Sich’s schön trinken

Freilich, für einen echten Bayern ist Bier kein Alkohol sondern Nahrung, und für einen g‘standenen Mann sowieso. Aber fünf Weißbier und sechs Obstler sind ganz schön viel, doch auf so viel kommt Kriminalkommissar Kreuzeder (Sigi Zimmerschied) von der Mordkommission Passau manchmal, und dann kann er trotzdem noch Auto fahren. Er hat nämlich schon so viel erlebt und gesehen in seinen 20 Dienstjahren, dass er es einfach nicht mehr anders erträgt. Eigentlich will der ehemals gute Ermittler am liebsten eine Frühpensionierung erwirken. Deshalb auch der Dauerrausch.

Er hat mittlerweile nämlich ein Problem, mit seinem eigenen Leben, mit seinem Job und mit der Welt drum herum. Manche Täter tun ihm nämlich leid. Auch das Bauernhof- und Bauernsterben um ihn herum. Sind alles arme Säu. So scheint es auch in diesem Fall zu sein. Sein unerträglicher Chef zerrt ihn vom Schweinsbraten weg, und er muss auf der Stelle zum Tatort fahren. Dort findet er einen trostlosen Bauernhof vor, auf dem der Mord passierte. Von der vom Mähdrescher zerfledderten Leiche gibt es nur noch Einzelteile, die Bauersfamilie hingegen sitzt friedlich beim Mittagessen in der Stube. Schmuddelwetter und Schmuddelhof tragen zur Stimmung bei, Melancholie und Trostlosigkeit macht sich breit. Was stimmt denn da nicht? Diese abgewerkelten Eltern und dann diese unbeteiligten, fernsehenden Kinder? Kreuzeder kommt das gleich irgendwie komisch vor, doch sein Chef erwirkt ein Geständnis des Familienvaters und Bauern. Während der dann im Gefängnis einsitzt passiert noch ein Mord auf dem Hof. Ein Serienmörder? Kreuzeder klemmt sich nun doch – gemächlich zwar, und auf seine Art und Weise – dahinter. Unterstützt wird er irgendwie unfreiwillig aber doch liebend gern von der Psychologin Frau Dr. März (Brigitte Hobmeier), die er wegen seiner eigenen Probleme aufsuchen muss. Ganz nebenbei kommt er auch deren Probleme auf die Spur, und gemeinsam mit ihr löst er dann auch noch die Probleme der Bedienung Gerda (Luise Kinseher), und später auch noch hoffentlich die des Mörders.

Das klingt jetzt alles natürlich versponnen, skurril und Gott sei Dank auch witzig. Es setzt sich aber atmosphärisch deutlich von den leichten und lustigen Eberhofer-Krimis von Rita Falk ab. Hier gibt es auch humorige Dialoge, aber die Geschichte hat mehr Schwermut, kaputte Personen, außergewöhnliche Lösungen. Das Personal dazu, muss man sagen, ist hervorragend gewählt. Die wortkargen Bauern, der Junge, der in seinem eigenen Kosmos lebt, das Mädchen, das jeglichen Sinn verloren hat, Brigitte Hobmeier, die ihre Rolle so dermaßen überspitzt spielt, dass man versteht, dass sie sogar einmal die Buhlschaft bei Jedermann übernehmen durfte, Luise Kinseher als abgehalfterte, aber doch clevere Kellnerin! Sie hat ihre Magisterarbeit seinerzeit über Sigi Zimmerschied geschrieben, und dass sie nun mit diesem zusammen einen Film dreht, in dem er endlich einmal die Hauptrolle spielt, ist schon perfekt.

Die musikalischen Kompositionen sind von Stofferl Well, mal sind es Blasinstrumente, mal eine einzelne Maultrommel, die immer wieder ein paar Takte spielen, immer passend zu den Stimmungen. Wenn jetzt insgesamt die Leut‘ ein bisserl weniger gesoffen hätten, wäre alles vielleicht noch ein wenig perfekter gewesen. Aber ansonsten, erster Film nach all der Zeit während des Corona-Lockdowns, im geretteten Sendlinger-Tor-Kino, dem ältesten noch bestehenden Groß-Kino Münchens: topp!

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Weißbier im Blut
Genre: Krimi, Komödie, Regionalkrimi
Buch und Regie: Jörg Graser
Produktionsland: Deutschland
Kinostart: ursprünglich 27.5.2021, Corona-bedingt je nach Kino-Öffnung, 96 Min.
Cast: Sigi Zimmerschied, Brigitte Hobmeier, Luise Kinseher, Johannes Herrschmann, Max Schmidt, Eva Sixt u.v.m.

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