Nichts ist, wie es scheint.

 

who-am-i

Benjamin (Tom Schilling – „Oh Boy“), ein unscheinbares, fast unsichtbares Kerlchen im Alltag, ist Hacker und wird erwischt, als er versucht, vom Uni-Server Prüfungsfragen abzurufen. Und weil er sich bislang noch nie etwas zuschulden kommen ließ, bekommt er lediglich 50 Stunden Sozialarbeit aufgebrummt. Beim Dreck-aufspießen-und-in-einen-Müllsack-entsorgen lernt er den charismatischen Max (Elyas M’Barek, großartig damals in der Vorabendserie „Türkisch für Anfänger“, zum Superstar avanciert seit „Fack ju Göhte“) kennen. Dem wird schnell klar, dass er einen wahren Schatz gefunden hat, einen Schatz, der „Maschinensprache“ beherrscht.

Er lädt ihn auf eine Party ein, wo er unter Beweis stellen muss, dass er sich wirklich auskennt, und außerdem sieht er dort Marie (Hannah Herzsprung) wieder, in die er seit der Schulzeit verliebt ist und für die er die Prüfungsfragen klauen wollte. Aber er muss auf der Party Max und seinen Freunden Stephan (Wotan Wilke Möhring, 1000 gute Rollen und mittlerweile in den Sonntags-Tatort-Olymp aufgestiegen) und Paul (Antoine Monot jr., den ich bislang nur als „Tech-Nick“ aus der Media-Markt-Werbung kannte) beweisen, dass er’s drauf hat. Er hat’s drauf, und die Clique, die bislang zu dritt war, ist ab da zu viert. Sie nennen sich CLAY, für „Clowns“ – weil sie sich Clownsmasken überziehen – „laughing at you“.

Immer größer und waghalsiger werden die Unterfangen. Mal geht es darum, einem riesigen Pharmaunternehmen nachts mit großen blinkenden Leuchtdioden „We kill Animals“ aufs Dach zu installieren, mal sich in einer rechtsextremen Versammlung einzuschleichen mit dem Resultat, dass statt eines Propagandafilms plötzlich „The Day my Dog fucked Hitler“ gezeigt wird, ein sehr witziger animierter Film, den außer den Vieren keiner sonst lustig findet in der Veranstaltung.
Leider gewinnen sie mit ihren Aktionen nicht das Interesse des großen MRX, eines in der Szene international bekannten Cyber-Hackers. So denken sie sich einen großen Coup aus, mit dem sie den BND außer Gefecht setzen und MRX imponieren wollen.

Und schneller als es ihnen lieb ist, stehen sie auf den Fahndungslisten von Polizei und Geheimdiensten. Europol und Russenmafia nehmen Fährte auf, und Benjamin sitzt plötzlich ganz alleine vor der Ermittlerin Hanne Lindberg (die Dänin Trine Dyrholm), von der er sich wünscht, ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen zu werden.

Nur, wem oder was soll man glauben?

Der Film fängt sehr gemächlich und mit zwischenmenschlichen Tönen an, man sieht die Eigenheiten der vier Hauptpersonen und wie sie zu dem wurden, was sie sind – oder was sie zu sein scheinen. Dann nimmt er an Tempo zu, wird zum spannenden Thriller mit kleinen retardierenden Momenten, in denen sich eine kleine Liebesgeschichte entwickeln möchte zwischen Benjamin und Marie, und ganz plötzlich ist der Film eine verwirrende, rasante Geschichte im Stil von „Fight Club“ oder „Die üblichen Verdächtigen“.

Drehbuchautor und Regisseur schaffen noch etwas Außergewöhnliches in diesem Film: Meist werden bei Cyber-Thrillern die Bildschirmdialoge – zu schnell – abgefilmt. Dies ist ja bildlich nicht gerade das Spannendste, was es gibt. Hier werden als Metapher für Internetforen U-Bahn-Waggons gezeigt, in denen sich die Hacker virtuell begegnen, unkenntlich hinter diversen Masken und Hoodies. Mit verzerrten Stimmen sprechen sie ihre Nachrichten, und der Zuschauer sieht die Nachrichten wie in einem Chat oder WhatsApp. Witzige Idee.

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Who Am I – Kein System ist sicher
D 2014
Regie: Baran bo Odar
Darsteller: Tom Schilling, Elyas M’Barek, Wotan Wilke Möhring, Hannah Herzsprung, Trine Dyrholm, Antoine Monot Jr.
Länge: 105 Minuten
Start: 25. September 2014

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