Wiedergänger – und wie sie wieder gehen

Man stelle sich folgendes Horrorszenario vor: Endlich hat man seinen ärgsten Feind in einer blutigen Schlacht getötet und begraben – und dann kommt der als Untoter wieder, um sich grausam zu rächen. Und er ist nicht nur mächtig sauer, sondern – weil er ja eigentlich schon tot ist – auch noch verdammt schwer kaputt zu kriegen.


Diese und ähnliche Horrorvorstellungen verfolgen die Menschheit seit Jahrtausenden. Der Mythos vom Wiedergänger ist wohl so alt wie der Glauben an ein Leben nach dem Tod selbst. Allerdings gab es im Lauf der Geschichte viele verschiedene Versionen von Untoten und noch mehr Ideen, wie man sie wieder loskriegen könnte.
Wie aber konnte so eine Vorstellung überhaupt entstehen? Nun ja, Grundvoraussetzung für den Glauben an Wiedergänger ist der allgemeine Glaube an eine körperliche Wiederauferstehung. Deshalb hatten die Untoten im christlichen Mittelalter Hochkonjunktur, es gab aber auch Berichte über wandelnde Tote aus dem antiken Griechenland. Sogar aus dem Ägypten der Pharaonen sind ähnliche Vorstellungen überliefert. Besonders aus England, Mittel- und Osteuropa gibt es ausufernde Berichte darüber, wer so alles wiedergekommen ist und was er angestellt hat.

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Dieser potentielle Wiedergänger aus Irland sollte mit einem Stein im Mund am Aufstehen gehindert werden (Quelle: ZDF Terra X).

Ein Grund könnten Veränderungen am Aussehen einer Leiche im Verwesungsprozess sein, die zu einem Zucken und manchmal sogar einer rosig-warmen Haut führen können. Bis ins späte 19. Jahrhundert war die Verwesung wissenschaftlich kaum erklärbar, weil die beteiligten Mikroorganismen unerforscht waren. Außerdem gab es vermutlich Fälle, wo der scheinbar Tote nur über längere Zeit tief bewusstlos war und dann doch wieder aufwachte. Derartige Ereignisse, mit der Zeit immer mehr ausgeschmückt, wurden dann zu Legenden über Wiedergänger und versetzten die Bevölkerung bis in die Neuzeit in Angst und Schrecken.
Aber was sollte man nun mit den Toten anstellen, damit sie nicht wiederkommen konnten? Prinzipiell gab es da zwei Möglichkeiten: Entweder versuchte man, sie soweit zu besänftigen, dass sie einen in Ruhe lassen würden, oder aber man griff zu brachialen Methoden, um sie mit Gewalt am Auferstehen zu hindern. Die erste Möglichkeit war meistens relativ zeit- und geldintensiv. Vor der Christianisierung konnte man versuchen, einen Verstorbenen mit reichen Grabbeigaben gnädig zu stimmen, aber das fand die Kirche im Mittelalter gar nicht gut. Nun sollte man für teures Geld Messen für die Seelen der Toten lesen lassen. Wer aber investiert gerne wertvolle Güter oder viel Geld in einen bereits Verstorbenen, wenn es auch anders geht?
Deshalb fand oft eher die zweite, brachialere Methode Anwendung. Dabei wurde der Leichnam so malträtiert, dass er entsprechend der jeweiligen Glaubensvorstellung nicht mehr auferstehen könnte. Im christlichen Europa musste ein Körper zum Auferstehen unversehrt sein, also wurden zum Beispiel geköpfte Feinde weit weg von ihren Köpfen bestattet, wie etwa die 52 toten Wikinger in Ridgeway Hill in England – in einer Grube lagen die Körper, in der anderen die Köpfe. Allerdings gab es besonders in Norddeutschland die Legende von kopflosen Reitern. Köpfen alleine reichte also nicht immer, um seine Ruhe vor den Toten zu haben. Man behalf sich dann damit, schwere Steinplatten auf die Gräber zu wuchten und zu hoffen, dass die Kraft der Untoten nicht ausreichen würde, diese zu verschieben.

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Die Toten vom Ridgeway Hill – deutlich zu sehen, dass Körper und Köpfe getrennt voneinander ins Massengrab geworfen wurden (Quelle: Oxford Archaeology).

Besonders im slawischen Raum vermischte sich früh der Glauben an Wiedergänger und Vampire. Deshalb wurden dort Leichname, denen man im Tod noch unlautere Absichten unterstellte, häufig mit Silber- oder Holzpflöcken durch das Herz gepfählt. Dass ein derart behandelter Mensch, auch wenn er vielleicht nur scheintot war, nicht mehr aufstand, versteht sich von selbst. Weil diese Methode also ein durchschlagender Erfolg war, wurden in Südost-Europa noch bis ins 20. Jahrhundert hinein, besonders in ländlichen Regionen, bestimmte Leichname vor der Beerdigung gepfählt.
Weitere, etwas weniger grausige Mittel bestanden im Fesseln der Toten oder, besonders in England, einem Klumpen grasbewachsener Erde im Mund des Leichnams. Außerdem sollte sich nachts, wenn die Wiedergänger bevorzugt aus ihren Gräbern krochen, niemand in der Nähe von Friedhöfen aufhalten.
Dieses ungute Gefühl hat sich bis heute in der mitteleuropäischen Kultur gehalten – wer geht schon gerne im Dunkeln allein über einen Friedhof?

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