dass Paulas Familie gehörlos ist.Wird Paula nach Paris gehen? Es gibt so viele wunderschöne Momente und Dialoge in diesem Film, Einblicke in ein Dasein ohne einen Laut. Wie die Mutter erzählt, wie sie sich fühlte, als man ihr nach der Geburt sagte, dass ihre Tochter hören kann. Wie der Vater versucht – die Hand an Paulas Hals – ihr beim Singen „zuzuhören“. Wie die Familie zusammenhält, als Ausdruck dafür Gruppenkuscheln und dieses kitschige Herz mit zwei Händen formend. Das ist einfach schön und berührend.Vor 20 Jahren gab es schon einmal einen Film mit der gleichen Thematik: Jenseits der Stille, Tochter eines gehörlosen Paares macht Musik. Ein sehr schöner deutscher Film. Nun ist dieses Thema noch einmal aufgegriffen worden, und es war von Anfang an die Intention, eine Komödie daraus zu machen, wie es irgendwie nur die Franzosen zurzeit zustande bringen. Und ich kann nur sagen: Schon lange habe ich bei einer „Komödie“ nicht mehr so viel geheult.

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Verstehen Sie die Béliers?
OT: La Famille Bélier
Frankreich 2014
Regie: Éric Lartigau
Darsteller: Karin Viard, François Damiens, Louane Emera, Eric Elmosnino, Roxane Duran
Länge: 104 Minuten
Kinostart: 5. März 2015

 

 

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