Auf keinen Fall sich unterordnen

Eine junge Band aus München, die sich dem Metal verschrieben hat: Lilith. Das Quartett geht seinen eigenen Weg mit viel Leidenschaft und einem Hang zu Philosophie und Mythologie. Dabei werden nicht immer nur positive Beispiele gewählt, wie man am Bandnamen bereits erkennen kann. Lilith schöpfen aus dem endlosen Brunnen der Symbolik und bringen eindrücklichen Metal hervor, der mehr ist, als nur stumpfe Härte. Sie haben sich Zeit für ein Interview genommen, in dem sie uns einen Einblick in die Band und das aktuelle Album Carthasis geben.

Kyra Cade: Stellt euch bitte kurz vor.
Lilith: Wir sind Lilith aus München und uns gibt’s seit sechs Jahren in derzeitiger Formation – Bastian an den Drums, Ben an der Gitarre, Niklas an Bass und Backing-Mic und Jens am Gesang. Bisher haben wir eine Demo-CD, The Art Of Metal (2008), und ein Album, Catharsis (2011/12), rausgebracht.

K.C.: Lilith gilt als erste Frau Adams. Hat dieser Mythos etwas mit eurem Bandnamen zu tun?
Jens: Ja, hat er. Folgt man der Überlieferung einiger mythologischer Texte, dann war Lilith die erste Frau Adams und – wie er – aus Lehm geschaffen und somit gleichberechtigt. Nun wollte Adam jedoch, dass sie sich ihm unterordnet, womit sie selbstverständlich nicht einverstanden war und Eden verließ. Auf den Versuch, sie dazu zu bewegen zurückzukehren, statuierte sie ein Exempel und fraß eher ihre Kinder (die sie in der Zeit außerhalb Edens irgendwie zustande gebracht hatte) als zurück in diese Sklaverei zu gehen (in nah- und mittelöstlicher Mythologie ist Lilith ein Wüstendämon, der Kinder frisst).
Für unseren Namen hat der Aspekt von Lilith, sich um keinen Preis unterzuordnen, den Ausschlag gegeben: Zu dem zu stehen, was man ist und sich nicht aufgrund von äußerem Druck selbst zu verraten. Ich denke, das spiegelt sich auch in unserer Musik wieder.

K.C.: Steckt für euch eine ganze Philosophie dahinter, die ihr in eure Musik einbringt?
Jens: Das fließt wohl ineinander. Ich hatte schon immer einen Faible für mythische Geschichten und unsere Musik war von Anfang an sehr ungewöhnlich bzw. nicht gänzlich in eine Sparte zu stecken. So haben wir ein bisschen mit diversen Namen herumprobiert und Lilith passte letztendlich von der Symbolik her am besten.
Die Philosophie könnte man vielleicht als einen roten Faden in den Songs bezeichnen: Jedes Stück befasst sich mit einem bestimmten Thema und versucht, hinter den „Common Sense“ dieses Themas zu schauen, neue Blickwinkel aufzuzeigen und generell zum eigenständigen Nachdenken und -forschen anzuregen.

K.C.: Euer Album Carthasis ist voll von Bezügen zu Mythologie und Philosophie. Warum?
Jens: Zum einen habe ich Literatur und Philosophie studiert, somit waren und sind Fiktion und „Wahrheitssuche“ sehr bedeutend in meinem Leben und haben natürlich auch meine Texte beeinflusst.
Zum anderen haben Mythen einen unglaublich großen Symbol-Schatz. Man kann einen mythischen/biblischen/historischen Namen nennen und sofort eröffnet sich ein ganzer Kreis von Assoziationen (vor allem bei biblischen Namen, da diese am weitesten verbreitet sind im westlichen Kulturkreis). Nimmt man nun einen solchen Namen und stellt ihn in einen kontroversen Kontext, eröffnen sich spannende Bedeutungsnetze.

Sie wollen nicht schockieren

K.C.: Welche Botschaft steht hinter dem Album?
Jens: Bei Catharsis geht es um Introspektive. Um den Blick in den Spiegel („Imago“ = lat. Ebenbild, Spiegelbild) und die Erkenntnis der eigenen Unvollkommenheit. Die sehr unterschiedlichen Songs repräsentieren verschiedene Blickwinkel auf das Streben, aus dieser Unvollkommenheit heraus zu kommen – Hass, Liebe, Fatalismus etc. Zwar endet der letzte Song auf einer deprimierenden und recht realitätsbezogenen Note, aber das Vorangegangene bleibt dennoch ungelöst – die aufgeworfenen Fragen größtenteils unbeantwortet und laden zum Sinnieren ein. Was bleibt ist die Aufforderung: scito te ipsum – Erkenne dich selbst – denn niemand kann das für einen übernehmen. Und vielleicht geht man aus dieser Schau der eigenen tiefsten Abgründe ja ein bisschen gestärkt hervor…

K.C.: „I Am Annihilation“ beginnt mit der provokanten Frage: „Where is your God now?“ Provoziert ihr gerne mit euren Songs?
Jens: Nicht um seiner selbst willen. Wir sind absolut keine politische Band, oder eine, die in eine bestimmte geistige Richtung tendiert. Auch meine Texte sind von tausend unterschiedlichen, teils banalen Dingen inspiriert. Sollten Textpassagen als provokant oder kontrovers aufgefasst werden, hat das seinen Ursprung in meinen ganz persönlichen, verworrenen und teils seltsamen Gedankengängen, aber bestimmt nicht in dem Wunsch zu schockieren.

K.C.: Gretchenfrage: Wie haltet ihr es denn mit der Religion?
Ben: Grundsätzlich ist mir Religion einfach zu lebensverneinend. Das gesamte religiöse Leben ist auf das “Nachleben” fixiert und die Anhänger dieser Gemeinschaften sind zu sehr damit beschäftigt nach dem Ableben auf der richtigen Seite zu stehen. Das haben alle großen Weltreligionen, auch der Buddhismus und Hinduismus, gemein. Wie das bei den Naturvölker aussieht habe ich keine Ahnung, aber vermutlich läuft es da ähnlich ab. Mich fasziniert der Gedanke das Produkt von Jahrmillionen alten Verkettungen zu sein irgendwie mehr. Passt zu meiner Berufswahl als Geologe auch ganz gut denke ich.
Jens: Glaube, was du willst, aber behalte es für dich.

K.C.: Wie kamt ihr zur Musik?
Bastian: Ich hatte mit fünf meinen ersten Schlagzeugunterricht – Musik ist so eine Art Erbstück in meiner Familie –, spielte mit zwölf in einer Punkband und dann trafen Ben, Jens, ich und der mittlerweile ausgeschiedene Julian uns und machten Metal.
Ben: Ganz klassisch: Mit 14 habe ich Rock gehört – Hendrix, Black Sabbath … Du weißt, was ich meine – und dann kaufte ich mir eine Klampfe, übte fleißig und versuchte mich in verschiedenen Bands bis ich auf die drei Lilith Gründungs-Jungs traf. Das lief alles irgendwie automatisch.
Niklas: Ich kam mit etwa zehn oder elf Jahren zum Metal – der frühe Vogel und so. Dann mit 13 oder 14 lernte ich Bass und Gitarre – NEIN, Lemmi war NICHT der Grund, sondern „Butterfly“ von Crazy Town war Grund dafür Bass zu lernen (geiler Bass!!) – und spielte in diversen Bands. Dann haben Jens und ich uns in einer Bar betrunken. Der Rest in Geschichte.
Jens: Ich hatte einen Faible für Lyrik, Lungenvolumen und Zeit, also hab ich auf Julians Bitte an einer Probe teilgenommen, und es hat auf Anhieb Spaß gemacht mit den Jungs. Seitdem hat sich zwar viel geändert, aber die Band ist immer noch ein fester Teil meines Lebens – ich denke das spricht für sich.

Support your local underground

K.C.: Welche Vorbilder habt ihr?
Lilith: Das ändert sich oft und die Einflüsse wechseln – man selbst bleibt über die Jahre ja auch nicht immer derselbe. Generell ist es eine Mischung aus Musik, Poetik und bildender Kunst, die zusammen das Flair der Band ausmachen.

K.C.: Arbeitet ihr gerade an einem neuen Album?
Lilith: Wir arbeiten gerade an neuem Material, ja, und machen Demo-Aufnahmen. Einige neue Stücke sind schon recht ausgereift, wir spielen sie live und sie finden bestimmt ihren Weg auf unsere kommende CD – allerdings steht der Termin für den Tonträger noch nicht fest.

K.C.: Am 19.04. habt ihr einen Auftritt in München. Man hört immer wieder davon, dass es schwierig ist für neue Bands, Fuß zu fassen und Auftrittsmöglichkeiten zu finden. Geht es euch auch so?
Lilith: Ja, die Möglichkeit hier einen Gig zu spielen ist schwierig – „Indie“ ist gerade eher angesagt, und die etwas härtere Schiene hat es ja generell schwer, lokal ein Stammpublikum aufzubauen. Jedoch waren bei unserem letzten Gig in Rosenheim acht Bands aus München und Umgebung – das will was heißen. Vielleicht ist doch noch nicht alles verloren …

K.C.: Müsste man mehr für die Szene und aufstrebende Bands tun?
Lilith: Ja.

K.C.: Was zum Beispiel?
Lilith: Die Szene bzw. die Bands und Fans müssten sich besser untereinander vernetzen. Interessant wäre zum Beispiel ein Metal-meets-Indie-und-HipHop-Abend oder Gothic-meets-Grunge. Aber so was ist hierzulande nicht möglich, da die Akzeptanz fehlt.

K.C.: Wo würdet ihr gerne mal auftreten?
Lilith: Auf einem Open-Air-Festival.

K.C.: Gibt es eine Band, mit der ihr gerne mal zusammen einen Song einspielen oder auftreten würdet?
Basti: Rammstein.
Ben: Led Zeppelin, am liebsten in der Originalbesetzung. Alternativ wäre Megadeth auch ne tolle Sache!
Niklas: Emperor.
Jens: Moonspell.

K.C.: Wo soll es hingehen? Welche Pläne habt ihr für die nächste Zeit?
Lilith: Mehr Gigs spielen – während des StuStaCulums spielen wir gemeinsam mit Q-BOX in der MKH-Bar –, unser neues Material aufnehmen, neue Leute für unsere Musik begeistern und eventuell ein Label finden.

K.C.: Ein paar Worte zum Schluss?
Niklas: Supportet lokale Bands! Wir brauchen in München eine ordentliche Szene.
Jens: Ia, ia! Cthulhu fthagn!

K.C.: Vielen Dank für das Interview!
Lilith: Gleichfalls!

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